Düsseldorf. Christiane Schönefeld rückt in den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit auf. Die Erfahrungen mit Strukturwandel werden ihr auch künftig helfen.
Die langjährige Chefin der Arbeitsagentur in Nordrhein-Westfalen, Christiane Schönefeld, wechselt zum 1. Oktober in die Bundesagentur nach Nürnberg und wird dort im Vorstand u. a. für die deutschlandweit fast 100.000 Mitarbeiter zuständig sein. Mehr Erfahrung geht kaum: Die Juristin war Mitte der 80-er Jahre zunächst als Arbeitssuchende zur Arbeitsverwaltung gekommen, die damals noch ein Arbeitsamt war. Schönefeld hatte sich nach dem Referendariat arbeitslos melden wollen und dann nach einem Gespräch mit einem Berufsberater den Hinweis erhalten: „Bewerben Sie sich doch bei uns...“
Wie schwer fällt der Abschied nach 15 Jahren an der Spitze der Agentur in NRW?
Schon schwer. Am Montag haben mich die Kollegen aus den Agenturen vor Ort verabschiedet. Da gab es auch Emotionen, wir haben ja viel gemeinsam erlebt und bewegt. Wenn man es richtig bedenkt, enden für mich hier ja 20 Jahre. Zuvor war ich ja schon Vizepräsidentin des Landesarbeitsamtes. Der Arbeitsmarkt hat sich in dieser Zeit völlig gedreht. 2004 standen wir hier in NRW vor einer Million Erwerbslosen und hatten kaum offene Stellen. Heute sind es 656.000 – aber wir können Tausende qualifizierte Stellen nicht besetzen. Und zugleich haben wir nicht ausreichend Arbeitsplätze für Menschen, die nicht so gut qualifiziert sind. Das wird vermutlich in Zukunft auch so bleiben.
Auch Mitglied der Kohlekommission
Die Juristin Christiane Schönefeld (62) war seit 2004 Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit mit 30 Agenturen und 103 Geschäftsstellen. Zuvor war sie Vizepräsidentin des Landesarbeitsamtes und Direktorin des Arbeitsamtes Duisburg. Zur Bundesanstalt für Arbeit war sie 1986 gekommen. Bis Januar 2019 war Schönefeld auch Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission der Bundesregierung „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die Vorschläge für einen Kohleausstieg gemacht hat.
Nicht nur der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt, auch die Arbeitsagentur...
Ja, dieser Wandel dauert immer noch an. Wir entwickeln uns von der „einfachen“ Vermittlungs- zur Qualifikations- und Beratungsagentur, wobei wir natürlich immer vermitteln werden, denn wir sind ja dafür da, Menschen in Arbeit zu bringen. Die große Herausforderung ist, Menschen qualifiziert zu beraten, wenn sie zum Beispiel arbeitslos werden und nicht sofort wieder eine neue Stelle finden. Mit ihnen und auch mit den Arbeitgebern müssen wir gemeinsam den Weg über Qualifizierung zu einer neuen Beschäftigung gehen. Der Weg dahin ist heute häufig viel längerer als früher.
Ich denke, wir in NRW haben da in den letzten Jahren schon auch eine ganze Reihe von Impulsen an den Bund geben können. Nehmen Sie die Verbesserungen, die wir hier geschafft haben beim Übergang von der Schule in den Beruf. Oder die Weiterbildungsberatung unter dem Stichwort „lebenslanges Lernen“ – die in Düsseldorf als einer von vier Agenturen bundesweit getestet wurde und jetzt bundesweit kommt.
In der Geschäftsführung der Bundesagentur (BA) werden sie für Ressourcen zuständig sein – und Personal. Wird der von ihnen beschriebene Wandel der Agentur zu Personalabbau führen?
Ich denke nicht über den ohnehin schon perspektivisch beschlossenen Personalabbau hinaus. Derzeit zählt die BA etwa 96.000 Mitarbeiter. Der beschlossene Abbau hat einfach damit zu tun, dass es deutlich weniger Arbeitslose gibt. Es geht nun um die Organisation des weiteren Wandels, um Strukturen, die Frage, wie bauen wir die BA zur Beratungsagentur um, damit Arbeitgeber auch in Zukunft Fachkräfte finden. Wie bereiten wir Menschen vor, die heute nicht so leicht eine Arbeit finden. Das ist kein radikaler Schnitt, aber eine radikale Veränderung. Auf die Bundesagentur wird auch die Frage zukommen, welche Fachkräfte aus dem Ausland zu uns kommen. Da müssen mit jedem einzelnen Land Verträge geschlossen werden – so wie jetzt bei den Pflegekräften mit Mexiko.
Was nehmen Sie aus Düsseldorf mit nach Nürnberg?
Auf alle Fälle die Erfahrung, dass man gemeinsam unheimlich viel bewegen kann. Das habe ich erlebt, gerade auch im Ruhrgebiet. Arbeitgeber, Gewerkschaften, die Agentur: Hier in NRW haben wir uns ja schon sehr früh beim Ausbildungskonsens zusammengetan. Ich nehme auch die Erfahrungen mit, die man hier mit dem Strukturwandel gemacht hat. Sie werden helfen, wenn es um die Lausitz oder das Rheinische Revier geht, wo der Braunkohletagebau endet. Aber auch in Automobilregionen werden wir es mit Strukturwandel zu tun haben.
Was hat in NRW nicht gut funktioniert, was lief falsch?
Im Rückblick denke ich, wir hätten ein paar Jahre früher mit der stärkeren Qualifizierung von Menschen anfangen sollen. Allerdings standen viele Möglichkeiten wie das neue Chancen- und Teilhabegesetz auch noch nicht zur Verfügung. 37.2 Prozent der Arbeitslosen in NRW sind Langzeitarbeitslose, der Anteil liegt hier deutlich höher als im Bund. Und das Kernproblem der Langzeitarbeitslosigkeit ist die fehlende berufliche Qualifikation.
Beim Chancen- und Teilhabegesetz haben sich Arbeitsagentur und Landesregierung viel vorgenommen. Bis Dezember dieses Jahres sollen in NRW 10.500 geförderte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose entstehen.
Es sind vor allem die Jobcenter vor Ort in den Kommunen, die sich in ihrer Planung dieses Ziel mit dem Land NRW gesetzt haben. Wir sind auf gutem Wege: Bis jetzt sind etwa 7.500 geförderte Arbeitsplätze entstanden, davon etwa 35 Prozent bei privaten Arbeitgebern – was ich sehr begrüße. Ein Erfolg ist auch, dass die Abbrecherquote mit bislang 5 Prozent gering ist. Ich freue mich, dass so viele Menschen eine neue Chance erhalten, die schon aufgegeben hatten. Im nächsten Jahr gilt es, sich beim Chancen- und Teilhabegesetz ein neues Ziel zu setzen.