Emmerich. . Das Sozialkaufhaus Mode & mehr im Emmericher Aldegundisheim erlebt seit 2015 eine Verdopplung der Kundschaft. Es kommen nicht nur Flüchtlinge.

  • Im Jahr 2015 kamen am Tag noch etwa 30 Kunden, heute sind es 60
  • Die Flüchtlingswelle 2015 ist der Hauptgrund für den Kundenanstieg
  • Aber auch Hartz IV-Empfänger und Menschen knapp über dem Existenzminimum kommen

Manche Kunden kommen täglich. „Sie wollen einfach mal schauen, ob wir neue Ware hereinbekommen haben“, erklärt Verkäuferin Bianca Temath. Denn nicht immer hält M&M das vor, was gerade gebraucht wird. „Wir können es nicht einmal besorgen“, muss Antje Kilch passen. Denn das Angebot von M&M, was für Mode und mehr steht, bestimmen andere. Die anderen, das sind Bürger aus Emmerich, die dem Sozialkaufhaus Sachspenden zukommen lassen. Seit September 2015 boomt der Laden mehr denn je: Weil Flüchtlinge wissen, dass sie sich hier preiswert einkleiden können oder für die Erstausstattung ihrer Wohnung fündig werden.

Es gibt alles, was man im Alltag braucht

Kamen bis zum Ende des Sommers täglich etwa 30 Kunden zum Hottomansdeich 2, so sind es heute zwischen 50 und 60 Personen, die an den Regalen vorbeilaufen, Hosen und Schuhe anprobieren oder nachfragen, ob es wieder Pfannen und Töpfe gibt. Denn letztere sind gefragt, wie auch Geschirr, Besteck, Wasserkocher und Toaster, Handtücher, Oberbetten und Decken. „Also alles, was man im Alltag so benötigt,“, sagt Antje Klich. Sie arbeitet beim Theodor-Brauer-Haus und betreut die vier Verkäuferinnen bei M&M, derzeit alles Frauen, die ihre Arbeit sichtlich gern verrichten. „Es macht richtig Spaß“, prescht Bianca Temath vor, die hier als Ein-Euro-Jobberin angefangen hat und inzwischen in eine geförderte Beschäftigung – das nennt sich offiziell „Be part of it“ – mit Mindestlohn und Rentenversicherung gerutscht ist.

Kaufen und gelesen zurückbringen

Sie berät, stellt zurück, kassiert und hat – wie die übrigen natürlich auch – (fast) immer Zeit für ein Schwätzchen. Denn der Sozialladen ist mehr als ein Geschäft. „Hier kommt auch mal die ältere Dame hin, die nichts kaufen und nur mal ein Gespräch führen möchte“, weiß Antje Kilch. „Wir haben sogar eine Kundin, die uns angeboten hat, aus der gespendeten Wolle Kindermützen zu stricken, die wir dann verkauft haben“, erzählt Bianca Temath. Eine andere Seniorin legt gern Puzzles. Die nimmt sie mit heim und bringt sie uns Tage später zurück“, erzählt Kilch. Bis dahin hat sie dann geprüft, ob noch alle Puzzleteile vorhanden sind. Es gibt auch Leute, die sich eins der Bücher für 20 Cent kaufen und sie dann wieder als Spende zurückbringen.

Bedürftigkeit wird nicht geprüft

Nicht nur Flüchtlinge sind Kunden, auch Menschen, die Hartz IV beziehen oder gerade mal über dem Existenzminimum leben. „Alleinerziehende beispielsweise oder ältere Menschen, die sich ihrer Armut schämen“, weiß Kilch. Alle sind sie willkommen. Sogar diejenigen, die es sich leisten könnten, anderswo einzukaufen. „Wir möchten nicht dahin zurück, dass jeder eine Bescheinigung vorlegen muss“, sagt die TBH-Frau klipp und klar. Was dazu führt, dass Kunden mit mehr Geld im Portemonnaie auch schon mal den Betrag aufrunden.

Die Hose kostet hier 2,50 Euro, egal, ob von Lewis oder Lagerfeld, die kleine Pfanne 1,50 Euro, die große zwei und die große mit Deckel 2,50 Euro. „Wir möchten den Leuten das Gefühl geben, dass sie sich hier alles leisten können“, erklärt Verkäuferin Temath

„Wir werden hier ganz schön verwöhnt“, sagt sie unvermittelt. Aus Kleve kamen jüngst Kunden und brachten Oliebollen mit, syrische Flüchtlingen ließen sie von Molokhia, einem grünen spinatähnlichen Gemüse, gewürzt mit Koriander, Knoblauch und Curry, kosten.

Leider wird nicht nur gute Ware angeliefert

Während der Öffnungszeiten, die sind montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr, kann nicht nur gekauft, sondern auch gespendet werden. Ein heikles Thema. Denn es kommt immer wieder vor, dass dort abgegeben wird, was auf den Müll gehört. Ein Kinderwagen beispielsweise, in dem bereits die Ratten ihre Jungen groß gezogen hatten. Eine Kaffeepad-Maschine, in deren nicht entsorgte Pads sich schon die Maden breit gemacht hatten. „Eine Hänger voll muss wöchentlich entsorgt werden“, weiß Antje Klich. Was das Team betrübt. Weil es respektlos sei, gegenüber den Verkäuferinnen wie auch gegenüber den künftigen Nutzern.

Übrigens: Was dem Laden oft fehlt ist Männerkleidung in S und M sowie Herrenschuhe der Größen 41 bis 43.

>>THW HAT DIE BETREUUNG ÜBERNOMMEN

Die Emmericher Kirchengemeinde St. Christophorus hat dem Sozialladen die beiden Räume am Hottomansdeich 2, dem Aldegundisheim, zur Verfügung gestellt. Zudem unterhält der Sozialladen ein Warenlager an der Stadtwerkstatt, wo im Sommer die Winterkleidung lagert.

Die Betreuung des Sozialkaufhauses hat das Theodor-Brauer-Hauses (TBH) in Emmerich übernommen. Dazu gehört neben der Organisation von allem, was mit dem Laden zu tun hat, auch die Betreuung der Mitarbeiter. Und zwar inklusive ihrer beruflichen Förderung.