Essen. Im Essener Café Fleischlos ist der Name Programm. Zu Kaffee, Kuchen und Mittagstisch kann auch gequatscht, gespielt und gestrickt werden.
„Ob man ein veganes Café in Rüttenscheid, Borbeck oder auf dem Mond eröffnet, vegan wird anfangs immer komisch beäugt“, sagt Nicole Gettler, die ihr Café Fleischlos 2013 direkt neben einer Fleischerei eröffnete. Der Veganismus kämpfe noch immer mit seinem Image. Dabei esse „jeder doch jeden Tag etwas Veganes, wie Gemüse. Viele meinen aber, Veganismus ist Hokuspokus.“ Deshalb hätten sich einige Kunden auch erst vorsichtig ins Café im Essener Stadtteil Borbeck hineingetraut.
Vegane Ernährung ist für die Inhaberin aber kein Klischee-Lifestyle aus Körnern und Birkenstock-Latschen. Sondern eine Lebenseinstellung, wie sie sagt. Durch die Glastür kommen vegane Touristen auf Nahrungssuche im Ruhrgebiet – gelockt durch Tipps und Apps. Aber eben auch „Fleischesser“ aus dem Stadtteil und umliegenden Gemeinden, betont Gettler. Wie einer der Stammkunden, der nach einem schnellen Kaffee fragt. Warum er herkommt? Weil die Kuchen so lecker seien, vegan hin oder her.
Traum einer Veganerin
„Ich wollte schon immer ein Café aufmachen. Und wenn, dann vegan.“ Ganz das Gründerklischee, sagt Gettler, die seit sieben Jahren vegan lebt und vor ihrem Traum-Café einen typischen Bürojob hatte. „Ich bin Borbeckerin und war schon immer hier. Innerhalb von drei Tagen hatte ich den Laden, dann habe ich gekündigt.“ Kurz seien da Zweifel gewesen, dann habe sie losgelegt. Ihr Café mit Holztischen, -Stühlen und bunten Decken setzt auf Gemütlichkeit und Wohlfühl-Optik. Auf der Hausordnung steht wörtlich: Viel lachen, einander lieben. An den Wänden: Karten und Bilder mit noch positiven Sprüchen und Lebensweisheiten. Den Hundenapf säumen Blümchen.
Zu Besuch im Café Fleischlos
Auf der Karte stehen Gerichte im veganen Spektrum von Antipasti bis zu Bolognese und Schnitzel aus Fleischersatz. Oder wöchentlich wechselnde „Glücksschüsseln“ – in Anlehnung an die sogenannten „Bowls“, die derzeit die Gastroszene erobern. In einem Regal gegenüber der Theke stapeln sich vegane Lebensmittel wie Sahne-Sprühdosen oder Aufstrichgläser zum Einkauf. „Da verdiene ich nicht dran. Das ist ein Service.“ Denn Nicole Gettler weiß, vegane Produkte im Supermarkt sind rar und teuer.
Stricken zu Kaffee und Kuchen
Und es gibt mehr als Essen im Café Fleischlos. Ein Verkaufsständer kann nach selbst gemachten Glückwunschkarten durchstöbert werden. Handgemacht sind Gettlers Gerichte sowieso, „mit Liebe“. In einem weißen Regal stapeln sich Gesellschaftsspiele, bereit zur Benutzung. Und dann ist da noch der Strickabend, der jeden zweiten Mittwoch stattfindet und durch eine Gruppe Stammbesucherinnen entstand. Jeder kann kommen, für einen Mindestverzehr von fünf Euro.
„Es ist hier sehr kommunikativ und es wird über alles gesprochen.“ Ein Treffpunkt im Stadtteil also, für viele einfach „zum Quatschen“ – vom Schüler bis zur 92-Jährigen. Noch besetzt das Café eine Nische, so Gettler. Die Inhaberin würde sich aber über mehr rein vegane Läden in Essen freuen. „Konkurrenz gibt es da nicht. Jeder ist doch individuell.“