Emmerich am Rhein. . Gästeführerin Monika Wirtz lässt die Zeit der Hanse am Niederrhein wieder lebendig werden.

Johann Berck hat die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Am Stockfisch liegt es nicht, der wiegt nicht so schwer. Vermutlich hat der feine Kaufmann noch allerlei andere leckere Sachen auf seinen Ochsenkarren laden lassen, den er jetzt höchstselbst noch einmal kontrolliert. Irgendwo muss der Wein doch sein... Immer, wenn eine hanseatische Kogge in Emmerich vor Anker geht, ist eine Menge los in der Stadt. Händler und Käufer, Handwerker, Gaukler und Marketenderinnen, schaulustiges Volk, Ochsen- und Pferdekarren, Schauer, also die Männer, die die Handelsschiffe be- oder entladen, Treidelmänner mit Klompen an den Füßen. Ja, natürlich, auch der ein oder andere böse Bube versteckt sich in der Menge – und deshalb muss Johann Berck, der wohlhabende Kaufmann aus Emmerich, doch noch mal nachschauen, ob seine Ware auch komplett ist...

Was es mit diesem Riesenlöffel auf sich hat, kann man bei eine der Hanse-Führungen in Emmerich am eigenen Leib erfahren....
Was es mit diesem Riesenlöffel auf sich hat, kann man bei eine der Hanse-Führungen in Emmerich am eigenen Leib erfahren.... © NRZ

Embrica Decora, das „prächtige Emmerich“, ist seit 1407 schon Mitglied im Hansebund – Lübeck oder Hamburg nennt man zu dieser Zeit eher im zweiten Atemzug – wenn überhaupt. Emmerich war – neben dem einflussreichen Wesel, Kalkar und Grieth – die Handelsmetropole der Region und beinahe auch der Zeit – weil es verkehrsgünstig und -tüchtig direkt am Rhein lag. Und die Stapelrechte besaß. Denn wer Stapelrechte, also so eine Art Verkaufsrecht hatte, durfte von durchziehenden Kaufleuten verlangen, dass sie ihre Waren in der Stadt für einen bestimmten Zeitraum auf dem Stapelplatz abluden, „stapelten“ und anboten. Teilweise konnten sich Händler durch Zahlung eines Stapelgeldes von der Stapelpflicht befreien. Zusammen mit dem Stapelrecht hatten die Städte meist auch ein Umschlagsrecht. Beide Rechte verteuerten natürlich die Waren und beförderten, wen wundert ‘s, die Interessen städtischer Gewerbe.

Als Johann Berck 1513 Bürgermeister war, war Emmerich ein weltoffenes, prosperierendes Städtchen, feine Bürgerhäuser säumten die Straßen – von denen allerdings heute kaum eines mehr vorhanden ist. An der Steinstraße 15-19 und an der Rheinpromenade können noch ein paar historische, denkmalgeschützte Häuserfassaden entdeckt werden.

Johann Berck nun, der vermutlich aus Rheinberg (Bercka oder Berka) stammte, war ein angesehener Mann, Bürgermeister und Hanse-Kaufmann. Letzteres ganz sicher nicht erfolglos, ist doch überliefert, dass er 1499 der Stadt Emmerich mal eben 1100 Rheinische Gulden lieh – stolze 500.000 Euro in heutiger Währung. Herr Berck handelte vor allem mit Wein (vom Oberrhein, von der Mosel), verschiffte die Ware denn auch in die nördlichen Regionen, sogar im norwegischen Bergen gab es ein Handelskontor.

Monika Wirtz, Gästeführerin in Emmerich, lässt Johann Berck und damit die Zeit der Hanse heute wieder lebendig werden. Und falls Sie sich fragen, was denn da in dem hölzernen Kästchen ist, dass Frau Wirtz auf dem Karren mit sich führt – ganz einfach: Waage, Kerze und Wachs, das Siegel, Rechenbrett, und, sicherheitshalber, ein Gebetbuch. Und, ach ja, ein kleiner Weinvorrat! Denn, wie früher üblich, gehörte zum Handelsbrauchtum das „Hänseln“: Wer in die Hanse aufgenommen wurde, wurde „gehänselt“ – und hatte einen tiefen Schluck aus dem Geleitlöffel zu nehmen – da passten mal eben locker zwei bis zweieinhalb Liter Wein ‘rein. Das Teil, das Frau Wirtz mit sich führt, hat übrigens die Originalgröße...

„Das Schöne ist, dass wir mit diesen Führungen unsere Geschichte lebendig halten“, sagt Monika Wirtz, die als Gästeführerin ja in allerlei historische Rollen schlüpft. „In Emmerich ist aus der Hansezeit leider nicht viel erhalten, die Stadt wurde im Krieg ja zu 97 Prozent zerstört.“ Von Johann Berck weiß man dank eifriger Recherche wieder, dass er 1521 eine Kapelle gestiftet hat. Und dass sein Wohnhaus auf dem Geistmarkt stand