Am Niederrhein. .

Wer sich ein Schloss am Rhein leisten möchte, der braucht dafür keine zehn Millionen Euro auf der hohen Kante oder einen adeligen Vorfahren. Ein liebendes Herz reicht vollkommen aus – und am besten einen Menschen, der diese Liebe teilt. Im Sommer 2008 fand ein Trend den Weg nach Deutschland, dem seitdem – im wahrsten Sinne des Wortes – immer mehr Anhänger nacheifern: die Liebesschlösser.

Verliebte Paare befestigen ein Vorhängeschloss, oft mit einer Namens- und Datumsgravur, an einem Bauwerk und trennen sich von dem Schlüssel. In der Hoffnung, sich selbst nicht mehr zu trennen, steht der Akt symbolisch für die ewig andauernde Liebe.

Ein beliebter Ort für das Schlüsselerlebnis sind Brücken, ihnen haftet ein verbindender Charakter an. Besonders oft pilgert Amors Fußvolk nach Köln: an der Hohenzollernbrücke haben über 40 000 Paare ihre Liebe beschworen, das Gesamtgewicht der dort angebrachten Schlösser beträgt nach Schätzungen der Stadt Köln über zwei Tonnen.

Anketten: ausdrücklich erlaubt!

Von der rheinischen Metropole ist die Welle der schlüsselfertigen Liebesbeweise längst an den Niederrhein übergeschwappt. In Moers wurde jetzt die alte Wallbrücke, die vom Parkplatz Mühlenstraße in die Innenstadt führt, abgerissen. An der neuen Konstruktion ist das Anketten von Liebesschlössern laut Stadtverwaltung ausdrücklich erlaubt – wer weiß, vielleicht wird die neue Wallbrücke bald schon Liebesbrücke getauft!

Während verliebte Paare in Moers den Schlüssel in den doch überschaubaren Moersbach werfen können, sind die Entsorgungsmöglichkeiten in Wesel wesentlich attraktiver. Vom alten Eisenbahnbrückenpfeiler aus ist es ein Kinderspiel, den Schlüssel im hohen Bogen in den Rhein zu befördern. Dort oben, auf der Aussichtsplattform an der rechtsrheinischen Promenade, ist es vor allen Dingen abends romantisch: die Sonne geht auf der gegenüber liegenden Uferseite unter, spiegelt sich im Wasser und erzeugt eine Stimmung, die reif fürs Poesiealbum ist.

Rund 20 Kilometer stromabwärts erfreut sich in Rees ein alter Mühlenturm großer Be- und Verliebtheit. Elke und Karl-Heinz Landers schließen den Turm täglich auf und zu – und wachen über die dicke Eisenkette, die oben auf der Aussichtsplattform hängt. Das Paar hat 1989 geheiratet und sich fünf Jahre später mit einem Schloss dort verewigt. Lange, bevor der große Boom kam. „Jetzt sind es schon über 70 Schlösser“, lacht Elke Landers. „Aber keine Angst: Wenn’s zu voll wird, hängt mein Mann eine neue Kette auf.“

Wer seine Liebe an einem wirklich malerischen Ort beschwören will, sollte sich auf den Weg nach Kalkar-Appeldorn machen. Im Garten der Burg Boetzelaer stören einen in den frühen Morgenstunden nur ein paar Rehe oder Wasservögel, die über dem Boetzelaerer Meer ihre Kreise ziehen. Das Burg-Team hat im Zuge der Renovierungsarbeiten ein altes Metallgitter aufbereitet und am Ufer des alten Rheinarms platziert – wohl wissend, welche Wirkung das auf Liebende hat. Ein Beweis für die Abgelegenheit des Ortes: bisher hängen nur 25 Schlösser im Schatten der Wasserburg.

Das Gegenteil von ruhig und beschaulich ist der Duisburger Innenhafen. Dort pulsiert das Leben, was nicht weniger den Reiz einer Liebesbekundung ausmacht. Die Buckelbrücke bietet sich nicht nur optisch an, als Fußgängerbrücke müssen Liebesbekundungen auch nicht den Verkehrslärm übertönen. „Wir dulden Liebesschlösser, solange die Statik nicht gefährdet ist“, sagt Peter Hilbrands von der Stadt Duisburg. „Aber da dort bisher nur einige wenige hängen, sehen wir das entspannt“, schiebt er direkt hinterher. Eine persönliche Erfahrung verrät er auch: „An der Wedauer Brücke, die Wedau und Bissingheim verbindet, hängen auch ein paar Schlösser.“ Diese Brücke führt aber nicht über Wasser, sondern über Bahngleise. Klingt irgendwie unromantisch.

Eine liberale Form der Liebesschlösser findet sich Marienthal. Der dortige Glücksbrunnen am Anfang der Eichenallee wurde extra für die Schlösser mit Gravur gebaut – und richtet sich ausdrücklich nicht nur an Verliebte, sondern auch an Menschen, die mit dem Schloss einfach so ihre Zufriedenheit und ihr Glück ausdrücken wollen. Während das Wasser in den Brunnen plätschert, können die Schlösser an der Gitter-Konstruktion der Stein-Gabione befestigt werden.

Kein Anspruch auf Vollständigkeit

Die bisher genannten Orte sind eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wer jetzt ins nächste Eisenwarengeschäft stürmt (siehe auch: Nachgefragt), ein Schloss besorgt und seine Liebste oder seinen Liebsten zu einem ganz anderen, viel romantischeren Ort schleppt, sollte vorab eines bedenken: nicht alle Eigentümer, egal ob privater oder öffentlicher Natur, dulden die Liebesschlösser an Brücken und Co. Einsturzgefahr, Rostanfälligkeit oder auch Unwissenheit lassen vielerorts den Bolzenschneider anrücken. Technisch gesehen gilt also auch der etwas unromantische Grundsatz aus Schillers Lied von der Glocke: Drum prüfe, wer sich ewig bindet!