Am Niederrhein. Jürgen Weiß kennt die Wanderwege in der Region wie kaum ein anderer. Zum Deutschen Wandertag gibt er Tipps für die besten Routen am Niederrhein.

Kleine Flüsse, Wiesen, Seen, Heideflächen, Getreidefelder und Wälder: Nicht nur durch die Naturschutzgebiete am Niederrhein lässt es sich herrlich wandern. „Gerade weil es selten richtig hügelig wird, ist die Region ein Paradies für Wanderer“, sagt Jürgen Weiß, der den einzigen ausführlichen Blog für Wanderwege am Niederrhein betreibt und mittlerweile fast jeden Pfad kennt. „Die Schwierigkeit“, so der 52-jährige Neukirchen-Vluyner, „definiert sich hier nicht über die Steigung, sondern über die Länge der Strecke.“

Zwei Routen empfiehlt der Hobby-Wanderer besonders: „Als relativ leichten Weg bietet sich die Hirschkäferroute im Diersfordter Wald vor den Toren Wesels an“, sagt Weiß. Verbunden mit dem Moorerlebnisweg können Wanderer hier rund 6,5 Kilometer auf befestigten Wegen durch die Natur gehen. „Es gibt keine Steigungen, aber dafür jede Menge zu sehen, stellenweise befindet man sich mitten im Moorgebiet“, erzählt Weiß, der vor einigen Monaten seine 1000. Wanderung gemacht hat. Vor allem Hirschkäfer finde man im Diersfordter Wald in Hülle und Fülle – hier lebt die größte Population in ganz NRW. Auf seinen Wanderungen am Niederrhein und im Ruhrgebiet hat der Neukirchen-Vluyner so viele Tiere gesehen wie sonst nirgendwo. „Rehe, Eichhörnchen, Feuersalamander und seltener auch Wildschweine sehe ich hier viel häufiger als im Sauerland, weil ihre Rückzugsorte bei uns kleiner sind“, erklärt Weiß.

Wandern im Flachland hat Vorteile

Genauso reizvoll sei der rund neun Kilometer lange Wanderweg zwischen Goch-Asperden, Kessel und Nierswalde im Nordkreis Kleve. „Er ist zwar etwas länger, führt aber durch die Heide und Teile des Reichswaldes und auch vorbei am ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Gut Graefenthal.“ Das Wandern im Flachland bietet für den 52-Jährigen fast nur Vorteile. „Es ist meist nicht so anstrengend, was es gerade für ältere Menschen reizvoll macht, und es ist vor allem keine teure Ausrüstung notwendig. Hohe Wanderschuhe brauchen Wanderer nicht, ebensowenig wie einen Stock“, meint der gebürtige Moerser. Wichtig ist ihm nur eine Karte: „Der Handyakku kann ja auch mal leer sein und ich möchte eine gedruckte Karte in der Hand haben, um zu wissen, wo es lang geht.“ Er bloggt seit 2011, nach einem Lungenriss durfte er in der Reha zuerst nur viel spazieren gehen und kam so zum Wandern. „Der Niederrhein wurde dann meine Nische, nachdem ich merkte, dass es hier nicht viele Informationen abseits der bekannten Wege gibt.“

Er macht sich, wann immer neben seiner Arbeit als Medizintechniker Zeit ist, auf die Reise und ist dabei stets mit Rucksack unterwegs. „Die Pause mit Butterbrot auf einer Bank gehört dazu“, findet er. Dabei sehe er viel mehr, als wenn er mit dem Rad oder dem Auto unterwegs sei. „Beim Wandern lässt man die Seele baumeln, ist an der frischen Luft, erlebt die Natur und die Tierwelt und tut was für die Gesundheit – besser geht es eigentlich nicht“, ist der 52-Jährige überzeugt.

„Renaissance des Wanderns“

Auch Martina Baumgärtner, Geschäftsführerin von Niederrhein Tourismus, sieht, dass Wandern im Trend liegt. „Wir erleben gerade eine regelrechte Renaissance des Wanderns, insbesondere bei jüngeren Menschen“, sagt sie. Der Niederrhein sei die erste topographisch flache Region, die ihr Wanderwegenetz so stark ausgebaut habe. „Die Routen werden sehr gut angenommen, die Wanderer sind meist professionell mit Karte ausgerüstet und können so auch unterschiedliche Wege miteinander kombinieren“, erzählt Baumgärtner.

Beliebt seien unter anderem die Wege in der Hohen Mark, wo bis zum kommenden Jahr der Hohe-Mark-Steig weiterentwickelt wird. Für den gesamten Niederrhein gilt laut Baumgärtner: „Es gibt genügend Beschilderungen, die sehr übersichtlich sind.“ Derzeit gebe es auch Überlegungen, Wanderwege mit Knotenpunkten zu versehen und noch enger mit den Experten aus der benachbarten Niederlande zusammenzuarbeiten, um ein noch besseres Wandererlebnis zu schaffen.

Neun Premiumwanderwege am Niederrhein

Manuel Andrack, der als begeisterter Wanderer schon seit einigen Jahren Bücher und Kolumnen zu diesem Thema schreibt, sagt über den Niederrhein: „Weniger Wald, mehr Ausblicke, das macht das Wandern hier so besonders.“ Vor allem der 11,6 Kilometer lange Premiumwanderweg „Wasser.Wander.Welt“ bei Nettetal sei großartig. „Alle, die von weiter her hierher kommen, kommen aus dem Staunen meist gar nicht mehr heraus“, erzählt Andrack. Mittlerweile gibt es neun Premiumwanderwege am Niederrhein, die vom Deutschen Wanderinstitut in Marburg zertifiziert und in verschiedenen Kategorien wie zum Beispiel Natur, Wanderleitsystem und Kultur bewertet werden.

Ebenso empfehlenswert sei der Neanderlandsteig im Niederbergischen Land. „Die Qualität der Wege ist sehr gut“, so Andrack, der Wegpate des Steigs ist und die kompletten 235 Kilometer bereits erwandert hat. Die leichten bis mittelschweren Etappen verlaufen nicht nur durch den Kreis Mettmann, sondern auch durch die angrenzenden Städte Essen, Düsseldorf und Solingen.