Kreis Wesel. . Der Kreis Wesel hat viele Vorzüge, meint Michael Düchting, der Leiter der EAW (Entwicklungs Agentur Wirtschaft)

Der Blick auf die Region ist wichtig – der Blick auf den eigenen Standort nicht minder. Eine Entwicklungsagentur Wirtschaft (EAW) muss gewissermaßen ganzheitlich wirken. Existenzgründer wollen beraten werden, der Tourismus weiterentwickelt, Wirtschaftsmanagement auf solide Füße gestellt, strategische Projekte erfunden und finanziert werden. Seit 15 Jahren hat der Kreis Wesel seine EAW, und Leiter Michael Düchting versucht alltäglich mit seinem neunköpfigen Team Motor zu sein – Impuls-und Ideengeber für die Region und für den Kreis.

Der Kreis Wesel mit seinen 13 Kommunen ist flächenmäßig ja einer der größten Kreise in NRW...

.... ja, und sehr unterschiedlich geprägt. Wir haben im Norden unseres Kreises stärker ländlich geprägte Strukturen, während der Süden mehr industriell ausgerichtet ist; insgesamt aber ist die Wirtschaft breit aufgestellt und mittelständisch; daher sehr krisensicher.

Michael Düchting
Michael Düchting © privat

Kann man jedem gerecht werden?

Wir versuchen das auf jeden Fall – und jede Kommune hat ja ihre eigenen Stärken und Möglichkeiten. Diese gilt es nach Kräften zu nutzen und unsererseits dabei die Kommunen zu unterstützen; vor allem aber auch die Potentiale zu vernetzen und zu vermarkten. Hier bietet die regionale Ambivalenz ja auch große Chancen. Die Stärke und Besonderheit einer regionalen Entwicklungsagentur gegenüber anderen Einrichtungen ist ja die Perspektive der Region, eine gewisse Schlüsselstellung zwischen den verschiedenen Akteursgruppen – öffentliche, private, Gebietskörperschaften und andere.

Stichworte Vernetzung und Querschnittsorientierung.

Ja. Damit gelingt es, branchenübergreifende und Nachhaltigkeitsaspekte einzubringen und bestehende, auch überregionale und grenzüberschreitende Potentiale und Einrichtungen zu vernetzen. Durch diese gesamtregionalen Strukturentwicklungs- und Koordinierungsaufgaben unterscheidet sich unser Aufgabenportfolio von den klassischen Wirtschaftsförderungsaufgaben.

Was hat denn der Kreis Wesel, das andere nicht haben?

Ein großes Plus ist natürlich seine Lage – einerseits an der Rheinschiene und zum anderen am Rande des Ballungsraumes Ruhr und in Grenzlage zu den Benelux-Staaten. Investoren schätzen vor allem die trimodalen Verkehrsanbindungen an Schiene, Straße und Wasser. Über die Rhein-Häfen ist der Kreis Wesel sowohl mit den wichtigen Seehäfen Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen verbunden – und auch mit dem Kanalnetz der Binnenschifffahrt. Das ist eine hohe Standortattraktivität, vor allem für logistikorientierte Betriebe. Dazu kommt der attraktive Lebens-, Natur- und Freizeitraum Niederrhein, der ein hochwertiges Wohn- und Arbeitsumfeld bietet.

Als Mitte 2001 die EAW des Kreises Wesel gegründet wurde, gehörte der Sektor Tourismus noch nicht zu den vorrangigen Aufgaben...

Wirtschaftsförderung ist heute ohne die Sparte Tourismus gar nicht mehr zu denken. Heute sind wir da gut vernetzt, sehen uns als Teil des Niederrheins, natürlich. Haben aber auch das Ruhrgebiet im Blick. In der Anfangszeit der EAW wurde zunächst eine Organisation geschaffen, die Ideen und zentrale Aufgaben der Wirtschaftsförderung im Kreis bündelt, die Projekte anstößt, die vermittelt, vernetzt, die ein überregionales Standortmarketing aufbaut – mit Fokus auf die Gewerbe- und Industriegebiete. Im Zuge der touristischen Umstrukturierung am Niederrhein kam dann 2004 die Tourismuskoordination dazu. Inzwischen wird der Tourismussektor immer wichtiger. Mit mittlerweile weit über 700.000 Übernachtungen pro Jahr hat der Tourismus eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung; vor allem aber auch im Hinblick auf die Anziehungskraft als Wohn- und Arbeitsraum für Fach- und Führungskräfte.

Wo sehen Sie die wirtschaftliche Kernkompetenz des Kreises?

