Kamp-Lintfort. . Noch ein Jahr bis zur Landesgartenschau in Kamp-Lintfort: Chef Heinrich Sperling erklärt im Interview, warum sie eine ganz besondere wird.
Ein Countdown im Rathaus zählt die Tage: „365“ wird dort an diesem Mittwoch (17. April 2019) stehen – noch genau ein Jahr. Dann öffnet die Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort ihre Türen. Heinrich Sperling ist einer der beiden Geschäftsführer und fürs Gärtnerische verantwortlich. Im Interview erklärt er, warum diese Gartenschau eine ganz besondere wird. Und was jetzt noch schiefgehen kann – aber nicht schiefgeht, denn: „Wir denken positiv“, erklärt Sperling.
Auf dem alten Zechengelände arbeiten ganz viele Menschen ganz fleißig. Man braucht aber noch viel Fantasie, um sich dort eine blühende Landschaft vorzustellen...
Heinrich Sperling: Diese Fantasie, die habe ich! Es ist jahreszeitlich bedingt ja noch nicht ganz so viel Grünes zu sehen, doch das wird sich jetzt rapide verändern. Wir wollen zudem bis zum Sommer noch so viele Bäume wie möglich pflanzen, so viel Rasen oder Wiese wie möglich einsäen. Viele Pflasterer sind am Werk, das Gelände wird modelliert. Was den Zeitplan angeht, also den Bauzeitenplan, da sind selbstverständlich Puffer eingerechnet, damit alles rechtzeitig fertig werden kann. Die Wasseranlage auf dem Quartiersplatz wird auf jeden Fall schon im Sommer eingebaut sein. Die Stauden werden erst im Herbst und der Wechselflor – die Blumen – zur Eröffnung im nächsten Frühjahr gepflanzt.
Was wird das Besondere an der Landesgartenschau 2020?
Sperling: Dass wir hier in Kamp-Lintfort sind! Wir haben hier mit dem Kamper Gartenreich historische Gartengestaltung und die Zukunft mit der Hochschule am Zechenpark. Wir haben das Zechengelände, auf dem früher bis zu 8500 Menschen Arbeit gefunden haben. Dort entsteht vor der eindrucksvollen Kulisse denkmalgeschützter Zechengebäude ein zeitgenössischer Park. Und wir haben – total gegensätzlich - als zweiten Schwerpunkt Kloster Kamp als Zisterziensergründung mit dem wunderbaren Klostergarten. Das ergibt einen ganz besonderen Reiz, eine ganz besondere Spannung.
Das ist Heinrich Sperling
Ein echter Fachmann: Heinrich Sperling ist gelernter Gärtner und studierter Diplomingenieur für Garten- und Landschaftsplanung.
Insgesamt hat Sperling bisher zwölf Gartenschauen als Geschäftsführer betreut, angefangen von Grevenbroich (1995) bis Bad Lippspringe (2017). Bei der Internationalen Gartenschau (1983) in München sowie bei den Bundesgartenschauen in Düsseldorf (1987) und Dortmund (1991) war Sperling als Mitarbeiter, bzw. Sonderbeauftragter des Zentralverbandes Gartenbau an Bord.
Wieviel Ruhrgebiet und wieviel Niederrhein steckt in der Schau?
Sperling: Das Kloster als historisches Kleinod in der Landschaft spiegelt den Niederrhein wider. Die Zeche steht natürlich für das Ruhrgebiet. Die Geschichte des Bergbaus wird für uns eine große Rolle spielen. So befinden sich als besondere Attraktion der Lehrstollen und das Zentrum für Bergbautradition auf dem Laga-Gelände. Zudem findet die „Landeskirchschicht“ bei uns statt – eine Veranstaltung mit über 1000 ehemaligen Bergleuten.
Welche botanischen Raffinessen halten Sie bereit?
Sperling: Nehmen Sie beispielsweise den Blauglockenbaum. Den wird man im Frühjahr auf dem Quartiersplatz üppig blühen sehen. Das wird ein Erlebnis! Er passt - ebenso wie die Urwelt-Mammutbäume, die wir ebenfalls derzeit pflanzen, von den Klimaveränderungen gut hier hin, besser als so manche einheimische Baumart. Wir werden natürlich auch eine Vielzahl von Stauden und Sommerblumen zeigen.
Für die Schmuck-Pflanzplanung, wie man die Planung des Blütenflors auch nennt, haben wir ganz aktuell mit Christine Orel eine echte Spezialistin in diesem Feld gewinnen können! Sie hat sehr viele, große Ausstellungen wesentlich mitgestaltet und etwa den Sommerflor auf der Bundesgartenschau Heilbronn 2019 geplant. Ich kann auch bereits versprechen, dass wir unseren Besuchern ganz neue Züchtungen, also neue Blumensorten, zeigen werden, die hier bei uns sogar ihren Namen bekommen.
