An Rhein und Ruhr. Städte wie Duisburg nehmen den Fußverkehr bei der Stadtplanung verstärkt in den Blick und gestalten Straßen um. In Marl gibt es sprechende Ampeln.

Duisburg, Moers, Marl – viele Städte wollen in ihrer Verkehrs- und Stadtplanung die oft vernachlässigten Fußgänger stärker berücksichtigen - teils zu Lasten des Autoverkehrs. Duisburg nimmt an der Aktion Fahrradcheck teil, Marl im Kreis Recklinghausen ist Modellstadt des Fußgängerverbandes „FUSS“ für fußgängerfreundliche Kommunen, Moers senkt Jahr für Jahr Bordsteine ab und entfernt in den nächsten Jahren das oft kritisierte Kopfsteinpflaster in der Innenstadt.

„Der Zug der Fußverkehrsförderung rollt in Deutschland gerade erst an“, sagt Patrick Riskowsky, Sprecher des Fachverbandes FUSS e.V. „In vielen Kommunen ist der Fußverkehr noch immer leidgeplagt, geschuldet durch die einst autogerechte Stadtplanung und im Weiteren durch die Förderung des Radverkehrs“, erklärt er. In ganz Deutschland gebe es erst seit kurzem nur einen einzigen Vollzeitbeschäftigten, also „reinen“ Fußverkehrsbeauftragten, in Leipzig.

Diskussion um Elektro-Roller rückt Fußgänger in den Fokus

Seit der Diskussion darüber, ob Elektro-Roller auf dem Fußweg fahren dürfen, ist die Fußgängerfreundlichkeit wieder mehr in den Fokus gerückt. Der Fußgängerverband verzeichnet seit der Diskussion mehr neue Mitglieder, gibt Riskowsky an.

„Für den Radverkehr ist seit Jahrzehnten viel getan worden. Der Fußverkehr wurde vernachlässigt“, gibt auch Nico Faust, Verkehrsplaner der Stadt Duisburg zu. Die Kommune ist eine von zehn Städten, die jetzt vom „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ für den „Fußverkehrs-Check 2019“ ausgewählt wurde. „Mit dem Check können die Kommunen ihre Gehwege sicherer und attraktiver machen. Das erhöht die Aufenthalts,- und Lebensqualität“, erklärt NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst. Der Fußverkehr würde zudem die Lärm-, CO2- und Schadstoffbelastung in den Städten reduzieren.

Weseler Straße in Marxloh im Fokus

Duisburg wird die Weseler Straße in Marxloh genauer unter die Lupe nehmen. Dort, wo die Hochzeitsmoden-Meile Kunden „von weit weg anlockt, ist viel los. Es kommen viele Verkehrsteilnehmer auf engem Raum zusammen: Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und die Straßenbahn fährt dort auch noch entlang“, begründet Nico Faust die Entscheidung der Stadt Duisburg mit dem Teilstück der B8 anzufangen. Gemeinsam mit Experten und Bürgern sollen Lösungen erarbeitet werden, die dann im März 2020 in ein Konzept gefasst – und auch umgesetzt werden sollen. Grundsätzlich werde die Aufenthaltsqualität und Barrierefreiheit bei der Planung des Fußverkehrs in den Städten immer wichtiger.

„Es ist ja nicht so, dass der Fußverkehr bei städtebaulichen Planungen keine Rolle gespielt hat“, sagt Verkehrsplaner Nico Faust. Aber auch in Duisburg habe der Fokus in den vergangenen Jahren bei neuen städtebaulichen Projekte auf dem Radverkehr gelegen. Dies soll sich nun ändern.

Genügen Sitzmöglichkeiten und Beleuchtung aus?

In dem Check werden nun die besonderen Flächenansprüche der Fußgänger beleuchtet. Gibt es genügend Sitzmöglichkeiten? Reicht die Beleuchtung aus? Reicht der Bürgersteig in seiner Breite aus für die Fußgänger? Wenn nicht, wie lässt er sich verbreitern? Die Ergebnisse des Checks sollen nicht in der Schublade verschwinden. „Die werden ernst genommen und sollen auch umgesetzt werden“, betont Nico Faust. Von welchem Geld ist noch unklar. Denn der „Fußverkehrscheck“ beinhaltet zunächst nur die Beratung und die Erstellung des Konzeptes. Man ist aber zuversichtlich, dass das es dafür dann Fördergelder aus Düsseldorf geben wird und die Kosten nicht nur auf der Kommune sitzen bleibt.

Baudezernentin Andrea Baudek und Verkehrsplaner Udo Lutz an einer der neun sprechenden Ampel in Marl. Die Stadt ist Modellstadt für fußgängerfreundlichen Verkehr.
Baudezernentin Andrea Baudek und Verkehrsplaner Udo Lutz an einer der neun sprechenden Ampel in Marl. Die Stadt ist Modellstadt für fußgängerfreundlichen Verkehr. © Funke | DL

Die knapp 90.000 Einwohner große Marl ist schon einen Schritt weiter. Den Fußgängercheck hat sie gemacht, die Ergebnisse fließen in das neue Mobilitätskonzept ein, das gerade auf der Zielgeraden ist. So konnte die Stadt einen Unfallschwerpunkt an einem Fußgängerweg so verbessern, dass es keine Unfälle mehr gibt. Radfahrer müssen nun absteigen, wenn sie den Zebrastreifen überqueren. Demnächst soll eine wichtige innerstädtische Hauptstraße saniert werden. Der Radweg wird vom Bürgersteig auf die Straße verlegt, die Fußgänger erhalten damit einen breiteren Weg und mehr Platz. Vor einer Schule sollen zudem spielerische Elemente in der Fußwegeplanung einfließen: Hüpfspielchen oder Balance-Elemente zum Beispiel.

Sprechende Anzeige am Busbahnhof

Ganz neu ist eine sprechende Anzeigentafel am Busbahnhof. Hier werden die aktuelle Informationen vorgelesen.

Doch dieses Gerät ist nicht das einzige sprechende in Marl. Vor fünf Jahren sind Ampelschalter eingeführt worden, die auf Knopfdruck eine Kinderstimme ertönen lässt, um Sehbehinderte sicherer über die Straßen zu lotsen. „Dankeschön, gleich wird’s grün“, sagt die damals fünfjährige Tochter eines Mitarbeiters. Eine Anwohnerin hatte sich über die neue Geräuschkulisse beschwert, das konnte dank Nachjustierung aber geregelt werden. Theoretisch könnte aus dem Ampelknopf auch Musik oder die Stimme des Bürgermeisters ertönen, erklärt Marls Verkehrsplaner Udo Lutz. Die Stadt Marl will den Anteil der nachhaltigen Mobilität, also Bus und Bahn, Fußgänger und Radfahrer, von jetzt 37 Prozent auf 50 Prozent erhöhen.

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Auch in Moers bemüht sich die Stadt, für Fußgänger attraktiver zu werden. Die Stadt hatte sich wie Marl als fußgängerfreundliche Modellstadt beim Verband FUSS beworben, ist aber nicht ausgewählt worden. Jedes Jahr stellt die Stadt 60.000 Euro zur Verfügung, um Bordsteine abzusenken. Je nach Lage und Aufwand der Bordsteine reicht das Geld für die Absenkung von acht bis 20 Stolperfallen. Für Kritik sorgt immer wieder die mit Kopfstein gepflasterte Innenstadt. In den nächsten Jahren stehen in Moers Kanalsanierungen an, dann soll auch die Oberfläche fußgängerfreundlicher gestaltet werden, erklärt ein Stadtsprecher.