Essen/Wesel. . Der Starkregen im Kreis Wesel hat das Flüsschen Issel wohl so stark über die Ufer treten lassen, wie es Experten nur alle 100 Jahre erwarten. Konsequenzen für den Hochwasserschutz.

  • Starkregen im Kreis Wesel hat Issel stark über die Ufer treten lassen
  • Experten sehen Hochwasser zum Großteil als Folge menschlicher Eingriffe
  • Konsequenzen für den Hochwasserschutz

Wasser abpumpen, Sandsäcke füllen, Deiche verstärken: Seit Tagen kämpfen mehrere Hundert Einsatzkräfte entlang dem Flüsschen Issel gegen Hochwasserfluten. Innerhalb von wenigen Stunden schwoll der Fluss am Mittwochabend um ein Vielfaches an. In der Unteren Wasserbehörde des Kreises Wesel geht man davon aus, dass der Pegel wohl die Ausmaße erreicht hat, die erst vor knapp zwei Jahren für ein Jahrhundert-Hochwasser berechnet wurden. Und auch am Donnerstag galt etwa in den Orten Hamminkeln und Isselburg: "Der Pegel steigt weiter". Am Freitag beruhigte sich die Lage.

"Wir haben einen Wasserspiegel, wie er wohl einem Jahrhunderthochwasser entspricht", sagte Ingo Klenke von der Unteren Wasserbehörde des Kreises am Donnerstag. An der gesamten Issel zwischen Hamminkeln und der niederländischen Grenze "haben wir Probleme mit einem stark überhöhten Wasserstand", sagte Klenke. Auch Bäche, die in die Issel münden, sind über die Ufer getreten: "Weil deren Wasser nicht ausfließen kann".

Statt 30 Zentimeter bis zu 2,20 Meter Wasserpegel der Issel

Innerhalb von Stunden hatte sich der Pegel der Issel um ein Vielfaches erhöht: 30 Zentimeter werden als mittlerer Wasserstand genannt. Normale Hochwasser führen im Jahresmittel zu etwa 1,30 Meter Wasserstand. Seit der Nacht zu Donnerstag ist der Pegel im Bereich Dämmerwald auf mehr als 2,20 Meter gestiegen; die Gegend dort ist hügelig, Regenwasser fließt deshalb rasch ab. In Isselburg lag der Pegel am Donnerstagmittag bei etwa 1,60 Meter - Tendenz steigend. In der Nacht zu Freitag entspannte sich die Lage. Am Freitagvormittag war der Issel-Pegel im Bereich Dämmerwald auf 71 Zentimeter gesunken, lag in Isselburg zu diesem Zeitpunkt aber noch bei 1.60 Meter, Tendenz: sinkend.

Das Hochwasser ist zu einem Großteil Folge menschlicher Eingriffe, sagen Experten: Die Begradigung von Flüssen und die Versiegelung von Ufer-Bereichen führt dazu, dass Pegel bei heftigen Wetterereignissen umso schneller steigen und sogar liebliche Bäche zu reißenden Strömen werden können, erklärt Prof. Mark Oelmann vom Lehrstuhl für Energie- und Wassermanagement an der Hochschule Ruhr-West in Mülheim.

"Bei einem natürlichen Gewässer hätten wir diese Probleme nicht"

"Die Issel ist auf mehr als der Hälfte ihres Weges in ein Korsett gezwängt", sagt Ingo Klenke von der Unteren Wasserbehörde im Kreis Wesel: "Bei einem natürlichen Gewässer hätten wir diese Problem an der Issel nicht".

Die Issel entspringt in Raesfeld im Kreis Borken und mündet nach etwa 81 Kilometern in der niederländischen Provinz Gelderland in den Fluss Ijssel. Auf deutschem Boden ist die Issel an vielen Stellen begradigt - was das Hochwasser-Problem erhöht, auch weil sich bei Unwettern Wassermassen aus 398 Quadratkilometern Einzugsgebiet letztlich in dem Flüsschen sammeln.

In den Kreisen Wesel und Borken wird seit einigen Jahren an einem neuen Hochwasserschutzkonzept für die Issel gearbeitet. Grund war das bis dato letzte "Jahrhunderthochwasser" im Jahr 1998. Thema sei unter anderem, Gelände für Polder zu finden, in denen sich der Fluss bei Hochwasser ausbreiten kann - um den Pegel insgesamt abzusenken. Keine leichte Aufgabe, weil das bedeutet, dass der Issel Flächen zugesprochen werden müssen, die bisher ausschließlich landwirtschaftlich genutzt werden.

Jetzt werden Hochwasser-Daten und Auswirkungen ausgewertet

Am Donnerstag hatte man beim Krisenstab noch alle Hände damit zu tun, die Hochwasser-Situation in den Griff zu bekommen. In den kommenden Wochen jedoch gelte es auch, die Hochwasser-Daten und -Auswirkungen auszuwerten. Die bisherigen Szenarien für ein "Jahrhunderthochwasser" fußten bis dato auf statistischen Berechnungen. Klenke: "Das können wir jetzt mit der Praxis abgleichen".