Wesel. . Einer Bürgerinitiative ist es zu verdanken, dass das Weseler Rathaus seine spätgotische Fassade wieder zeigen kann.
Eine Stunde reicht, zumindest bei gutem Wetter. Wer eine Stunde auf dem Großen Markt in Wesel sitzt und dabei vielleicht ein Eis, ein Getränk oder ein Essen genießt, der sieht mit hoher Wahrscheinlichkeit jemanden, der die Kamera zückt und ein Foto der Historischen Rathausfassade macht. Ist ja auch ein tolles Fotomotiv. Und die Geschichte, wie sie entstanden ist, ist deutschlandweit einmalig. Zu verdanken haben die Weseler ihre Historische Rathausfassade dem langjährigen Einsatz einer Gruppe engagierter Bürger. Mit Dagmar Ewert-Kruse und Richard Wolsing verraten zwei von ihnen, wie der aktuelle Stand des Projektes ist, blicken zudem auch einmal zurück und in die Zukunft.
Wie weit sind Sie mit dem Projekt „Historische Rathausfassade“?
Dagmar Ewert-KruseDagmar Ewert-Kruse: Die Fassade als solche ist ja seit 2011 fertig. Nun kommen nach und nach noch Figuren hinzu. Derzeit sind wir bei der fünften von sieben.
Richard WolsingRichard Wolsing: Montiert ist der „Große Kurfürst“, der ganz links außen steht, bereits. Am 17. September wird er offiziell eingeweiht. Die letzten beiden Figuren werden dann im Mai 2017 kommen.
Wie lange hat es insgesamt gedauert von der ersten Idee bis hin zur Fertigstellung?
Dagmar Ewert-KruseEwert-Kruse: Wenn man es genau nimmt, haben die Überlegungen, dem Großen Markt sein historisches Gesicht wiederzugeben, schon recht schnell nach dem Krieg angefangen. Damals musste dieser wichtige Platz aber einfach für anderes zurückgestellt werden.
Richard Wolsing:Wolsing: Schließlich hatte Wesel vor dem Zweiten Weltkrieg 23 000 Einwohner, danach noch 3000. Die vielen Menschen, die geflohen waren und zurückkamen, brauchten Wohnungen. Der Große Markt blieb daher lange ein Marktplatz und Parkplatz ohne Atmosphäre.
Dagmar Ewert-Kruse:Ewert-Kruse: Letztlich war es Dr. Siegfried Landers, der eine Initiative – einen „Freundeskreis“ – gründete, um die Umgestaltung voranzutreiben. Hilfe bekam er von der Jungen Union, die ganz viele Unterschriften sammelte. Und nicht zuletzt von der Erkenntnis, dass es sich bei einer Rekonstruktion nicht um Denkmalpflege handelt, sondern um eine Städtebauförderungsmaßnahme, da vom alten Rathaus ja rein gar nichts mehr übrig war. Das Projekt als Städtebauförderungsmaßnahme hat vieles leichter gemacht. Viel Arbeit war es natürlich trotzdem. 1986 wurde die Bürgerinitiative gegründet, 2017 werden wir fertig.
Wie waren die ersten Reaktionen in der Stadt nach Bekanntwerden der Pläne für die Fassade?
Richard WolsingWolsing: Es gab massive Widerstände von einigen Seiten. Fast immer ging es dabei ums Geld. Erst als wir nach der Jahrtausendwende innerhalb von fünf Jahren 600 000 Euro gesammelt hatten, konnten uns die Gegner und auch das Land und die Stadt nicht mehr ignorieren.
Wie haben Sie das Geld akquiriert?
Richard Wolsing:Wolsing: Dagmar Ewert-Kruse hat sich in all den Jahren fast zu einer professionellen Geldsammlerin entwickelt. Sie beweist langen Atem und überzeugt die Menschen mit ihrem eigenen Engagement.
Dagmar Ewert-Kruse: Ewert-Kruse: Wir haben Steine verkauft, aber auch immer wieder Menschen angesprochen – beispielsweise Bekannte und Unternehmen, den Rotary Club und Lions Club. Ich habe die Leute teilweise echt genervt, wenn ich sie mal wieder im Theater angesprochen habe. Aber nur so kann man es schaffen.
Gab es jemals Gedanken, dass das Projekt misslingen würde?
Dagmar Ewert-Kruse: Ewert-Kruse:Die Frage war eher die nach der Zeit. Die, wie lange es dauern würde.
Wie denken die Weseler mittlerweile über die Fassade?
Richard Wolsing:Wolsing: Einige werden das Projekt sicher immer noch doof finden. Die große Mehrheit aber steht dahinter. Das bekomme ich als Stadtführer regelmäßig durch den direkten Kontakt mit. Touristen sind ebenfalls ganz begeistert und oft überrascht, welch altes Haus es da mitten in Wesel gibt. Und in Sachen Stadtmarketing ist die Historische Rathausfassade mittlerweile ein wichtiger Werbeträger.
Dann haben sich der lange Atem, die vielen Jahre also gelohnt?
Dagmar Ewert-Kruse:Ewert-Kruse: Ja, die Fassade hat dem Großen Markt wieder eine Seele gegeben. Gemeinsam mit dem Dom verleiht sie dem Platz einen Wohlfühlcharakter.
Wenn die letzten Figuren ihren Platz haben, wieviel Geld wird dann in das Projekt geflossen sein?
Richard WolsingWolsing: Wir haben zwei Millionen an Spendengeldern gesammelt. Noch einmal die gleiche Summe haben Stadt und Land gemeinsam dazu gegeben.
Wie wird es nach Mai 2017 und der Montage der letzten beiden Figuren weitergehen? Ist das Projekt dann abgeschlossen?
Dagmar Ewert-Kruse:Ewert-Kruse: Nein, das ist es nicht. Zwar haben wir mit dem Udelfanger Sandstein ein Material gewählt, dass durch seine grünliche Farbe nicht nur toll zum Willibrordi-Dom passt, sondern auch lange haltbar ist, doch auch da müssen wir natürlich regelmäßig nach schauen. Zudem sind wir für sämtliche Reparaturen und für das Putzen der Fenster zuständig, auch die Versicherung für die Fassade tragen wir. Für den Schutz vor Taubenkot sind noch weitere Investitionen notwendig. Wir werden also auch zukünftig finanzielle Unterstützung gut gebrauchen können und planen dazu eine neue Kampagne.