An Rhein und Ruhr. . 70 Jahre ist das Grundgesetz alt. Die darin enthaltenen Werte sind wichtig und sollten frühzeitig vermittelt werden. Das sagen Eltern und Lehrer.
Seine linke Hand bedeckt Seite 52 fast vollständig. In der rechten Hand hält der Mann einen Füllfederhalter, den er zuvor in ein pompöses, goldenes Tintenfass getunkt hatte. Zwischen „Bonn am Rhein, den 23. Mai des Jahres Eintausendneunhundertneunundvierzig“ und „Präsident des Parlamentarischen Rates“ schreibt der Mann 14 Buchstaben in kunstvoller Schreibschrift, die zusammen seinen Namen bilden: Konrad Adenauer.
Seit knapp 70 Jahren ist die wohl bedeutendste Unterschrift in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland getrocknet. So lange ist das Grundgesetz bereits in Kraft. 146 Artikel, die die Grundrechte jedes einzelnen sowie die Staats- und Regierungsform im Allgemeinen schützen.
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Von der Würde des Menschen, über Freiheit in Kunst, Meinung, Religion und Presse, über Gewaltenteilung bis hin zu Föderalismus. So strukturiert und formuliert, dass die Schwächen der Weimarer Verfassung, der ersten Demokratie auf deutschem Boden, nicht wieder zum Vorschein kommen. So wehrhaft, dass Kräfte, die 2019 Anhaltspunkte liefern, demokratiefeindlich zu sein, rechtzeitig vom Verfassungsschutz zum Prüffall erklärt werden können. Eine Klage dagegen ist in unserem Rechtsstaat erlaubt.
„Eine Stärkung der Demokratie“
Politische Bildung geht dabei immer mit Wertevermittlung einher. Sie beginnt in der Schule. „Schule hat die Aufgabe, Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen. Das Grundgesetz ist immer aktuell und momentan vielleicht aktueller denn je“, sagt Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung NRW. „Eine Stärkung der Bildung ist auch eine Stärkung der Demokratie. Nur starke Kinder und Jugendliche können Verantwortung für sich und die Gesellschaft übernehmen.“
Nicht nur das Jubiläum des Grundgesetzes solle Anlass für die Politik sein, „die Schulen zu stärken, um auch die Vermittlung unserer demokratischen Werte zu unterstützen“. Das Grundgesetz solle nicht nur Thema im Geschichts- und Politikunterricht sein. „Das Grundgesetz ist ein ideales Thema für fächerübergreifendes Lernen. Zudem laden Projektwochen und Workshops dazu ein, es in Planspielen erlebbar zu machen oder auf kreative Weise die Bedeutung noch besser zu verstehen“, so Behlau.
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Das Grundgesetz ist kostenlos bestellbar, etwa bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Dort wurden im vergangenen Jahr 488.042 Exemplare verschickt, viele an Bildungseinrichtungen und andere öffentliche Institutionen. 2017 waren es 332.558 Exemplare. Ein beliebter Brauch ist, die Ausgaben an Schulabsolventen zu verschenken. Die arabische Übersetzung ist seit Ende 2015 im Programm. Die ersten beiden Auflagen waren jeweils innerhalb kurzer Zeit vergriffen.
Die darin beschriebenen Werte sind für die deutsche Gesellschaft weiter sehr wichtig. Das geht aus dem Eurobarometer 2018, einer regelmäßigen Umfrage der EU-Kommission hervor. Auf die Frage, welche Werte sie persönlich für am wichtigsten halten, antworteten die Befragten Frieden, Menschenrechte und Demokratie. Nur in Finnland wurde darüber hinaus der Rechtsstaat als Wunsch häufiger genannt.
Das sagen Eltern und Lehrer
Wertevermittlung ist ein Thema im Elternhaus und in der Schule. Die Universität Tübingen hat 1111 Eltern schulpflichtiger Kinder sowie 1885 Lehrerinnen und Lehrer befragt. Beide Gruppen finden Werteerziehung – also Toleranz, Achtung der Menschenrechte und dass das in einer multikulturellen Gesellschaft für jeden gelte sollte – in der Schule sehr wichtig. „Aktuell beobachten wir, dass gerade nach extremistischen und
antidemokratischen Handlungen der Ruf nach Wertevermittlung in der Schule immer wieder laut wird“, erklärt Behlau. „Doch allein Forderungen zu stellen und so den Druck auf Schule zu erhöhen, ist nicht zielführend. Erfolgreiche Wertevermittlung erfordert Bildungsgerechtigkeit.“
Zurück zu Adenauer und ins Frühjahr 1949. Der spätere Kanzler unterzeichnete das Grundgesetz im späteren Saal des Bundesrats. Unweit davon steht in Bonn nun das Haus der Geschichte, das die Bundesrepublik nach 1949 abbildet. Dort stehen Replika der Schriften von vor 70 Jahren.
Das zeitgeschichtliche Museum bietet beispielsweise Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer an. Gut ein Drittel der Besuchergruppen sind Schulklassen. „Wir ersetzen hier keinen Unterricht“, sagt Pressereferent Peter Hoffmann als die NRZ zu Besuch ist. „Wir machen die Geschichte jedoch auf eine andere Art und Weise erlebbar und schaffen so einen anderen Zugang.“ Übrigens ist im Haus der Geschichte auch die erste Ausgabe der NRZ zu begutachten.
In Bonn am Rhein, wo am 23. Mai des Jahres Eintausendneunhundertneunundvierzig alles begonnen hat.
Gewinnspiel der NRZ
- 122 Seiten hat das Grundgesetz-Magazin, das mit Unterstützung der Funke-Mediengruppe (zu der die NRZ gehört), herausgegeben wird.
- Neben den Grundgesetz-Artikeln gibt es Kapitel über die Menschenrechte und Info-Grafiken zur deutschen Geschichte, zu Bundespräsidenten, Kanzlern und zur Bundestagswahl.
- Die NRZ verlost 40 Magazine. Schreiben Sie bitte bis Montag an seitedrei@nrz.de , Betreff: Grundgesetz. Bei mehr als 40 Zusendungen entscheidet das Los. Viel Glück!