An Rhein und Ruhr. . Der ADAC spricht von „katastrophalen Zuständen“. Der Gemeindebund relativiert. Fakt ist: Im Winter leiden die hiesigen Straßen.
Die Zahl der Baustellen auf den Straßen in Nordrhein-Westfalen scheint stets zu wachsen. Tatsächlich aber investieren Bund und Gemeinden Jahr für Jahr mehr Geld in die Sanierung von Straßen. Dennoch bleiben Schlaglöcher in zahlreichen Kommunen für Straßenbenutzer ein großes Ärgernis, das obendrein noch gefährlich ist. Der ADAC Nordrhein warnt nun ausdrücklich:
„Die Lage auf den kommunalen Straßen ist katastrophal. Einzelne Fahrbahnabschnitte sind mit so vielen Schlaglöchern übersät, dass ein Ausweichen nicht mehr möglich ist. Das kann zu Schäden an Reifen und Radaufhängungen führen“, meint Roman Suthold vom ADAC. Radfahrer könnten zudem schwer verunglücken, wenn sie ein Schlagloch übersehen.
Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen will das so nicht stehen lassen. „Aus unserer Sicht ist die Pauschalität in diesen Aussagen nicht nachvollziehbar und entspricht auch nicht den Informationen, die wir aus den Gemeinden erhalten“, erklärt Lehrer gegenüber der NRZ.
Arbeiten starten meist im Frühjahr
Aktuell sei auch überhaupt nicht die Zeit, Sanierungsarbeiten durchzuführen, das passiere normalerweise erst im Frühjahr. „Der Vorfrühling scheint dem ADAC ein wenig zu Kopf gestiegen zu sein“, so Lehrer. Dennoch stecke im Kern der Kritik auch Wahrheit. „Es stimmt, dass an vielen Stellen in NRW die Straßen nicht im optimalen Zustand sind.“
Das sei aber auch kein Wunder nach gut 20 Jahren kommunaler Unterfinanzierung. Zudem seien Sanierungsarbeiten immer ein bürokratischer Aufwand. Das heißt: Die Sanierung ist politisch längst beschlossen, nur bei der Umsetzung gebe es Hemmnisse jeglicher Art, etwa bei Problemen mit der Ausschreibung, wenn sich entweder niemand darauf meldet, oder nur ein Anbieter, der aber einen zu hohen Preis aufruft.
Die Städte werden alles tun, was in ihrer Macht steht, um zügig erforderliche Straßenreparaturen vorzunehmen“, sagt Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen auf NRZ-Anfrage. „Aufgrund der vielerorts seit Jahren angespannten Haushaltslage konnten Städte bereits in den zurückliegenden Jahren ihre Straßen teilweise nur notdürftig flicken oder mussten die Zeiträume für Grunderneuerungen und Unterhaltung strecken.“
Dass die Städte für den Zustand ihrer Straßen verantwortlich sind, ist unstrittig. Problematisch ist jedoch der konkrete Nachweis, ob eine Stadt die Verkehrssicherungspflicht tatsächlich verletzt hat. Ein Warnschild reicht schon aus, um eine Kommune zu entlasten. Und auch dann, wenn Schlaglöcher für jedermann erkennbar sind. Gerichte haben bereits entschieden, dass Autofahrer nicht grundsätzlich von intakten Fahrbahnen ausgehen können. Sie müssen ihr Tempo so anpassen, dass sie stets reagieren können.
Schäden mit einer App melden
„Jeder Fall muss einzeln geprüft werden. Am besten ist es, wenn man gleich ein Foto macht, dazu Namen und Anschrift. Gut ist auch, wenn man eine Flasche oder ein Taschentuch als Vergleichsgegenstand in oder an ein Schlagloch legt“, sagt ADAC-Sprecher Thomas Müther. Aber eben so, dass man selbst nicht zur Gefahr wird.
Sein Automobilclub hat inzwischen eine kostenlose App eingerichtet („Läuft’s?“), auf der Schlaglöcher oder unlesbare Schilder schnell und einfach gemeldet werden können. „Wir leiten diese Meldungen dann gleich weiter an die zuständigen Ämter in den Städten. Die sind dann in der Pflicht - und oft passiert dann auch schnell etwas“, so Müther.
Generell sei es jedoch ein Unding, wenn die Städte stets nur „Flickschusterei“ betrieben anstatt ein nachhaltiges Konzept für die Erhaltung zu erstellen, so der Verband.
Das sagen die Kommunen
„Bei uns wird der Schlaglochmelder kaum genutzt“, sagt etwa der Alpener Bauhof-Leiter Andreas Derksen. „Aber wir sind mit dem Zustand unserer Straßen im Vergleich zu anderen Kommunen noch gut aufgestellt.“ Bei Streckenkontrollen würden alle zwei Wochen Gemeindestraßen nach einer Prioritätenliste gecheckt. Ulrike Berg vom Dienstleistungsbetrieb Xanten berichtet, Bürger würden regelmäßig Schäden melden. „Wenn eine konkrete Unfallgefahr besteht“, sagt Berg, „werden die Stellen auch direkt in Angriff genommen.“
Die Stadt Essen stopft täglich zwischen 150 und 200 Schlaglöcher. „Diese Zahlen sind in den letzten Jahren in der Summe relativ stabil geblieben und in der Praxis sehr witterungsabhängig. Im Winter sind die Einsatzzahlen infolge der niedrigen Temperaturen, des Frost-Tau-Wechsels oder nach starken Regenfällen bedeutend höher“, so Pressesprecherin Jasmin Trilling. Dennoch: 86 Prozent der Essener Hauptverkehrsstraßen sind älter als 30 Jahre und 27 Prozent sogar älter als 60 Jahre (Durchschnittswerte aus dem Jahr 2012). Dementsprechend sanierungsbedürftig seien auch die Fahrbahnbeläge.