An Rhein und Ruhr. 182 vollendete Taten zählte das Landeskriminalamt im 1. Halbjahr 2019 in NRW. In einem Fall konnten falsche Polizisten 800.000 Euro ergaunern.
Als vermeintliche Polizisten getarnte Betrüger waren im ersten Halbjahr 2019 in Nordrhein-Westfalen so aktiv und so oft erfolgreich wie noch nie. Das Landeskriminalamt (LKA) zählte bereits 182 vollendete Taten – 47 mehr als im Vorjahreszeitraum, wie die Behörde auf Nachfrage der Redaktion mitteilte. Die höchsten einzelnen Beutesummen lagen zwischen 384.000 und 800.000 Euro. Hinter den meisten Taten werden organisierte Banden aus der Türkei vermutet.
Die Kriminellen melden sich in der Regel telefonisch bei ihren meist älteren Opfern. Behauptet wird zum Beispiel, dass bei den Angerufenen ein Einbruch drohe und diese Geld und Wertsachen sicherheitshalber einem Polizisten überantworten müssten, der gleich vorbeischaue. Insgesamt erbeuteten Kriminelle mit der Masche in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 7.128.937 Euro. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2017 wurden in NRW 289 vollendete Taten mit einer Beute von insgesamt 12.367975,35 Euro gezählt. Die Beutesummen sind im Einzelfall sehr unterschiedlich – oft handelt es sich um vier- oder fünfstellige, mitunter aber eben um sechsstellige Beträge.
Über 60 Anrufe an nur einem einzigen Tag
Ermittler gehen von dabei noch von einer beträchtlichen Dunkelziffer aus, weil sich auch Opfer aus Scham nicht melden. Und auf jede vollendete Tat kommt ein Vielfaches an Versuchen. Nach Einschätzung des LKA lag der Anteil der Versuche im 1. Halbjahr 2019 zwischen 98 und 99 Prozent. Die rege Aktivität der Kriminellen scheint sich auch in der zweiten Jahreshälfte fortzusetzen. Die Kölner Polizei etwa berichtete für ihren Zuständigkeitsbereich von mehr als 60 bekanntgewordenen Anrufen falscher Polizisten an einzelnen Tagen im September. Auch die Essener Polizei berichtete von Dutzenden Anrufen.
Fallzahlen steigen seit 2017
Seit dem Jahr 2017 mehren sich auch in Nordrhein-Westfalen Betrügereien durch falsche Polizisten. Die echte Polizei versucht u. a. mit einer breiten Aufklärungskampagne entgegen zu wirken. In diversen Veröffentlichungen warnen die Beamten davor, unbekannten Anrufern Auskünfte über Geld oder Wertgegenstände zu geben und weisen ausdrücklich daraufhin, dass echte Polizisten kein Geld in Verwahrung nehmen. Wenn die echte Polizei anruft, taucht auch kein „110“ im Display des Angerufenen auf. Mehr Hinweise gibt es hier. (dum)
Mittlerweile variieren die Kriminellen ihre Masche. Wie das LKA berichtete, ist am Telefon mitunter auch von einem „Maulwurf“ die Rede, der bei der Bank der Angerufenen Konten und Schließfächer leerräume – weshalb man Geld und Wertsachen von dort an „die Polizei“ übergeben solle. Mehrere Varianten gibt es auch bei der geforderten Übergabe – in Leverkusen etwa wurden Senioren kürzlich aufgefordert, Geld und Wertsachen in einer Tüte verpackt aus dem Wohnzimmerfenster zu werfen. Und im Rhein-Sieg-Kreis wurden in diesem Sommer Fälle bekannt, bei denen sich Täter von ihren Opfern auf deren Computer aufschalten ließen, um sich per Onlinebanking Geldbeträge ins Ausland zu überweisen.
„Die Täter gehen hochgradig manipulativ vor“
„Allen Varianten ist gemein, dass die Täter hochgradig manipulativ vorgehen und die Geschädigten massiv unter Druck setzen“, heißt es beim LKA. Positiv wertet man dort, dass es bei einem hohen Anteil der Taten beim Versuch verbleibt. Umfangreiche Präventions- und Öffentlichkeitsmaßnahmen zeigten Wirkung. Ein LKA-Sprecher betonte gegenüber der Redaktion gleichwohl, dass die aktuellen Zahlen sehr deutlich machen, wie notwendig die Warnungen vor falschen Polizisten seien.
Ein großer Teil der betrügerischen Anrufe kommt nach Erkenntnissen des LKA von Callcentern in der Türkei, wo Ermittler auch die Drahtzieher der arbeitsteilig vorgehenden Banden vermuten. In jüngster Zeit konnten mehrfach Geldabholer verhaftet werden – so etwa vor wenigen Tagen in Leverkusen, zwei eigens aus Berlin angereiste Jugendliche (15 und 17 Jahre), die mit Rückfahrtickets und mehreren Mobiltelefonen ausgestattet waren. Und es gibt auch bereits deutliche Urteile: Das Landgericht Duisburg etwa schickte aktuell eine 28-jährige Frau für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis, weil sie in zehn Fällen als falsche Polizistin Senioren betrogen haben soll.
Eigene Position in der NRW-Kriminalstatistik
In der NRW-Polizeistatistik werden Informationen zum Vorgehen von „falschen Amtsträgern“/falschen Polizisten seit dem 1. Januar 2019 gesondert erfasst. Nachdem Jahreswechsel werde man erstmalig in der Lage sein, hierzu speziell eine Aufklärungsquote anzugeben, teilte das LKA mit.