Am Niederrhein. . Hansezeit: Wesel war einst bedeutsamer als London, Emmerich nannte sich gar „Embrica Decora“, das prächtige Emmerich
Da sind sie! Die niederrheinischen Hanseaten haben sich ins Zeug geschmissen. Harald Münzner hatte die feinen Gewandungen (Sagen Sie ja niemals „Kostüme!) noch im Kofferraum – vor wenigen Tagen waren alle ja noch gemeinsam im norwegischen Bergen, beim großen internationalen Hansetag. Leider hatte Herr Münzner die Gewandungen gleich neben dem Stockfisch aufbewahrt – aber ein bisschen frische Rheinluft – und das Aroma verfliegt...
Die Geschichte der Hanse ist auch eine niederrheinische Geschichte. Emmerich, Kalkar und Grieth, Wesel und Neuss waren dereinst wichtige Hansestädte. In der Blütezeit war Wesel bedeutsamer als London, Emmerich trug den stolzen Namen Embrica Decora, das prächtige Emmerich.
Die Menschen der Region waren immer schon pragmatisch. Der Rhein als wichtige Verkehrsstraße lag direkt vor der Haustüre. Und anders als bei den mühsamen Handelswegen über Land konnte man übers Wasser doch ganz andere Orte erreichen: bis weit in den hohen Norden und tiefen Osten hinein.
Heute ist die Hanse wieder lebendig. Auch weil Touristiker und Stadtmarketingexperten auf der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen die gemeinsame Geschichte entdeckt haben. „Es ist spannend und faszinierend, die Spuren der Hansezeit in der Stadt zu entdecken“, sagt Dr. Manon Loock-Braun vom InfoCenter Emmerich. Kollegin Sandra Aloffs vom Wesel Marketing weist fröhlich auf den Oktober hin: „Beim 33. Westfälischen Hansetag verwandelt sich Wesel wieder in eine mittelalterliche Kaufmannsstadt.“ Das mögen die Touristen und das stärkt das Gemeinschaftsgefühl der niederrheinischen Hanseaten.
Die haben sich ganz offiziell im Jahre 2009 zur „Rheinischen Hanse“ zusammengeschlossen. Die Bürgermeister aus Emmerich, Kalkar, Neuss und Wesel haben feierlich die Gründungsurkunde unterzeichnet – ganz im hanseatischen Geist, um gemeinsam zu agieren, Konzepte zu entwickeln, Geschichte lebendig zu halten. Immerhin, vom Niederrhein aus gab es intensive Handelsbeziehungen nicht nur nach Deventer und Zwolle sondern nach London und Stralsund, Danzig und Riga, Bergen und Nowgorod. Und auch zu ganz vielen Städten, die gar nicht am Meer liegen: Schwerte, Unna, Schmallenberg...
Deshalb tragen Manon Loock-Braun, Sandra Aloffs, Isa Dheus und Harald Münzner auch keine Kostüme. „Wir verkleiden uns ja nicht, wir leben unsere Geschichte.“ Wenn man sich auf den Hansetagen trifft, dann ist das „ganz großes Gefühl“, ein „wunderschönes Miteinander.“ „Ob wir uns in Lettland treffen oder in Bergen – es ist wie das Zusammenkommen einer großen Familie“, so Isa Dheus. Einmal im Jahr kommen Hanseaten aus ganz Europa zu diesem Miteinander zusammen. Gewandet, natürlich. Geschichts- und selbstbewusst. Die Idee kommt an. Bis 2030 sind die Austragungsorte der internationalen Hansetage schon vergeben. Die Niederländer haben 1980 den Startschuss gegeben für dieses reaktivierte europäische Teamworken, ein aktives Netzwerk zwischen Städten, die einst zum Bund der Kaufmannsstädte gehörten bzw. mit ihnen im regen Handelsaustausch standen. Das Bündnis hat ein hehres Ziel: „Durch die Traditionspflege und den regen Austausch der Mitgliedsstädte möchte die Hanse einen Beitrag zur wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und staatlichen Einigung Europas leisten.“ Mehr als 180 „neuzeitliche“ Städte sind wieder mit im Bunde. Natürlich auch die Hanseaten vom Niederrhein.