Kleve. . Herbert Kremp arbeitet an seinem neuen Buch - natürlich auf der Schanz. Dort lebt er seit vielen Jahren, freiwillig!
Der älteste Einwohner von Schenkenschanz ist er nicht ganz, der berühmteste wohl schon. Herbert Kremp war mal der jüngste Chefredakteur in Deutschland, zu einer Zeit, als Axel Springer, Henri Nannen und Rudolf Augstein noch Meinung machten. 88 Jahre ist er nun alt, verfolgt täglich die große Politik, schreibt gerade ein neues Buch und mischt sich zum Wohle seiner Wahl-Heimat auch im Ort ein. Ach ja, und das Rauchen lässt er sich noch immer nicht verbieten, sein Hausarzt jedenfalls sagt dazu, wie er lächelnd anmerkt – nichts.
Herr Kremp, warum wohnen Sie ausgerechnet Schenkenschanz?
Als Chefredakteur der Rheinischen Post lernte ich Kleve kennen und hielt die Gegend in guter Erinnerung: als Wasser-Gegend, die mich an Flandern erinnerte. Als ich mit meiner Lebensgefährtin in Bonn wohnte, suchten wir ein Ferienhaus – und fanden es 1984 in Salmorth, kurz vor Schenkenschanz. Nach dem Hochwasser 1995 verkauften wir das Haus, zogen nach Ostfriesland. 2000 kehrten wir zurück, diesmal direkt nach Schenkenschanz. Hier gefällt es uns einfach.
Die große Geschichte dieses Ortes, seine europaweite Bedeutung reizte Sie gar nicht?
Doch, doch, natürlich. Ich kannte die Historie der Festung, die von Martin Schenk von Nideggen erbaut wurde und seit dem 16. Jahrhundert existierte. Erbauer waren die Niederländer mit den Engländern im Hintergrund, Feinde waren die Spanier und Franzosen. Ludwig XIV. hat Schenkenschanz sogar mal erobert. Das war mir alles bewusst, hinzu kam diese Land’s End-Situation, die mich faszinierte. Die Straße endet hier, dahinter kommt der Rhein und dann Holland, man wohnt am äußersten Zipfel Deutschlands.
Klingt wie: ein neues Zuhause gesucht und gefunden.
Im Alter werden die Beine ruhiger, allein der Kopf bleibt in Bewegung. Ich wollte eine ruhige Aussicht haben. Auch gefällt mir, wie die Menschen sich hier für den Ort engagieren. Wenn jemand zu etwas gerufen wird, sagt kaum einer nein. Auch ich musste zur Feuerwehr, als 1995 das große Hochwasser war. Noch heute bin ich stiller Beitragszahler, genauso im Heimatverein. Und wenn das Café Schanz geöffnet ist, gehen meine Lebensgefährtin und ich auch immer dorthin.
Ist Schenkenschanz für Sie mehr als ein Zuhause, Heimat vielleicht?
Wahl-Heimat würde es wohl besser treffen. Als Journalist habe ich ein lebhaftes Reiseleben geführt, das mir Spaß gemacht und Freude bereitet hat. Nach meiner journalistischen Zeit wollte ich zur Historie und zum Staatsrecht zurückkehren, beides habe ich als junger Mann studiert und möchte nun damit meinen Lebensabend verbringen. Daraus sind einige Projekte erwachsen, gerade arbeite zum Beispiel an einem neuen Buch. Schenkenschanz ist für mich der ideale Ort zum Arbeiten, hier finde ich die nötige Ruhe.
Bezeichnen Sie sich selbst als Schänzer?
Nein, das kann ich so nicht sagen. Schänzer ist jemand, der hier geboren wurde, das bin ich nun nicht. Aber ich bin ein Integrierter. Integration bedeutete für mich, dass man Dinge im Ort mitmacht. Meine Lebensgefährtin und ich machen mit, früher haben wir auch mitgestaltet, das geht heute leider nicht mehr so. Doch wir fühlen uns voll integriert.
Mich wundert, dass Sie bisher noch kein Buch über die historische Bedeutung von Schenkenschanz geschrieben haben.
Die Frage ist berechtigt, aber bisher fehlte mir dazu die Zeit. Wenn ich mich einem Projekt widme, dann voll und ganz. An meinem neuen Buch arbeite ich schon seit fast neun Jahren, es erfordert eine sehr umfangreiche Arbeit des Forschens, verbunden mit einigen Reisen. Richtig ist, dass die Geschichte von Schenkenschanz für mich mal ein Thema werden könnte. Zumal ich ja bereits ein Buch über Schenkenschanz veröffentlicht habe, wenn auch keines im historischen Sinn.
„Die Mäuseburg“, ihr Kinderbuch…
…, das auch ein Buch für Erwachsene ist. Es ist ein kleines Phantasie anregendes Werk, um in diese Gegend hier einzutauchen. Ich finde, auch dieses Buch mit seinen Geschichten vom Niederrhein auf eine etwas andere Art ist ein Beitrag zur Geschichte dieses Ortes. Es kam übrigens sehr gut an und verkaufte sich sehr gut.
Verfolgen Sie eigentlich die Lokalpolitik und mischen sich ein?
Verfolgen ja, einmischen nur bedingt. Um Kommunalpolitik richtig und ernsthaft verfolgen zu können, müsste ich sehr viel mobiler sein, als ich es bin. Aber die Probleme, die es gibt, kenne ich natürlich. In Schenkenschanz ist die still gelegte Fähre ein großes Problem. Die Menschen im Ort haben das Gefühl, von der Politik abgehängt worden zu sein. Die Fährverbindung wurde gekappt, einen Ersatz gibt es nicht, seitdem hört man nichts mehr. Vorher bei den Versammlungen war noch von Politikern gesagt worden, man werde sich um Alternativen kümmern. Passiert ist bisher nichts.
Das Fähr-Thema eignet sich wunderbar für einen politischen Kommentar. Ihre Meinung, Herr Kremp?
Die Politiker in Kleve haben sich als schlechter Sachwalter gezeigt, sie haben die Menschen bei der Entscheidung nicht mitgenommen, sondern zurückgelassen. Die Leute in Schenkenschanz sind sehr enttäuscht und werden daraus wohl ihre Konsequenzen ziehen. So ein Verhalten schürt Politikverdrossenheit. Und leider stelle ich fest, dass Schenkenschanz kein Einzelfall ist. Kleinere Ortschaften in Deutschland werden überall ausgedörrt, meistens aus schnöden Kostengründen. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.
Herbert Kremp wurde 1928 in München geboren, noch in der Weimarer Republik. Von 1963 bis 1967 war er Chefredakteur der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf. Zwischen 1968 und 1985 war er zeitweise Chefredakteur, Redaktionsdirektor oder Herausgeber der Tageszeitung „Die Welt“. Von 1977 bis 1981 berichtete er aus Peking und bekam 1978 für seine Reportage „Ein Regentag in Peking“ den renommierten Theodor-Wolff-Preis, 2003 auch für sein Lebenswerk. Später war er Korrespondent in Brüssel, schrieb über die EU und Nato.
Der großen Politik blieb er auch nach seiner Zeit als Tageszeitungsjournalist treu, er publizierte mehrere Bücher, darunter das viel beachtete Werk „Memoiren der Zukunft – Deutschland 2050 – ein Rückblick“.