Essen. Kenneth Nasoe Najeme (44) lebt in Essen, stammt aber aus Kamerun. Als Kinder hatten sie dort so ihre Tricks, um mit der Glut-Hitze umzugehen.
Soll ich die Straße überqueren oder nicht? Hüben umarmt mich Schatten schützend wie eine Mutter ihr Kind, drüben kocht die Höllenglut den Asphalt und dann gewiss auch meine Wenigkeit weich. Ach, ich bin doch nicht verrückt, ich hole mir beim Türken einen Ayran, der als Durstlöscher wirklich was kann, setze mich auf ein Mäuerchen, schließe die Augen und lasse meine persönliche Suchmaschine mal die Schubladen mit den wärmsten Erinnerungen durchforsten: Wann war es in meinem Leben schon mal heißer?
Stimmt, mir wird ein Foto auf die Netzhaut gespielt. Ein Afarhirte ist zu sehen, er steht stolz mit der geschulterten Kalaschnikow vor seinen Ziegen, wir sind in der Danakil-Wüste im Norden Äthiopiens, Wiege der Menschheit, für ein Menschlein, nämlich mich, auch fast die Bahre. Knapp 50 Grad herrschten, als ich das Foto vor 15 Jahren machte. Ich war noch jünger und ranker, sonst hätte mich das Fegefeuer des größten Grills der Welt wohl gekillt.
Ach ja, Afrika. Liebes Afrika. Ich bin dem Kontinent sehr zugetan. Denke oft an ihn. Was so ein Afrikaner wohl zu unserem „Sahara-Wetter“ hier jetzt sagen würde? Am besten fragen. Da vorne war doch gleich ein afrikanisches Reisebüro...
In Kamerun legen die Menschen auch bei Hitze mehr Wert auf ihr Erscheinungsbild
Kenneth antwortet eigentlich schon durch seine Erscheinung. Er sitzt am Schreibtisch, Anzug, Hemd, Krawatte. Nicht die Spur eines Tröpfleins auf der Stirn. Nein, richtig heiß sei das nun wirklich nicht. Ganz angenehm. Durchaus ähnlich wie die Temperaturen gerade in Kamerun, von dort ist er vor 20 Jahren nach Deutschland gekommen, hat BWL studiert und schließlich sein Geschäft eröffnet. Jetzt steht er mitten im Leben, ist 44, verheiratet, drei Kinder, und er führt einen Verein, der sich um ein besseres Zusammenleben von Afrikanern und Deutschen bemüht. Ist er denn immer so korrekt gekleidet? Nein, da lächelt er, aber im Büro schon, das erwarte der Kunde, und in Kamerun seien die Regeln da eher noch etwas strenger. Bei entsprechenden Anlässen würden die Leute auch bei großer Wärme sehr viel mehr Wert auf ihr Äußeres legen. Ach so. Ich sehe mein Äußeres in der Scheibe und wechsel mal lieber das Thema.
Die Kinder hatten ein Eis. Die Männer Bier.
Was habt ihr denn als Kinder in Kamerun gemacht, wenn es so heiß war wie jetzt hier?„Ich stamme aus der Stadt Limbe im Südwesten des Landes, direkt am Atlantik gelegen. Da sind wir natürlich mit allen Kindern im Meer schwimmen gegangen.“ Das bringt mich auf eine hierzulande gerade aktuelle Frage und etwas weg vom Thema: Wer hat Ihnen das Schwimmen beigebracht? „Also einen Kurs hatte ich nicht. Da war die Familie, die anderen Kinder. Ich hatte zunächst so rote Schwimmflügelchen. Mit denen habe ich gepaddelt. Und plötzlich konnte ich schwimmen. Und wir Kinder haben Eis geliebt, wie alle Kinder. Abends hat die Familie gemeinsam gegessen. Yam-Wurzel gab es oft, dazu Gemüse und viel Fisch. Direkt aus dem Meer, die Fischer verkauften ihn am Strand. Und die Erwachsenen haben ein Bier getrunken, die Männer jedenfalls.“
Ein Kunde kommt ins Büro. Einer wartet schon länger. Ich bedanke mich und gehe zurück in die Sauna. Guck an. Schwimmen, Eis essen, Bier trinken. Vor der Hitze, so scheint es, sind wir alle gleich.