Neukirchen-Vluyn. . Der Mann schreibt Gedichte, das heißt, wenn er nicht gerade an neuen Songs arbeitet. Seit vielen Jahren ist das so. „Das Atemlied der stillen Stunden“ heißt sein neues Buch. Unter diesem Titel hat Uwe Brosch eine Sammlung lyrischer Texte zusammengestellt. Mal gereimt, mal eher weniger, mal ohne Punkt und Komma, mal komplett in Kleinschreibung – um kein Wort höher zu stellen als ein anderes – mal mit Versmaß, meistens ohne. Manchmal leicht und verspielt, manchmal irritierend und frech, manchmal ernst und politisch. Und wenn Ihnen der Uwe Brosch bekannt vorkommt, Bingo: Der Mann war einer unserer Niederrhein-Kolumnisten, mit denen wir vor 15 Jahren durch die Kneipen und Vortragssäle zogen...

Der Mann schreibt Gedichte, das heißt, wenn er nicht gerade an neuen Songs arbeitet. Seit vielen Jahren ist das so. „Das Atemlied der stillen Stunden“ heißt sein neues Buch. Unter diesem Titel hat Uwe Brosch eine Sammlung lyrischer Texte zusammengestellt. Mal gereimt, mal eher weniger, mal ohne Punkt und Komma, mal komplett in Kleinschreibung – um kein Wort höher zu stellen als ein anderes – mal mit Versmaß, meistens ohne. Manchmal leicht und verspielt, manchmal irritierend und frech, manchmal ernst und politisch. Und wenn Ihnen der Uwe Brosch bekannt vorkommt, Bingo: Der Mann war einer unserer Niederrhein-Kolumnisten, mit denen wir vor 15 Jahren durch die Kneipen und Vortragssäle zogen...

Tach Herr Brosch, kaum älter geworden.

(grinst) Da haben wir ja ‘was gemeinsam.

Schreiben hält halt jung.

Kein Kommentar.

„Leise Texte, die das Leben und Vergehen langsam umkreisen“ – hat die Philosophin Ariadne von Schirach im Vorwort Ihres aktuellen Büchleins geschrieben. Schön.

Ja, total schön. Also nicht nur die Formulierung, sondern auch die Tatsache, dass sie mir ein Vorwort geschenkt hat. Damit hat sie mir eine große Freude gemacht.

Gedichte – eine literarische Gattung, die es selten in die höheren Etagen der Bestsellerlisten schafft.

Was ja nun sehr schade ist. Peter Rühmkorf hat mal gesagt: „Wer Lyrik schreibt, ist verrückt“.

Und Sie sind so ein Verrückter.

Aus Überzeugung. Lyrik hat es schwer, vielleicht, weil sie dem Leser mitunter mehr abverlangt, als so mancher dicke Roman. Sie lesen ein paar Zeilen und sind dann aber noch nicht fertig. Es arbeitet in Ihnen, Sie müssen sich auseinandersetzen, Sie fragen, spüren Bedeutungen nach und im Idealfall genießen Sie auch einfach den Nachhall der Worte.

Sie schreiben – immer schon?

Ja, schon. Gedichte sind irgendwie meins. Ich mag es, mit Sprache umzugehen, Wörter und Worte bewusst einzusetzen, ihnen Raum zu geben für Bedeutungen und Interpretationen. Lyrik ist ein ungewöhnlicher Weg, eine Sprache, die im Alltag so ja nicht vorkommt.

Und man kann selbst Wörter erfinden, erschaffen.

Widersprüchlichkeitsblume.

Atemlied!

Aberlied!

Fältchendur!

Flügel aus Zeit...

Sie sind noch so ein richtiger Singersongwriter, der seine eigenen Texte singt und sich dazu mit der Gitarre begleitet.

Liedertexte haben ja durchaus eine Nähe zu Gedichten. Sprache und Musik zu verbinden, hat mich immer schon gereizt. Oft begleitet mich dabei auch meine Frau Christine auf der Flöte oder, absolut genial, auf dem Gemshorn, ein tolles, altes Instrument.

Ich zitiere aus Ihrem Gedicht „gedicht“:

das atmen
zwischen den worten
ohne die
es nicht auskommt

Welche Bedeutung hat Sprache für Sie?

Sprache ist ja mehr als ein Vehikel, um Informationen zu überbringen. Sprache kann so viel.

Sie kann Emotionen wecken, Stimmungen erzeugen, uns nachdenklich machen, uns einander näher bringen oder voneinander entfernen. Und es kommt natürlich auch immer auf den Geist an, aus dem heraus Sprache wirksam wird.

Sie waren im letzten Jahr Finalist beim Literaturwettbewerb „Polly - Preis für politische Lyrik“ in Berlin.

Das ist richtig. Es gab 648 Einsendungen, ich landete unter den letzten 15. Das war natürlich toll. In Berlin haben meine Frau und ich übrigens auch Ariadne von Schirach getroffen und uns auf eine gemeinsame Veranstaltung am Niederrhein vorbereitet. Philosophie trifft Poesie, sozusagen. An den gelungenen Abend in der „Röhre“ in Moers denke ich sehr gerne zurück.

Und nun 67 kleine lyrische Texte in einem Büchlein: „Das Atemlied der stillen Stunden“. Sind sie ein politischer Autor?

Ich schreibe, ich erzähle Lebensweltgeschichte und Lebensweltgeschichten. Natürlich ist das auch „politisch“, wenn Sie so wollen. Wir leben ja nun mal in einer Zeit, in der das Leiden an Meinungsinkontinenz ausgeprägt ist. Daran möchte ich mich wirklich nicht beteiligen. Ich möchte gern Rose Ausländer zitieren, sie hat das so toll formuliert:

Ein Lied erfinden /

heißt geboren werden /

und tapfer singen /

von Geburt zu Geburt.

Das Gedicht habe ich über meinem Schreibtisch hängen.

Sie haben mal gesagt, dass Sie für einen spielerischen, lustvollen, genauso ernsthaften, wie auch befreiten Umgang mit der Lyrik plädieren.

Mein Anliegen ist, dass jeder, wirklich jeder Mensch, der lebendig und wach ist, sich auf ein Gedicht einlassen kann, um es sich so anzueignen.

Die Sprache ist es, die Melodie der Wörter, das Atmen dazwischen ist es, was die Menschen erreichen kann. Manchmal ist es vielleicht nur eine Zeile, die berührt. Und wenn einem ein Gedicht nichts sagt: Was soll’ s? Es gibt ja noch andere.

Und zum Schluss ‘was Politisches.

Gern, heißt: aber

die weltgeschichte

fahren lassen

soll sie mich

doch einfach mal sonstwo können

aber

den bösartigen

Märchenerzählern und

märchenerzählerinnen

muss doch

widersprochen werden

im namen einer

lebenswerten

geschichtenwelt