Rhein-Erft-Kreis. . Aktivisten im Hambacher Forst werfen der Polizei Willkür vor. Bundesumweltministerin Svenja Schulze verteidigt Forderung nach einem Rodungsstopp.

Es vergeht derzeit kaum eine Stunde, in der keine neuen Meldungen zum Hambacher Forst aufploppen. Besonders bemerkenswert: Am Mittwoch schaltete sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erneut in den Streit um den Tagebau um rheinischen Braunkohlerevier ein. Die GdP forderte Wirtschaft und Politik nun dazu auf, auf die ab Oktober geplanten Rodungen in dem Wald zu verzichten.

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„Ich möchte verhindern, dass wir über Monate hinweg Tausende von Polizisten in einen gefährlichen Einsatz schicken, während Politik und Wirtschaft nur kurze Zeit später einen Ausstieg aus dem Braunkohleabbau verkünden“, wurde GdP-Landeschef Michael Mertens in einer Mitteilung des Gewerkschaft zitiert.

Die Braunkohlegegner warnte er vor gewalttätigen Angriffen: „Es gibt eine strikte Trennungslinie zwischen besorgten Umweltaktivisten und Straftätern.“ Wer den Widerstand gegen den Braunkohleabbau missbrauche, könne sich nicht auf das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit berufen.

Umweltaktivisten sprechen von Willkür

Bereits in der vergangenen Woche hatte Mertens gegenüber der NRZ die Sorge geäußert, dass eine mögliche Räumung des von Umweltaktivisten besetzten Hambacher Forstes durch die Polizei eine Eskalation hervorrufen könnte. Er sprach von einer der „größten Herausforderungen“ in der Polizeigeschichte Nordrhein-Westfalens. Seit dem Ende der vergangenen Woche ist die Polizei bereits verstärkt im und um den Wald im Einsatz, es kam bereits zu Gewaltaktionen.

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Von Manfred Lachniet(m.lachniet@nrz.de)

Umweltaktivisten beklagen zum Teil das Vorgehen der Polizei. „Die Polizei versucht den Widerstand zu kriminalisieren“, sagte Daniel Hofinger von der Aktion Unterholz am Mittwoch der NRZ. „Wir sprechen von Willkür, weil sich die Polizei auf Befehl der Landesregierung zum Erfüllungsgehilfen von RWE macht.“

Die Polizei hatte am Dienstag mit einem massiven Aufgebot nach Beweisen für kürzlich begangene Straftaten in einem Aktivistencamp am Hambacher Forst gesucht und nach Gegenständen, mit denen Straftaten verübt werden könnten. Nach eigenen Angaben stellten die Einsatzkräfte Pyrotechnik, Zwillen, Stichwaffen und Material für Brennsätze sicher.

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Die Polizei wolle mit ihrer Einsatztaktik die Aktivisten vor Ort zermürben und den Baggern von RWE das Feld bereiten, argumentierte Hofinger, der zudem berichtete, dass jeden Tag mehr Leute in den Wald kämen, darunter viele Studenten aus ganz Deutschland.

Politisch wurde das Thema am Mittwoch vor allem in Berlin diskutiert – Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verteidigte ihre Forderung nach einem Aufschub der Rodungen im Hambacher Forst.

Weiter Streit um die Kohlekommission

Wenn diese Frage für einen Teil derer, die derzeit in einer Kommission über den deutschen Kohleausstieg verhandeln, eine hohe symbolische Bedeutung habe, „dann sollten wir das ernst nehmen und nach einem Weg suchen, den Rahmen für einen gesellschaftlichen Konsens zu setzen“, schrieb sie in einem Brief an den Chef der Energiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis. Dass der Energiekonzern RWE die rechtliche Grundlage für die Rodung habe, stelle sie nicht in Frage.

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Der Streit um den alten Wald zwischen Köln und Aachen nahe der Stadt Kerpen überlagert derzeit die Arbeit der Kohlekommission, die bis Ende des Jahres einen Ausstiegspfad aus der Kohle vorlegen soll. Umweltverbände erwägen, die Kommission zu verlassen, falls RWE rodet - damit wäre ein breit getragener Kompromiss gefährdet. Schulze hatte sich dafür ausgesprochen, mit dem Fällen zu warten, und vor Störfeuern gewarnt. Dies hatte Vassiliadis in einem Brief an die Ministerin, die selbst aus Nordrhein-Westfalen kommt und Mitglied der IG BCE ist, kritisiert: Der Streit gehöre nicht zu den Aufgaben der Kommission, schrieb er.

Laut RWE sind die Rodungen ab dem ersten Oktober notwendig, damit der Tagebau Hambach weiterfortgesetzt werden kann – Umweltverbände wie der BUND halten diese Argumentation für falsch.

Schulze betonte in ihrer Antwort vom Dienstag, dass ihr bewusst sei, dass das Bundesumweltministerium keine rechtliche Handhabe in dieser Frage habe, die Genehmigung sei Ländersache. „Ich kann und möchte nur daran appellieren, dass alle Beteiligten in der Bundesregierung aber auch in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen versuchen, den Weg für eine erfolgreiche Kommissionsarbeit zu ebnen“, schrieb sie. (mit dpa)