Solingen. Weil er Christ ist, droht einem Iraner in seiner Heimat der Tod. Trotzdem soll er abgeschoben werden. Deshalb sucht er Schutz im Kirchenasyl.

Eine Solinger Kirchengemeinde hat am Montagmorgen die Abschiebung eines iranischen Flüchtlings verhindert. Der Mann lebt seit knapp einem Jahr im Kirchenasyl im Gemeindehaus. Nach Angaben der Polizei kamen rund 100 Menschen um 5 Uhr in die evangelische Luther-Kirchengemeinde, um mit einer Andacht gegen die Abschiebung zu protestieren. Die Versammlung sei friedlich verlaufen.

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Der 28-Jährige flüchtete laut Gemeindepfarrer Christian Lerch 2016 aus dem Iran, weil er sich entschlossen hatte, zum Christentum zu konvertieren. Er habe in dem muslimischen Land daher um sein Leben fürchten müssen. Über Frankreich kam er im November 2016 nach Deutschland, sei hier zunächst in einer Solinger Flüchtlingsunterkunft untergekommen, später aber dem Kreis Wesel zugewiesen worden. Als ihm im März 2018 schließlich die Abschiebung drohte, beantragte er Kirchenasyl. Seitdem lebt er in dem Solinger Gemeindehaus.

Der Pfarrer verwehrte den Zutritt zum Gemeindehaus

Die Ausländerbehörde des Kreises Wesel hatte vergangene Woche angekündigt, den 28-jährigen Iraner am Montagmorgen um 5.30 Uhr abzuholen. Die Gemeinde habe daraufhin beschlossen, Anteil an der drohenden Abschiebung zu nehmen: „In den zurückliegenden Monaten haben sich wahnsinnig viele Leute, von der Leitung bis zu Ehrenamtlichen, für den Flüchtling engagiert. Das geht nicht spurlos an den Leuten vorbei“, berichtet Pfarrer Lerch im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Menschen hätten am Morgen daher vor dem Gemeindehaus gesungen und Kerzen angezündet.

Pfarrer Christian Lerch hat zusammen mit Mitgliedern seiner Gemeinde die Abschiebung eines iranischen Flüchtlings verhindert.
Pfarrer Christian Lerch hat zusammen mit Mitgliedern seiner Gemeinde die Abschiebung eines iranischen Flüchtlings verhindert. © Christian Menge

Als Ausländerbehörde und Polizei am Montagmorgen eintrafen, weigerte sich der Flüchtling, mit den Beamten mitzugehen. Auch Pfarrer Lerch verwehrte den Zutritt zum Gemeindehaus – schließlich habe kein Durchsuchungsbefehl vorgelegen: „Ich habe mich höflich auf mein Hausrecht berufen. Das haben die Beamten dann auch akzeptiert“, sagt Lerch und betont: „Das war eine Aktion für unseren Schützling und nicht gegen die Behörden.“

Abschiebung ist laut Ausländerbehörde rechtens

Daher musste die Ausländerbehörde ohne den Iraner wieder gehen. Sie hat aber bereits angekündigt, noch einmal mit einem Durchsuchungsbefehl zurückzukehren. Nach Ansicht der Behörde ist die Abschiebung rechtens, da das BAMF den Asylantrag des Mannes bereits abgelehnt habe. „Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes wurde abgelehnt. Deshalb ist die Abschiebeanordnung vollziehbar“, sagt Kreissprecherin Anja Schulte.

„Wir haben keine eigene Entscheidungskompetenz und führen lediglich die Entscheidung aus, die das Ministerium gefällt hat.“ Die Behörde beruft sich dabei auf das Dublin-Verfahren: Da der Iraner über Frankreich nach Deutschland eingereist ist, sind die französischen Behörden für sein Asylverfahren zuständig.

Iraner ist in der Gemeinde gut integriert

Pfarrer Christian Lerch sähe eine Abschiebung nach Frankreich mit Sorge: Schließlich hätten die französischen Behörden bereits Flüchtlinge wieder zurück in den Iran geschickt. Über den jungen Mann hat der Pfarrer nur Positives zu berichten: So spreche er sehr gut Deutsch und sei kulturell engagiert: „Er ist ein sehr aktives Gemeindemitglied geworden und hat gezeigt, dass seine Konvertierung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.“

Zwar wisse er, sagt der Pfarrer, dass das Kirchenasyl grundsätzlich „eine rechtliche Grauzone“ ist, es sei aber auch „akzeptiert und respektiert“. Zudem gebe es auch eine rechtliche Vereinbarung zwischen Innenministerium und Kirchen, an die sich die Gemeinde gehalten habe. Das Kirchenasyl endet laut Lerch entweder mit der sogenannten Überstellungsfrist oder mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Dort laufe derzeit noch eine Klage gegen seine Abschiebung.

Nächster Abschiebetermin wird nicht angekündigt

Das ausstehende Urteil will die Gemeinde dann auch akzeptieren, kündigt Lerch an. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass das ein Untertauchen des Mannes ist. Wir wollten ihm räumlich und im wortwörtlichen Sinn einen Raum geben, in dem er den Ausgang des Verfahrens noch in Deutschland und in Freiheit erleben kann.“.

Der nächste Abschiebtermin soll unangekündigt stattfinden. In diesem Fall hätte die Gemeinde dann keine Möglichkeit mehr zu reagieren: „Das wäre dann tatsächlich ein Präzedenzfall“, sagt Pfarrer Lerch. „Meines Wissens ist in NRW noch kein Kirchenasyl gewaltsam beendet worden. Das wäre eine Eskalationsstufe, mit der wir es noch nicht zu tun hatten.“