Emmerich. . Emmerich wird auch durch seine niederländischen Einwohner geprägt. Traditionen werden übernommen, aber auch Unterschiede treten hervor.

Wer schon eine Weile hier lebt, hat sich längst daran gewöhnt: Schiffe fahren unter niederländischer Flagge auf dem Rhein, Imbissbuden bieten Frikandel und Fleischkroketten an, auf den Straßen fahren Autos mit gelben Kennzeichen. Die Niederlande sind in Emmerich allgegenwärtig. Doch nur Wenige nehmen das überhaupt noch wahr. Dabei lohnt es sich, die Einflüsse aus dem Nachbarland einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Mehr als 3700 Niederländer leben in Emmerich

3726 Niederländer leben in Emmerich und seinen Ortsteilen. Das ist mehr als ein Zehntel. Kein Wunder, dass man die niedlich anmutende Sprache oft in Geschäften oder auf der Straße hört. Auch bauliche Einflüsse fallen ins Auge: Zwei Windmühlen stehen auf Emmericher Stadtgebiet, die immer noch flügellose Mühle in Hüthum und Gerritzens Mühle in Elten.

Elten ist der am meisten holländisch geprägte Teil von Emmerich. Und das liegt noch nicht einmal daran, dass er bis 1963 selbst zu den Niederlanden gehört hat. „Die meisten Holländer sind vor etwa 20 Jahren hergezogen“, erklärt Michael Arntz von Liemers Niederrhein, einer deutsch-niederländischen Kulturvereinigung. „Sie konnten damals beim Häuserkauf in Deutschland die Eigenheimzulage kassieren, ohne sie in ihrem Heimatland zu versteuern.“

Niederländische „Südstaatenvillen“

Und so gibt es heute in Elten ganze Straßenzüge mit verspielter Architektur und extravaganten Fensterfronten. „Manche der Häuser sehen aus wie Südstaatenvillen“, sagt Arntz. „Wenn ein Deutscher baut, sieht das anders aus. Dann entsteht in der Regel ein rotes Klinkerhaus mit zwei Hälften. Alles ein bisschen uniform. Die Niederländer sind da wesentlich individueller.“

Dave Seegers backt Poffertjes in seinem Pannekoekenhuys in Elten.
Dave Seegers backt Poffertjes in seinem Pannekoekenhuys in Elten. © Ron Franke

Dave Seegers, der seit 24 Jahren das Pannekoekenhuys in Hochelten betreibt, stimmt ihm zu. Vor allem bei den Gärten. Die seien bei Holländern oft kreativer gestaltet und aufwendiger dekoriert. „Die Deutschen legen dafür mehr wert auf das Auto in ihrer Einfahrt“, erzählt Seegers mit einem Augenzwinkern.

Die Niederländer seien lockerer, finden sowohl Arntz als auch Seegers. So ärgern sich manche Deutsche, wenn der Nachbar sonntags Rasen mäht, oder siezen sich auch nach 15 Jahren Bekanntschaft. Arntz meint: „Viele Emmericher können da noch etwas von ihren holländischen Mitbürgern lernen.“

Wichtig in der Grenzregion: Zweisprachigkeit

Seegers lebt mit einer deutschen Frau zusammen. Ihre beiden Kinder erziehen sie zweisprachig. Eine wichtige Fähigkeit in einer Grenzregion wie dem Niederrhein, findet er. Das merkt der 48-Jährige auch im Restaurant. Etwa, wenn Servicepersonal nur eine der beiden Sprachen versteht. Da kann es schnell zu Missverständnissen kommen. „Wenn ein Deutscher zum Beispiel einen Asbach bestellt, kann es dann sein, dass er einen Aschenbecher bekommt. Denn das bedeutet ‘Asbak’ auf Niederländisch. Der Gast fühlt sich dann auf den Arm genommen.“ Umgekehrt könne es zu Problemen führen, wenn ein niederländischer Gast „Ui“ (gesprochen „Äi“) zu seinem Pfannkuchen bestellt. Das heißt nämlich nicht Ei, sondern Zwiebel.

Arntz wünscht sich, dass insbesondere mehr Deutsche die niederländische Sprache lernen. „Es ist fast beschämend, wie wenige das können.“ Das betrifft gerade die vielen jungen Leute, die – nicht zuletzt wegen der oft weniger strengen Zulassungsvoraussetzungen – zum Studieren ins Nachbarland gehen. In Universitätsstädten wie Arnhem oder Nijmegen werde so viel Deutsch gesprochen, dass sich die Niederländer fast in der Minderheit fühlten, so Arntz. Dass das Emmericher Willibord-Gymnasium künftig Niederländisch ab der sechsten Klasse anbietet, freut ihn deshalb sehr.

Feiern: Fußball und Vlaggetjes

Niederländische Fußballfans feiern während der WM 2006 auf dem Neumarkt in Emmerich.
Niederländische Fußballfans feiern während der WM 2006 auf dem Neumarkt in Emmerich. © Dirk Schuster

Auch der Emmericher Feierkultur drücken die Holländer immer wieder mal ihren Stempel auf. Und das nicht nur, wenn sie – ganz in Oranje gekleidet – bei großen Fußballturnieren ihre Nationalschaft anfeuern. Auch Traditionen wie den Vlaggetjesdag haben sie mitgebracht. In den vergangenen fünf Jahren veranstaltete Liemers Niederrhein das Fest, bei dem traditionell der „nieuwe Haring“, also der erste fangfrische Hering, gefeiert wird. Der Matjes ist ein Teil der niederländischen Kultur, schmeckt aber auch den Emmerichern gut.

Doch kultureller Austausch will gepflegt werden – auch in einer Grenzstadt. Und so ist es ungewiss, ob 2018 wieder der Vlaggetjesdag in Emmerich gefeiert wird. Liemers Niederrhein steht als Ausrichter nicht mehr zur Verfügung, eine Alternative ist noch nicht gefunden. Für Emmerich wäre das ein großer Verlust.