Christel Meibes (73) aus Wesel wurde bei einem Unfall vor vier Jahren schwer verletzt. Bis heute leidet sie unter den Folgen.

Ein Verkehrsunfall kann dir den Tag versauen und manchmal das Leben. Ich habe da durch eigene Erfahrung eine matte Ahnung. Vor 25 Jahren gerät in Afrika ein Geländewagen mit mir auf dem Beifahrersitz auf regennasser Straße ins Schleudern, kracht in die Felsen, schlägt um und mein Arm ist komplett hin. Operation, Lähmung, war schon blöd, aber nach zwei Jahren auch vergessen. Im Armdrücken bin ich wohl eine Null, zuhause aber längst wieder fürs Öffnen der Gurkengläser zuständig.

Das Thema verdient mehr Ernst: Um Christel Meibes (73) zu verstehen, muss man die Ereignisse des 12. November 2014 kennen: Christel läuft über die Kreuzstraße in Wesels Innenstadt. „Ich hatte bei Saturn eine Druckerpatrone gekauft, wollte ins Reformhaus.“ Sie bemerkt den geparkten Wagen auf dem Gehweg, sie hört den Bus halten, sie sieht nicht den Kleinwagen, dessen Fahrerin in diesem Moment komplett die Kontrolle verliert. Die Frau will wohl den haltenden Bus überholen, Gegenverkehr, sie setzt zurück, crasht in einen Wagen, schießt in Panik nach vorn, ein Blumenkübel donnert in das Schaufenster der Bäckerei, die Frau gibt wieder Gas, trifft Christel Meibes und drückt sie gegen das geparkte Fahrzeug, nochmals ruckt der Wagen nach vorne, nochmals zurück. Dieses Mal über das liegende Opfer hinweg

Die Fahrerin ist 79 Jahre alt

Christel brüllt ihren Schmerz heraus, erinnern kann sie sich daran aber nicht, man hat es ihr erzählt. Auch, dass die Fahrerin ausstieg und sie ansprach: „Was machen Sie da unter meinem Auto?“ Bizarr, na klar. Ein Zeichen, dass sie Frau außer sich war, neben sich stand, lodernde Panik. Für Diskussionen in den Zeitungen und im Netz sorgte, aber etwas anderes. Die Fahrerin war am Unfalltag 79 Jahre alt.

Frau Meibes hat eine ganz klare Meinung dazu: „Als jetzt die Frage wieder aufkam, ob ältere Menschen Tests ablegen sollten, habe ich gedacht: Unbedingt. Ich sag ganz ehrlich: Bei Leuten am Steuer, denen man ein hohes Alter ansieht, packt mich sofort die totale Angst.“ Sie selbst hat ihr Auto mit 65 verkauft.

Christels Leiden und der dornige Weg zurück: Becken beidseitig, beide Hüftgelenke, untere Wirbelsäule, rechtes Schulterblatt, linker Fuß. Sieben Brüche, die in vier Operationen gekittet werden müssen. „Zum Glück hatten sie mich mit dem Hubschrauber nach Duisburg geflogen. Die Ärzte dort waren gut, sonst säße ich jetzt im Rollstuhl.“ In 80 Tagen zurück in die Welt, Klinik, Reha.

„Ich habe 24 Stunden am Tag Schmerzen“

Christel lernt wieder laufen. Das ist die gute Nachricht. „Ich habe 24 Stunden am Tag Schmerzen. Im Liegen, im Sitzen. Von den Zehen bis zur Hüfte. Ein Bein ziehe ich nach, manchmal stolpere ich, zweimal bin ich böse gestürzt.“

Der Fahrerin des Wagens hat sie nicht vergeben, sie will sie nur vergessen. „Ich weiß ja, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt hat, aber ich will die Sache endlich abhaken.“ Dazu gehört für sie, dass die Versicherung das Schmerzensgeld ganz auszahlt. „Immer wieder muss ich neue Unterlagen einreichen. Das meine Hüfte vorher wirklich gesund war, solche Sache. Die hoffen wohl, dass ich vorher wegsterbe. Nein, fair ist so ein Unfall wirklich nicht.“