Generell in der breit gefächerten, stark mittelständisch geprägten innovativen Unternehmenslandschaft; Wachstumsbereiche sind hier vor allem die Logistik mit rund zwölf Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – aber auch die unternehmensbezogenen Dienstleistungen. Hinzu kommt unsere auch im europäischen Maßstab herausragende Lage im Raum und die Internationalität unserer Unternehmen, die weit überwiegend hohe Exportquoten aufweisen. Diese Stärken haben die hohen Beschäftigungsverluste im Bergbau, der nahezu verschwunden ist, wettgemacht. Die letzten Restflächen werden oder wurden bereits umgewidmet, bestes Beispiel ist unsere neue Hochschule Rhein- Waal mit Standort Kamp- Lintfort. Mit anderen Worten: Wo vorher nach Kohle gegraben wurde, wird jetzt geforscht und gelehrt.

Was ist das spannendste Entwicklungsprojekt?

Der weitere Ausbau des Hafens Delta Port, in dem der Hafen Emmelsum, der Stadthafen Wesel und der Rhein-Lippe-Hafen mit seinem erheblichen Flächenangebot zusammengeführt wurden. Das ist schon ein zentrales Entwicklungsprojekt, vor allem mit Blick auf unsere Logistikkompetenz. Schon heute werden im Delta Port jährlich rund 2,5 Millionen Tonnen Güter aller Art umgeschlagen. Wir wollen aber noch weitere große und logistisch gut angebundene Gewerbeareale an neuen links- und rechtsrheinischen Standorten entwickeln.

Aus welchen Branchen kommen die stärksten Flächen- Nachfragen?

Passend zu unserem Standort- Profil: Die meisten Nachfragen kommen aus dem Bereich der Logistik bzw. logistik- und international orientierter Unternehmen. Aber auch allgemein von produzierenden Betrieben, die die multimodalen Verkehrsanbindungen nutzen wollen. An dritter Stelle stehen die unternehmensbezogenen Dienstleister und Onlinehändler. Aber auch der Einzelhandel zeigt Interesse. Die Neutor-Galerie in Dinslaken etwa zeigt, dass hier Entwicklungspotenzial ist.

Gibt es so etwas wie erreichte EAW-Meilensteine?

Ganz sicher. Und die haben ganz klar zu einer Erhöhung unseres Bekanntheitsgrades beigetragen. Die Entwicklung des Lippe-Mündungsraumes etwa - da sind Wesel, Voerde, Dinslaken und die Gemeinde Hünxe ja eingebunden. Die Ansiedlung von Prologis/LGI in Bucholtwelmen etwa oder von Goodman/Amazon in Rheinberg. Von 2010 bis 2015 wurden im Kreis 404 unbebaute Gewerbegrundstücke verkauft. Die großen Logistikzentren von Tom Tailor/Bonita, Altana, Byk Chemie über sappi und Norgren bis kerrygold und amazon bieten 3700 Beschäftigten eine Arbeit. Im Bereich der ländlichen Regionalentwicklung: Die Gründung des Aktionsbündnisses Direkt- und Regionalvermarktung Niederrhein, Feines vom Land und die Gründung der Genussregion Niederrhein.

Zauberwort Netzwerken.

Wenn wir vor zehn Jahren ein attraktives Gewerbegebiet vermarkten wollten, mussten wir mindestens zehn Anrufe machen und immer erklären, wo der Kreis Wesel denn überhaupt liegt. Heute reichen einige gezielte Anrufe über das langjährig aufgebaute Netzwerk mit Partnern, Investoren und Projektentwicklern. Wir müssen auf den großen Messen, wie der Expo Real oder der transport logistik in München etwa, nicht mehr erklären wer wir sind, man kennt uns und unsere Stärken. Das ist ein gutes Gefühl.

Gibt es das gute Gefühl auch beim Thema Betuwe?

Ein sehr langwieriges und immer noch konfliktbeladenes Thema, sicherlich. Aber diese Bahnverbindung ist von außerordentlicher logistischer Bedeutung für die Anbindung des Hafens Rotterdam über das Drehkreuz Oberhausen an die weiteren Logistik- Hubs bundesweit.

Den Strukturwandel hat der Kreis gut geschafft?

Bisher ja. Aber für eine weitere wirtschaftliche Entwicklung ist ein ausreichendes, langfristiges und vor allem marktgerechtes Grundstücksangebot unabdingbar. Hier befinden sich Kreis und Kommunen derzeit auf der Grundlage des gemeinsamem Gewerbeflächenkonzeptes im engen Dialog mit der Regionalplanung.