Apropos Besucher: Welche Marke haben Sie sich gesetzt?
Sperling: Wir möchten natürlich so viele Menschen wie möglich nach Kamp-Lintfort locken, sind aber auch realistisch. Unser Finanzplan kalkuliert mit 560.000 Besuchen. Die müssen wir erreichen, dann wird die Veranstaltung aber auch schon sehr erfolgreich sein. Die Erfahrung früherer Gartenschauen zeigt, dass wir Gäste aus 200 und mehr Kilometer Umkreis erwarten dürfen. Wir werden selbstverständlich auch in den Niederlanden für den Besuch unserer Laga werben.
Werden die Leute im nächsten Jahr per Bahn zum Gartenschau-Gelände anreisen können?
Sperling: Das war eine Hoffnung, die sich so leider wohl nicht ganz erfüllen wird. Nach allem, was wir bisher wissen, wird es vielleicht die ein oder andere Sonderfahrt geben. Eine fahrplanmäßige Anbindung Kamp-Lintforts an den regulären Bahnbetrieb kommt jedoch wohl erst nach der Gartenschau. Die Bahnanbindung ist kein Laga-Projekt und die Realisierung solcher Projekte benötigt Zeit. Ich denke, man kann aber sagen, dass die Landesgartenschau der Diskussion um die Bahnanbindung Kamp-Lintforts einen kräftigen Schub gegeben hat.
Identifizieren sich die Kamp-Lintforter mit ihrer Gartenschau?
Sperling: Mein Eindruck ist, dass die Leute ziemlich gespannt sind auf das, was sich entwickelt. Das merken wir auch deutlich in den sozialen Medien. Wir sind zudem dankbar für unseren engagierten Förderverein. Das Gelände des Zechenparks musste bislang weitgehend verschlossen bleiben, bislang standen große Teile noch unter Bergaufsicht. Ab Sommer werden wir dann aber vermutlich öffentliche Führungen anbieten können.
Was kann jetzt noch schiefgehen?
Sperling: Ich sage zu solchen Fragen gern: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Herausforderungen! Wir bauen ja auf einem ehemaligen Zechengelände, da kann man trotz genauer Untersuchungen nicht immer wissen, was im Boden ist… Für unsere großen Bäume benötigen wir rund 15 Kubikmeter Wurzelraumvolumen. Doch wenn man unverhofft auf Fundamente stößt, muss man damit umgehen. Das tun wir. Gefährlicher wäre, bei aktueller Zunahme der Extremwetterereignisse, dass ein Sturm uns frisch gepflanzte Bäume entwurzelt. Auch Starkregen könnte ein solches Problem sein. . .
Doch wir denken positiv. Und es gibt positive Überraschungen, von denen ich erzählen möchte – Aussteller etwa, mit denen man nicht gerechnet hat. Wir werden beispielsweise einen wunderbaren Garten bekommen, der genauso gut auf der Chelsea Flower Show gezeigt werden könnte! Ich freue mich sehr auf die Landesgartenschau in Kamp-Lintfort!
>>>>> 70-METER-FÖRDERTURM WIRD BEGEHBAR SEIN
178 Tage wird die Landesgartenschau 2020 (Laga) in Kamp-Lintfort dauern. Es wird dann die 18. in Nordrhein-Westfalen sein. Mit dem Areal des ehemaligen Bergwerks West und Kloster Kamp wird die Ausstellung über zwei Geländeteile verfügen, die durch einen „Wandelweg“ verbunden sind. Der 70 Meter hohe Förderturm wird begehbar sein, Besucher dürften bei gutem Wetter einen Blick weit über den Niederrhein und bis ins angrenzende Ruhrgebiet hinein haben.
Die Macher versprechen opulente, blumige Erlebnisse, verteilt aufs ganze Gelände mit seinen Ausstellungsgärten und Blumenhallen. Verbände, z. B. aus der Landwirtschaft und Tourismus, werden sich präsentieren. Es soll ein umfangreiches Veranstaltungs- und Musikprogramm geben. Bildung soll nicht zu kurz kommen: Das Grüne Klassenzimmer, das Erlebnispädagogische Zentrum Niederrhein „Kalisto“ und das Green Fab Lab sollen Neugier und Wissensdurst stillen.
Für die Gartenschau sollen in Kamp-Lintfort rund 24 Millionen Euro verbaut werden. Für die Durchführung (sprich: die eigentliche Veranstaltung) sind rund neun Millionen Euro geplant, die sich über Einnahmen der Landesgartenschau-GmbH sowie Eintritts- und Sponsorengelder refinanzieren sollen.