An Rhein und Ruhr. Förster Michael Herbrecht sieht den Wald in einer dramatischen Lage. Die Trockenheit setzt Buchen und Eschen zu. Fichten sind schon abgestorben.
Michael Herbrecht steht in einem Waldstück nahe Hünxe, in dem Dutzende von Fichten stehen, fast alle sind tot, fast alle haben braune Nadeln, die Rinde ist vom Borkenkäfer befallen. „Ein Baumsterben in dieser Form habe ich noch nicht erlebt“, sagt Förster Michael Herbrecht, dessen riesiges Staatsforst-Revier von Wesel bis nach Ratingen reicht. Der Forstbetriebsbezirk Dinslaken hat seinen Sitz in der Schwarzen Heide in Hünxe, von hier aus überwacht und bewirtschaftet Herbrecht rund 2000 Hektar Wald in acht Kommunen. Natürlich habe es immer mal schlimme Jahre gegeben, sagt der Förster, aber jetzt wisse er kaum noch, welche Baumart er ganz oben auf die Prioritätenliste setzten solle. „Leider muss man sagen, dass es dem Wald in meinem Revier so schlecht wie noch nie geht“, sagt Herbrecht, der seit 34 Jahren im Amt ist.
Fünf Millionen Bäume in ganz NRW sind nach Schätzungen des Landesbetriebs Wald und Holz seit Anfang 2018 durch Trockenheit und daraus entstehende Krankheiten abgestorben. Wie viele es allein in seinem Revier sind, kann Herbrecht kaum schätzen. „Was mich am meisten beschäftigt, ist aber nicht, wie viele Bäume krank sind oder sterben, sondern welche“, sagt er.
Keine Fichten mehr im Revier
Normalerweise würden bei längerer Trockenheit zunächst die jungen Bäume zugrunde gehen, weil sie nur eine kleine Wurzelschicht haben. „Jetzt sterben aber die mittelalten und alten Bäume mit tiefem Wurzelwerk, die sich eigentlich aus dem Schichtwasser versorgen“, erklärt Herbrecht. „Das heißt, dort ist kein Wasser mehr vorhanden, was einmal mehr darauf hindeutet, dass es seit Anfang 2018 viel zu wenig geregnet hat.“ Generell könnten die meisten Bäume nämlich kürzere Trockenphasen gut überbrücken und sich wieder regenerieren. „Dieses Wegsterben ganzer Bestände ist aber neu und lässt sich nur durch den Klimawandel und die anhaltende Dürre erklären“, meint Herbrecht.
Er zeigt auf eine Buche, die abgestorben ist und auf den Waldweg zu fallen droht, der Boden rundherum ist trocken. „Sie hat im Frühjahr noch ausgeschlagen, ein letzter Versuch sozusagen. Dabei lachen die Buchen normalerweise über Trockenheit und kommen mit den Verhältnissen hier bestens zurecht“, erklärt der Förster. „Jetzt haben viele von ihnen aber Unmengen von Schädlingen, die bei einem ohnehin schon geschwächten Baum leichtes Spiel haben.“ Herbrecht deutet noch einmal auf die Buche. „Eigentlich werden sie zwischen 120 und 150 Jahre alt, diese hier ist höchstens 70 Jahre alt geworden.“
Risiko im Wald ist größer geworden
Der Bestand an Fichten ist in Herbrechts Revier schon fast vollständig abgestorben. „100 Prozent sind schwer krank oder tot – und das ist alles in den letzten Monaten passiert“, erzählt der Experte. Die Fichten müssen nun nach und nach aus dem Wald geholt werden. Er zeigt auf eine Gruppe von Fichten, deren Stämme vom Borkenkäfer befallen wurden. „Sie haben sich reihum eine Fichte nach der nächsten vorgenommen, da sind Milliarden dieser Tiere am Werk.“ Als der Förster mit der Axt ein Stück der Rinde abschlägt, werden die Spuren vieler verschiedener Käfer sichtbar. Noch vor einem Jahr habe man vom Harz immer klebrige Hände beim Berühren einer Fichte bekommen. „Jetzt ist da nur noch Trockenheit.“
Dazu, erklärt Herbrecht, kommt bei so vielen kranken oder toten Bäumen, die nicht alle sofort aus dem Wald geschaffen werden können, die Gefahrenabwehr. „Derzeit knackt und bricht es überall“, erklärt er. Äste würden ohne Vorwarnung abbrechen, auch ohne einen Sturm. „Das Risiko, sich im Wald aufzuhalten, ist dadurch deutlich größer geworden als früher, sowohl für Spaziergänger als auch für unsere Mitarbeiter.“
Der Wald wird sich verändern
Der Hobby-Pilot sieht sich sein Revier oft aus der Luft an, kann von oben besonders gut erkennen, wo ganze Bestände braun geworden sind. Von dort aus hat Herbrecht auch bereits erspäht, wie schlecht es um die Hemlocktannen steht. „Sie waren bis vor einigen Wochen noch grün, jetzt sind die Nadeln braun“, so der Förster. Unter der Rinde finden sich keine Käfer. „Hier sieht man, dass allein der Wassermangel für das Absterben verantwortlich ist.“. Das sei aber erst „der Anfang des Übels“, die Esche leide unter dem Eschentriebsterben und der Ahorn habe die Rußrindenkrankheit. „Alles die Folge einer allgemeinen Schwächung der Natur.“
Doch: Das eine Rezept für die Rettung des Waldes gebe es nicht. „Jede Baumart kämpft im Moment mit anderen Problemen. Keiner kann bislang sagen, was das Optimale ist“, erklärt Herbrecht. Dringend müssten aber Unmengen von Bäumen aufgeforstet werden. „Weil sie Kohlendioxid speichern und wenn viele Bäume aufgrund der Trockenheit sterben, gibt es zu wenige Bäume für diese Speicherung“, erklärt er.
Andere Arten pflanzen
Es sei außerdem möglich, andere Arten zu kultivieren, die eigentlich nicht in der Region heimisch sind. Solche, die genetisch bedingt mit weniger Wasser auskommen. In Herbrechts Revier stehen beispielsweise einige Mammutbäume, die ursprünglich aus Kalifornien stammen und denen die Trockenheit bislang nichts auszumachen scheint. „Es wäre eine Idee, diese häufiger zu pflanzen“, sagt der Förster. Auch die Küstentanne oder die Roteiche kämen dafür in Frage. „Den Wald“, sagt Herbrecht, „wird es weiter geben, nur eben in anderer Form.“