Am Niederrhein. Erstaunlich: Am Campingplatz Grav-Insel bei Wesel, einem der größten seiner Art in Europa, haben Mensch und Natur eine Oase des Wohlseins.

Unweit vor den Toren von Wesel, im Ortsteil Flüren, liegt Grav-Insel, einer der größten Campingplätze Europas. Auf rund 60 Hektar finden Frischluftenthusiasten alles was Campingfreunde lieben. Die Infrastruktur ist ausgetüftelt; eine Kleinstadt für Schmierbäuche, Sixpacks und Bikiniträgerinnen. Für Groß und Klein, Jung und Alt.

Und die Versorgung ist bei Tag und Nacht gesichert. Kein Wunder, dass sich in der Saison bis zu zehntausend Menschen auf dem beliebten Platz der Freizeitvergnügen in der Rheinaue tummeln. 16 Hektar eigene Wasserfläche gehören dazu.

Natürlich gibt es eine maßgeschneiderte Campingordnung, die in der Regel auch ohne ständig lauernde Kontrollettis eingehalten wird. Mittagsruhe ist beispielsweise zwischen 13 und 15 Uhr, Nachtruhe ab 23 Uhr. Dann herrscht Ruhe wie im Beichtstuhl.

Vor 50 Jahren fing es am Altrhein bei Wesel an

Trotzdem gibt es für die 60 angestellten Mitarbeiter auf dem Riesengelände und im Büro immer reichlich zu tun. Ein 30 Kilometer langes internes Wegenetz führt zu den verschiedenen Stellplätzen. Gleich im Eingangsbereich wird jeder Neuankömmling professionell navigiert.

Vor 50 Jahren hat Wolfgang Seibt den Campingplatz ins Leben gerufen. Seit Jahren führt sein Sohn, der 56-jährige Frank Seibt, als Gesellschafter und Geschäftsführer mit viel Übersicht das Unternehmen. Seine Lebensgefährtin Tatjana und Sohn Michael sind tatkräftige Unterstützung im Familienbetrieb. Sieben Tage die Woche und zur Saison häufig zwölf Stunden am Tag.

Das soziale Engagement der Familie Seibt geht weit über die Grenzen hinaus. So hat die Stiftung Seibt schon viele Krankenstationen, Schulen und Brunnen in Afrika gesponsert.

Zudem ist Frank Seibt der Motor für Affinität zum Naturschutz. Rund um den Campingplatz besitzt Seibt eine arrondierte Wiesen- und Weidefläche von beachtlichen 200 Hektar: die Rheinische Wardt. Darauf wird Artenvielfalt gefördert. Pestizide und Gülle sind schon lange verbannt. Und das Riesenareal ist störungsfrei. Zum großen Teil sogar Naturschutzgebiet. Das dürfen auch keine Camper oder Besucher betreten. Längst sind auch alle fest installierten Weidezäune entfernt; dies dürfte am Niederrhein wohl einmalig sein.

Am Niederrhein sagen sich Hase, Reh und Fuchs gute Nacht

Die Artenvielfalt ist dort weiter auf dem Vormarsch. Nicht nur Hase, Reh und Fuchs sagen sich hier gute Nacht. Mahden werden naturfreundlich meist erst nach dem Samenaustrag der Wildpflanzen ausgeführt. Auch nach Absprache mit der Kreisgruppe Wesel des Naturschutzbundes (NABU). Riesenflächen werden sogar ganz ausgespart; auf Ertrag wird freiwillig verzichtet.

Blick über die Grav-Insel am Altrhein bei Wesel, im Hintergrund die Niederrhein-Brücke.
Blick über die Grav-Insel am Altrhein bei Wesel, im Hintergrund die Niederrhein-Brücke. © Peter Malzbender (Nabu) | Peter Malzbender

Gewinn macht vor allem die Biodiversität. Unzählige Insekten, darunter bunte Käfer und schillernde Schmetterlinge sowie Heuschreckenarten fühlen sich auf Rheinische Wardt bestens aufgehoben.

So viel große Grüne Heupferde hat der Autor seit Kindheitstagen nicht mehr gesehen. Eine vielartige Vogelwelt untermauert ebenfalls die herausragende Qualität des Gebietes. Seltene Wiesenvögel wie Wiesenpieper, Schafstelze und Feldlerche ziehen dort in beachtlicher Zahl ihre Jungen groß.

Tief im Westen kommt der Storch angeflogen

Unlängst bei der Mahd kamen 36 Weißstörche aus allen Himmelsrichtungen angeflogen. Der Tisch war für die langen Rotsocken reichlich gedeckt; so etwas spricht sich in Storchenkreisen wohl herum. Das hofeigene Paar hat selbst drei Junge im Horst; für sie ist das tägliche Futtersuchen sowieso nur wenige Flügelschläge weit entfernt.

Ein seltener Roter Milan und einige Mäusebussarde labten sich ebenfalls an proteinhaltig-tierischen Leckerbissen, die bei der Mahd offengelegt wurden. Rund 50 Rauchschwalben haben sich im Pferdestall eingenistet – wo gibt es das sonst noch. Insektenfutter ist eben ausreichend in pfeilschnellen Flugjagten zu erhaschen.

Chef Frank Seibt ist kein Mensch der sich unnötig in den Vordergrund schiebt. Seinen Campern begegnet er verständnisvoll auf Augenhöhe. Seine Naturliebe hat er wohl von Vater Wolfgang und diese auch seinem Sohn Michael vermitteln können. Der 21-jährige wandelt längst auf ähnlichen Pfaden.