Mit steigenden Nachttemperaturen starten die Amphibien mit der Wanderung zu den Laichgebieten. Den Tieren droht der Tod unter dem Autoreifen.
Als junger Kerl bin ich mit meinen Eltern durch die alte, kalte Heimat gereist, durch Polen, durch Masuren und auf einer Nachtfahrt geschah etwas Grauenhaftes. Die Landstraße war so mit hüpfenden Fröschen übersät, dass mein Vater am Steuer keine andere Chance sah, als tausende Tiere zu überfahren. ich muss ihn posthum in Schutz nehmen, er war auch ganz blass nach dieser Tour, aber damals, vor 50 Jahren, sah man das auch alles nicht so eng. Im Kumpelkreis gab es sogar Jungs, die Frösche mit den Strohhalm aufbliesen und zum Platzen brachten. Wirklich? Vielleicht prahlten sie auch nur damit.
Grasfrösche, Erdkröten, Berg- und Teichmolche
Ich habe später als Autofahrer stets Bögelchen um Frösche auf dem Asphalt gemacht und dennoch war ich etwas irritiert, als vor Jahren zum ersten Mal die Zeitung von Menschen berichtete, die in ihrer Freizeit Amphibien über die Straße tragen, um sie zu retten. Wer macht so was? Susanne Erbach macht so was. Sie ist beim Naturschutzbund und wird am Samstag im Süden von Essen an einer Landstraße mit anderen Freiwilligen wieder einen Zaun in den Feldrain buddeln, gut 200 Meter lang, in kurzen Abständen werden Eimer in den Boden gebracht, in die dann die Grasfrösche, Erdkröten, Berg- und Teichmolche auf ihrem langen Marsch zu den Laichgründen plumpsen. „Wir kommen am Morgen und am Abend vorbei, laden die Tiere um, bringen sie über die Straße und setzen sie in die Wiese.“
Der Teich ist das Ziel. Wir nehmen fürs Foto auf einer Bank am Ufer Platz. Noch ist keine Kröte zu sehen, kein Frosch zu hören. „Die Nächte sind zur Zeit so warm, dass die Wanderung jetzt beginnt. Es ist eins der ungelösten Geheimnisse der Natur, wie die Tiere über zwei Kilometer hinweg so genau den Weg zum Teich finden. Ich liebe diesen magischen Moment, wenn du den Frosch wieder aussetzt, er bleibt dann ein paar Sekunden still hocken, als müsse er sich orientieren, dann dreht er sich Richtung Teich und hüpft los. Das Gras raschelt.Ich mag Frösche. Sie sind... nett.“
Der Unterschied zwischen Tier- und Naturschützern
Susanne ist am Stadtrand groß geworden. „Eine Streuobstwiese, ein Schuppen mit Katzen, wir waren immer draußen. Mein Vater kam vom Bauernhof, er hat mir alles gezeigt.“ Und ihr Kaulquappen besorgt, denen sie beim Wachsen zusah. Sie ist fasziniert, studiert Biologie und wird sich ihr Leben lang damit beschäftigen, Musste man beim Bio-Studium nicht auch Frösche mit dem Skalpell...? „Ja, das war auch nicht schön. Aber man hat dabei viel Interessantes gesehen. Ich mag es, genau hinzusehen und zu verstehen.“ Sie erklärt mir den Unterschied zwischen Tierschützern, deren Sorge jedem Individuum gilt, und Naturschützern, denen es mehr ums Ganze geht.
Susanne ist ehrlich. Sie liebt Tiere, aber sie isst sie auch. „Nur selten und dann als Bio-Produkt. Massentierhaltung ist degeneriert. Allerdings wäre ich auch gerne konsequenter. Nur darf man sich auch nicht entmutigen lassen, etwas zu tun ist immer noch deutlich besser, als nichts zu unternehmen.
Da hat sie Recht. Ich sollte vielleicht auch mal... wegen der Sache vor 50 Jahren stehe ja bei den Fröschen noch tief in der Schuld.