An Rhein und Ruhr. . Die Betrugsmaschen werden immer professioneller. Opfer sind meist ältere Menschen. Polizistin Tanja Lange aus Wesel hilft Betroffenen.

„Hallo, ich bin`s, dein Enkel. Ich kann kurzfristig an eine günstige Wohnung kommen. Dafür brauche ich schnell Geld für eine Anzahlung. Verrate aber nichts den anderen. Das soll eine Überraschung sein!“

So oder so ähnlich könnte der berüchtigte „Enkeltrick“ starten. Ein Betrüger gibt sich am Telefon als enger Verwandter aus, der in Geldnöten ist. Dann muss es schnell gehen, um den vermeintlichen finanziellen Engpass zu beheben. Das Opfer, meist ältere Menschen, wollen helfen und heben eine große Summe Bargeld ab. Betrüger und Opfer vereinbaren ein Kennwort. Ein Freund oder Bekannter des Täters nennt den Begriff und holt das Geld vor Ort ab. So erklärt es die Polizei in Nordrhein-Westfalen.

Tanja Lange ist Opferschutzbeauftragte der Kreispolizei Wesel.
Tanja Lange ist Opferschutzbeauftragte der Kreispolizei Wesel. © Lars Fröhlich

Tanja Lange aus Moers hilft dann, wenn die Betroffenen nach einer Straftat unter Schock stehen. Sie ist seit zehn Jahren Opferschutzbeauftragte der Polizei in Wesel. „Die Angst vor einer Straftat ist größer als die tatsächliche Gefahr“, sagt Lange im Gespräch mit der NRZ. Trotzdem seien vor allem ältere Menschen am Telefon sehr leichtgläubig und brächten dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung ein großes Vertrauen entgegen.

Wenn soziale Kontakte ausbleiben

Woran das liegt? „Es kommt häufig vor, dass Menschen im Alter vereinsamen“, weiß Lange. Soziale Kontakte brechen weg, weil der Lebenspartner stirbt oder die Kinder wegziehen. Und dann ist da plötzlich jemand am Telefon, der eine emotionale Bindung zum Opfer vortäuscht. Gefühlschaos.

Die Betrüger sind Profis. Der Telefonbetrug läuft über spezialisierte Callcenter in der Türkei ab. Sie hoffen auf leichte Beute. „Dabei wählen die Kriminellen gezielt betagte Menschen als potenzielle Opfer aus, weil sie dort aus ihrer Perspektive besonders günstige Tatbedingungen vermuten“, sagt Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender des Weißen Rings. Seine Organisation veranstaltet jährlich am 22. März den Tag der Kriminalitätsopfer. 2019 steht er unter dem Motto „Ohne Furcht im Alter – damit Sie nicht Opfer werden“. „Man kann schon sagen, dass diese Masche im Moment einen Boom erlebt“, erklärt Bernd König, Landesvorsitzender des Weißen Ring. „Dagegen hilft nur Prävention und Aufklärungsarbeit.“

Mit Kampagnen warnt die Polizei vor falschen Polizisten.
Mit Kampagnen warnt die Polizei vor falschen Polizisten. © Martin Gerten

Zuletzt kam es in Süddeutschland vermehrt zu Fällen, in denen sich Betrüger als falsche Polizisten ausgegeben hatten. Im Raum Köln hatten sich zuletzt Betrüger als Bankmitarbeiter ausgegeben und das Geld einfach an den Haustüren der Senioren abgeholt. Pro Jahr kämen laut Polizei NRW Schadenssummen in Millionenhöhe zustande. 2017 waren es rund 15 Millionen Euro.

Das eigene Heim als sicherer Ort

Der finanzielle Verlust ist aber manchmal gar nicht das Hauptproblem. Vielmehr ist es die Opferrolle, in die die Menschen gedrängt werden, die zu Leid führt. „Das ist ein gesellschaftliches Problem“, betont die Opferschutzbeauftragte. Ein Beispiel: Bei einer Vergewaltigung sei der Reflex in den Köpfen vieler Leute, dass die missbrauchte Frau irgendetwas falsch gemacht haben könnte. „Gesellschaftliche Erfolge wie Frauenrechte oder Emanzipation, die wir als sehr gefestigt ansehen, sind eigentlich sehr brüchig“, so Lange. Das sehe man in diesem Fall sehr deutlich, wenn das eigentliche Opfer Schuldgefühle entwickelt.

Dann ist eine Beratung nötig. Manchmal auch nach einem Einbruch. „Es muss geklärt werden, ob das generelle Sicherheitsempfinden gestört ist oder ob die Angst nur größer ist, wenn die betroffene Person in den eigenen vier Wänden ist“, erklärt die Opferschutzbeauftragte. Letzteres sei schon gravierend, denn das Zuhause ist ein besonders intimer Ort. „Man sagt nicht umsonst: My home is my castle. (deutsch: Mein Haus ist meine Burg).“

Wann spricht man von einem Trauma?

Bis zu einem Trauma sei es aber ein langer Weg. Dieser Begriff werde in Bezug auf psychologische Belastungen etwas inflationär gebraucht, sagt Lange: „Grundsätzlich ist der Mensch immer in der Lage, so eine Situation selbst zu bewältigen.“ Dabei helfen einige wichtige Faktoren: Soziale Kontakte, Arbeit, die Wohnung oder die Familie. Wenn sie fehlen, wird es schwieriger. Und vieles davon trifft eben auf Senioren zu, wenn man in Rente ist oder die Familie weggezogen ist.

Wie viele ältere Menschen in Deutschland Opfer eines Telefonbetrugs werden, lässt sich nur schwer beantworten. Bernd König vom Weißen Ring sagt dazu: „Viele trauen sich aus Scham nicht, sich bei uns zu melden.“ So kämen viele Straftaten überhaupt nicht ans Licht. Tanja Lange würde sonst gern helfen.