Am Niederrhein/Ostwestfalen. . Mehrere Verbände beklagen in einem Brief an Umweltministerin Heinen-Esser, dass es im vergangenen Jahr in NRW 50 Nutztierrisse durch Wölfe gab.

Weidetierhalter drängen darauf, dass der Abschuss auffälliger Wölfe leichter wird. In einem Schreiben an die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) fordern mehrere Verbände „mutige Schritte“ beim Wolfsmanagement. Sie verweisen darauf, dass auch in NRW im vergangenen Jahr über 50 Nutztiere gerissen wurden und der Wolfsbestand bundesweit wächst.

Unterzeichner sind der Rheinische sowie der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband mit ihren Arbeitskreisen Pferde- und Rinder/Mutterkuhhaltung, sowie die Landesvereinigung Ökologischer Landbau, der Schafzuchtverband NRW und das Fleischrinder-Herdbuch Bonn. Ihre zentrale Botschaft: Zum Schutz der ja gesellschaftlich gewollten Weidetierhaltung bedürfe es rasch „einer rechtssicheren und wirkungsvollen Strategie zur schnellen Entnahme auffälliger Wölfe“. Vorbild könne Frankreich sein, wo eine jährliche Quote von Wölfen definiert werde, die nach Auffälligkeiten auf lokaler Ebene unbürokratisch zu entnehmen seien.

Umweltminister beraten in Hamburg

Das Schreiben der Weidetierhalter kommt nicht von ungefähr gerade jetzt: Die Umweltministerkonferenz von Bund und Ländern am 8. und 9. Mai in Hamburg hat das Thema auffällige Wölfe auf der Agenda. Das Bundesumweltministerium ist aufgefordert, rechtssichere Kriterien für einen Abschuss eben dieser Tiere vorzulegen – kein einfaches Unterfangen: Wölfe sind streng geschützt. Das Bundeskanzleramt hat sich eingeschaltet.

Gut bewacht: Herdenschutzhunde bei einer Schafherde in Hünxe.
Gut bewacht: Herdenschutzhunde bei einer Schafherde in Hünxe. © Heiko Kempken

Ein Abschuss ist unter strengen Auflagen gleichwohl schon jetzt möglich – allerdings sind Kritikern die Hürden dafür zu hoch. In Niedersachsen, wo schon 2016 ein „Problemwolf“ geschossen wurde, ist ein Leitwolf im Kreis Nienburg zur Tötung freigegeben worden. Er hatte mehrfach hohe Elektrozäune überwunden und Weidetiere gerissen. Auch ein Tier in Schleswig-Holstein soll aus diesem Grund geschossen werden.

In Nordrhein-Westfalen haben sich bisher zwei einzelne Wölfinnen niedergelassen – eine am Niederrhein, eine weitere in der Senne in Ostwestfalen. Auch hier ist ein Abschuss rechtlich möglich. Wenn ein Wolf die ihm eigentlich wesensfremden Sprünge über solche 90 bis 120 Zentimetern hohen E-Zäune „gelernt“ und solche Hindernisse mehrfach überwunden hat – dann gehen Experten davon aus, dass für Weidetiere kein Schutz mehr vor ihm möglich ist.

„Gloria“ gilt bisher nicht als auffällig

Im Falle der im Volksmund „Gloria“ genannten Niederrhein-Wölfin handelt es sich laut einer aktuellen Einschätzung des Landesumweltamtes aber bisher um keine auffällige Wölfin. Bei ihren Nutztierrissen habe sie Gelegenheiten genutzt, weil Herden nicht vollständig gesichert waren. Das interpretieren Experten vielmehr als wolfstypisches Verhalten, weil davon ausgegangen wird, dass die schlauen Tiere Schwachstellen beim Herdenschutz in der Regel aufspüren.

In NRW befinden sich die Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune noch in den Anfängen. Seit Ausweisung des Wolfsgebietes im Oktober 2018 hat die zunächst allein zuständige Bezirksregierung Münster 31 Förderanträge mit einem Volumen von insgesamt 73.555,09 Euro bewilligt, wie eine Sprecherin auf Nachfrage der Redaktion berichtet. Seit Mitte März werden Schutzmaßnahmen nicht nur weitgehend, sondern komplett mit 100% der Kosten gefördert. Seither ist auch die Bezirksregierung Düsseldorf mit zuständig. Aktuell liegen noch 43 Anträge zur Bewilligung in Münster vor und 20 – vor allem aus dem Kreis Wesel – in Düsseldorf.

Förderung ist bisher gedeckelt

Bisher ist die Förderung gedeckelt, auf 15.000 Euro in drei Jahre. Weil Zäune, vor allem aber Herdenschutzhunde sehr teuer sind und die 15.000 Euro bei Berufsschäfern mit mehreren großen Herden schnell nicht reichen, arbeitet das NRW-Umweltministerium nach eigener Aussage daran, diesen „Förderdeckel“ wegzubekommen. Dazu benötige man aber grünes Licht von der EU. Die Verbände aus der Landwirtschaft drängen darauf, dass beim Herdenschutz auch Folgekosten gefördert werden.

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Katharina Stenglein vom Nabu verweist darauf, dass ein Abschuss in begründeten Einzelfällen bereits jetzt möglich ist. Eine bundesweit einheitliche rechtssichere Grundlage sei dafür aber hilfreich. Stenglein ist überzeugt, dass das Wachstum der Wolfspopulation an seine natürlichen Grenzen gerät, etwa wenn günstige Reviere besetzt oder nicht genug Beute da ist.

Das Wichtigste sei es jetzt, den Herdenschutz auszubauen: „Immer mehr Halter machen das“, sagte Stenglein im Gespräch mit der Redaktion. Wichtig sei auch, dass das Monitoring bei den Wölfen noch besser werde.