Wesel. . Wesel war ‘mal viel bedeutender als Düsseldorf. Die Hansegilde lässt alte Zeiten wieder lebendig werden

Donnerwetter: Die haben aber einen stattlichen Fundus, die Weseler Hanseaten. Die können mal eben aus der Lamäng die Zeit der Spanier lebendig werden lassen. Oder, natürlich, die der Preußen. 200 „Kostüme“ umfasst der Gilde-Kleiderschrank – die Damen und Herren Dymski, Maritzen und Bückmann lächeln wissend und bewegen sich irgendwie majestätisch durch die alten historischen Festungsräume. In der Zitadelle, gleich neben dem leider immer noch nicht wiedereröffneten Preußenmuseum, haben sie sich in die mittelalterliche Gewandung geworden und sind nun in der Zeit der Hanse angekommen.

Wesels Bürger hatten mit der Erteilung der Stadtrechte 1241 durch den Klever Junggrafen Dietrich eine Reihe von Privilegien erhalten, freie Erbschaft und Zollfreiheit zum Beispiel. Mehr und mehr blühte die Stadt auf. Im13. Jahrhundert beschränkte sich der Handel noch auf den An- und Verkauf von Lebensmitteln und Handwerkserzeugnissen. Im 14. Jahrhundert gab es dank Weiterverarbeitung eingeführter Rohstoffe und dem Export von Fertigwaren einen ordentlichen wirtschaftlicher Aufschwung. „Insbesondere die Tuchherstellung wurde zu einer Hauptquelle des Wohlstands“, erzählt Ludwig Maritzen. Der muss so etwas wissen, schließlich gehört er zur Hansegilde Wesel, die sich auf die Fahnen geschrieben hat: Wir machen Geschichte lebendig.

Nicht nur Lübeck undHamburg – auch Wesel!

1407 also trat Wesel der Hanse bei. Die Stadt wurde für eingeführte Waren aus den Niederlanden und Westfalen zum wichtigsten Stapel- und Umschlagplatz nach Köln und erhielt eine derart einflussreiche Stellung, dass sie auf dem Lübecker Hansetag 1447 als eine der fünf Vororte des Kölnischen Hanseviertels anerkannt wurde. Handelsbeziehungen lassen sich zu den großen niederländischen Hansestädten, zum Londoner Stahlhof, aber auch zu Stralsund, Danzig, Reval, Riga und Bergen nachweisen.

Fünf verschiedene Währungen gab es einst in der Hansestadt Wesel.
Fünf verschiedene Währungen gab es einst in der Hansestadt Wesel. © FUNKE Foto Services

Heute strengen sich die Weseler wieder an, ihre Hansezeit aufzuarbeiten. Hansefeste werden gefeiert, niemand guckt mehr irritiert, wenn die Aktiven der Hansegilde wohlgewandet durch die Straßen schreiten. Und ein großes Hanseband, das sich durch die gesamte Fußgängerzone in der Innenstadt zieht, soll die Verbundenheit Wesels zur Hanse widerspiegeln. Wobei die Weseler doppelt hanseatisch sind: Sie gehören sowohl der Rheinischen als auch der Westfälischen Hanse der Neuzeit an.

Und: Die Weseler haben ihre eigene Hansegilde gegründet. 1997 schon. Da kommen jung und alt regelmäßig zusammen, um die Geschichte der Stadt und der Menschen mit Leben zu füllen – und siehe da, die bis dato doch „übermächtige“ Preußengeschichte bekam freundliche und kameradschaftliche Konkurrenz.

Die Liebe zur Stadt und zur Geschichte, sagen Claudia und Raphael Dymski, habe sie in die Gilde gebracht. Die anderen Herrschaften nicken bedächtig. Wer weiß heute noch, dass Wesel einst Stapelrechte hatte, also ein ganz wichtiger Handelsplatz war? Dass es das Weseler Tuchsiegel gab? „Wesel“, sagt Herr Maritzen, „war bis zur Ostsee bekannt für seine guten Stoffe.“ 1407 hatte Wesel 5500 Einwohner – in einem kleinen Dorf an der Düssel lebten zu der Zeit gerade mal 2500 Menschen...

Nun laufen die Vorbereitungen für den großen Hansetag Ende Oktober. Und schon jetzt planen die Mannen (und Frauen) um Ludwig Maritzen die ganz große Aktion: Zum 34. Westfälischen Hansetag im nächsten Jahr in Wipperfürth werden die Weseler Hanseaten stilecht in der Pferdepostkutsche anreisen, historisch gewandet, natürlich. „So etwa drei Tage lang haben wir für die Anreise eingeplant“, schmunzelt Ulrich Bückmann. Bis dahin arbeitet die Hansegilde brav ihr umfangreiches Angebot ab: Stadtführungen, Kulturveranstaltungen in der Zitadelle, historische Darstellungen – vom Marsch in preußischer Uniform bis zur Nachtwächterführung. Und als Hansekaufleute sind sie schon jetzt nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken.

Mehr über die Hansegilde bald im Netz, zur Zeit wird die Seite aktualisiert:
www.hanse-gilde-wesel.de

Zum Historischen Hansefest (mit verkaufsoffenem Sonntag) wird es gemütlich voll werden in der alten Hansestadt. Vom 28. bis 30. Oktober wird die Hansezeit wieder lebendig – Wesel richtet zudem den 33. Westfälischen Hansetag aus. An allen Tagen wird Bühnenprogramm geboten, am Samstagabend gibt es einen historischen Umzug, viele andere Hansestädte präsentieren sich auf einer bunten Hansemeile. Zudem öffnet ein Historischer Bauern- und Mittelaltermarkt seine Stände. Infos: www.wesel775.de