An Rhein und Ruhr. Große Gruppen, wenig Personal und mehr Aufgaben. Erzieherinnen leiden unter schwierigen Arbeitsbedingungen. Sie warnen: „Die Erziehung leidet“.
Fehlendes Personal, große Arbeitsbelastung und ein immer weiter steigender organisatorischer Aufwand: in den Kitas in Nordrhein-Westfalen wächst die Unzufriedenheit bei Erzieherinnen und Erziehern. Auch die geplante Reform des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) durch die schwarz-gelbe Landesregierung wird daran nicht viel ändern, befürchten viele.
Darunter die Essener Erzieherin Jacqueline Graf-Majnic; sie erklärt: „Das Gesetz stimmt nicht so ganz mit dem Alltag in der Kita überein.“ Viel mehr noch: die Neuerungen könnten die Situation für die Erzieherinnen noch verschlechtern. „Qualität von Bildung und Erziehung wird verloren gehen“, so Graf-Majnic. Es klingt wie ein verzweifelter Hilferuf.
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Denn während die Aufgaben in den Kitas stetig wachsen, gebe es nicht mehr Personal, sagt Graf-Majnic. „Es wird personell sofort knapp bei Krankheit, Schulungen oder Urlaub.“ Zwar würde man immer schauen, dass der Tag überbrückt wird, aber auf Dauer sei das kein Zustand. Viele Erzieherinnen gehen auf dem Zahnfleisch, heißt es dazu aus einer anderen Kita.
Belastung durch Flexibilisierung
Das Personalproblem könnte sich, befürchtet Graf-Majnic, noch verschärfen, wenn die geplanten flexiblen Betreuungszeiten weiter ausgebaut werden. „Für Eltern ist das natürlich super, aber es muss auch das Personal dafür da sein.“
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Das Problem, vor dem viele Kitas dann stehen, sieht auch Thorsten Böning von der Mitarbeitervertretung des Kita Zweckverbandes und Sprecher des Aktionsbündnisses „Mehr Große für die Kleinen“: „Mit einer Pauschale für 25, 30 oder 40 Betreuungsstunden müssen Öffnungszeiten von 50 Stunden und mehr finanziert werden.“
Aufgerieben zwischen Erziehung und Papierkram
Die Rechnung: Werden Kinder zu unterschiedlichen Zeiten zur Betreuung in die Kita gebracht, muss die Einrichtung ihr Angebot über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stellen, als ihr durch die Stundenpauschale bezahlt wird. So entsteht nicht nur ein Finanzierungsproblem, auch vermeintlich kleine organisatorische Aufgaben werden größer, so Graf-Majnic: „Die Dienstplanung wird schwieriger und auch die Mittagessen müssen für jeden Tag neu berechnet werden.“
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Ein planerischer Mehraufwand, der nicht berücksichtigt wird, klagt die Erzieherin. Vor allem Kita-Leitungen würden dabei zwischen Erziehung und Papierkram aufgerieben, sagt auch Katharina Schwabedissen, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi und Bündnissprecherin. „Die Zeiten für pädagogische Vor- und Nachbearbeitungen sind zu kurz. Viele müssen das in ihrer Freizeit machen, weil während der Arbeit keine Zeit bleibt.“
Gewerkschaft warnt vor Notstand
Diese Umstände seien auch für den drastischen Mangel an Fachkräften verantwortlich. Denn auch an Nachwuchs fehlt es in dem Berufszweig: schlechte Bezahlung und ein stressiges Umfeld machen die Ausbildung unattraktiv, hat die Bildungsgewerkschaft GEW NRW beobachtet und spricht sogar von einem „Erzieherinnennotstand“. Auch Bündnissprecher Böning sieht darin ein Problem: „Niemand möchte einen Beruf erlernen, der mit einer solch hohen Belastung assoziiert wird.“ Maike Finnern, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW in NRW, meint dazu: „Wir haben dringenden Nachbesserungsbedarf bei den Ausbildungskapazitäten und in der Qualität der Ausbildung.“
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Gegen die aktuellen Missstände und die drohenden Verschlechterungen für Erzieherinnen und Erzieher hat sich im Januar in NRW das Aktionsbündnis „Mehr Große für die Kleinen“ gegründet, bestehend aus Mitgliedern der Kirchen, Elternverbänden, Landeselternbeiräten und den Gewerkschaften Verdi und GEW. Tausende Teilnehmer will das Bündnis am Donnerstag nach Düsseldorf mobilisieren. In zwei Demonstrationszügen will man den eigenen Forderungen Gehör bei der Politik verschaffen. Jacqueline Graf-Majnic ist dann dabei: „Wir brauchen dringend kleinere Gruppen und mehr Personal.“ Das Wohl der Kinder und die Qualität der Erziehung müssten im Mittelpunkt stehen. Dies klappe nur mit besseren Arbeitsbedingungen.
Demonstrationen in Düsseldorf am 23. Mai
Das NRW-weite Aktionsbündnis „Mehr Große für die Kleinen“ ruft am heutigen Donnerstag, 23. Mai, zu zwei Demonstrationszügen in Düsseldorf auf.
Eine Demonstration startet um 13.30 Uhr an der Rheinkniebrücke (gegenüberliegende Rheinseite vom Landtag aus gesehen).
Die zweite Demonstration sammelt sich um 13.30 Uhr am DGB-Haus in der Friedrich-Ebert-Straße in der Nähe vom Hauptbahnhof.
Die beiden Demozüge sollen sich an der Breite Straße vereinen und gemeinsam zum Kundgebungsort Rheinpark Golzheim ziehen. Dort beginnt um 15.30 Uhr eine Kundgebung.