An Rhein und Ruhr. „Jeder Übergriff gegen einen Gerichtsvollzieher muss strafrechtlich verfolgt werden“, fordert Verbandschef Neuhaus. Die Realität sieht anders aus.

Der Deutsche Gerichtsvollzieher Bund (DGVB) fordert mehr Unterstützung von Justiz und Polizei in Nordrhein-Westfalen. „Jeder Übergriff gegen einen Gerichtsvollzieher muss strafrechtlich verfolgt werden“, verlangt DGVB-Landeschef Frank Neuhaus im Gespräch mit der Redaktion. Weil das aber nicht passiere, fühlten sich Gerichtsvollzieher „als Freiwild“.

Verbessert werden müsse die Zusammenarbeit mit der Polizei, so Neuhaus weiter. Jeder der nrw-weit über 900 Gerichtsvollzieher erledige 1500 bis 2000 Verfahren im Jahr. Da gehe man auch „in schwierigste Stadtteile zu schwierigen Schuldnern“ – in der Regel allein. Bei der Polizei könne man abfragen, ob Informationen zur Gefährlichkeit der Personen vorliegen, und Unterstützung beantragen. So eine Abfrage dauere aber in der Regel drei Wochen: „Das muss schneller gehen“, drängt Neuhaus. Auf ein gemeinsames Gespräch mit Justiz- und Innenminister warte der Gerichtsvollzieherbund seit Monaten.

Von 228 aktenkundigen Vorfällen nur 39 angezeigt

Einem von der SPD-Fraktion im Landtag angefragten Bericht der Landesregierung lässt sich entnehmen, dass von 228 aktenkundigen Übergriffen und Drohungen gegen Gerichtsvollzieher im Jahr 2018 in NRW nur 39 angezeigt wurden. Verurteilungen gab es bisher nur in acht acht Fällen, in 20 laufen die Ermittlungen noch. In sieben Fällen war nicht klar, was aus Anzeigen geworden ist, vier Verfahren wurden - meist ohne Strafe - eingestellt.

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Bei den 189 Vorfällen, die nicht zur Anzeige kamen, geht es zum Teil um Gravierendes – Bedrohungen etwa („Ich schlage Sie tot!“, „Ich knalle Dich ab“), tätliche Angriffe mit Werkzeugen, Drohungen mit Messern, einem scharfen Hund oder auch einer Axt. „Jeder Angriff gegen einen Gerichtsvollzieher muss bestraft werden“, forderte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sven Wolf gegenüber der Redaktion. „Die angebliche Null-Toleranz-Strategie der Landesregierung scheint nur Straftaten gegen die Minister selbst zu betreffen.“

Ministerium: Betroffene haben oft auf Anzeige verzichtet

Im NRW-Justizministerium weist man die Kritik deutlich zurück. Der Schutz auch der Gerichtsvollzieher sei dem Ministerium ein ganz wichtiges Anliegen, betonte ein Sprecher. Das gelte auch für Minister und Staatssekretär persönlich. Soweit es ihre Terminlage zulasse, nähmen diese im Hause an den Besprechungen zum Thema teil.

Bei „einer erheblichen Anzahl von Übergriffen“ im Jahr 2018 sei kein Strafantrag gestellt worden, weil das von den geschädigten Gerichtsvollziehern nicht gewollt gewesen sei. Minister Peter Biesenbach habe den politischen Wunsch geäußert, dass Geschädigte stets Anzeige erstatten. Der Ministeriumssprecher verwies darauf, dass man staatsanwaltschaftliche Sonderdezernate für die Bekämpfung von Straftaten gegen öffentlich Bedienstete und Rettungskräfte eingeführt hat. „Diese gewährleisten jedenfalls im statistischen Vergleich eine signifikante Erhöhung der Verfahrensabschlüsse mit Sanktion“, so der Sprecher.

Unterstützung für Initiative aus Niedersachsen

Zudem habe NRW ganz aktuell im Bundesrat die Initiative aus Niedersachsen auf Verschärfung des Bedrohungstatbestandes § 241 StGB unterstützt. Ziel sei es, Berufsgruppen wie Gerichtsvollzieher besser zu schützen, indem auch Drohungen unter Strafe gestellt werden, die vordergründig kein Verbrechen zum Gegenstand haben („Ich weiß, wo du wohnst und wo deine Kinder zur Schule gehen und besitze eine schöne Messer-Sammlung“).