Unser Reporter Matthias Maruhn wollte als Junge gerne Fährmann werden. Auf der „Glück Auf“ von Dirk Nowakowski hat er sich mal umgesehen.

Seit ich die 60 überschritten habe, grübel ich gern. Ich sitze frühmorgens mit einem Marmeladenbrot am Fenster, glotz ins schwarze Nichts und der asbachuralte Hund hockt unter mir und hofft, dass der Opa krümelt. Eine Frage kreist heute in meinem Kopf wie in einer Salatschleuder: Was wolltest du als Kind noch mal werden? Astronaut? Nur bis Apollo 13. Und dann? Richtig. Ich wollte Fährmann werden. Wär das was für mich gewesen?

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Zehn Minuten später habe ich Dirk Nowakowski am Telefon, klar könnte ich die Tage vorbeikommen. Mach ich dann auch, die „Glück Auf“ liegt in Walsum, ich geh an Bord, die Treppe hoch ins Ruderhaus, wir fangen an zu palavern und hören auch erst zehn Überfahrten nach Orsoy später wieder auf. Wir können gut miteinander, sagt man so im Ruhrgebiet. Dirk werkelt mit sechs Hebeln und drei Motoren, jeder 142 PS stark.

Seit 1958 quert die Fähre den Rhein, zunächst brachte sie Bergmänner vom Dorf (Orsoy) zur Zeche (Walsum), heute reisen so Pendler und Touristen per Rad oder zu Fuß. Die Tarife sind fair: 1,30 pro Person, 3 Euro pro PKW. „Millionär werde ich so nicht. Aber ich habe Spaß an diesem Beruf.“ Warum? „Kuck selbst“ sagt er und zeigt sein Handy: „So sieht der Sonnenaufgang hier oben aus. Noch Fragen?“

Früher nutzten Bergmänner die Fähre

Dirk ist jetzt 47, fährt seit gut 10 Jahren. „Mein Vater ist früh gestorben, der neue Mann meiner Mutter kaufte die ‘Glück Auf’ irgendwann. Ich bin aber erstmal auf den Bau. Klempner. Aber ich wusste immer: Mit 30 bist du da wieder weg. Und dann ergab sich das so mit der Fähre.“ Er macht die Ausbildung inklusive Rheinpatent, dann legt er ab. „Ich bin auch gerne unten auf Deck und kassiere. Die Leute sind meist gut drauf. Ich wirke als Entschleuniger.“

Fünf Minuten Zeitlupe. „Früher war noch mehr Reden, heute sind viele mit dem Handy zu Gange.“ Nicht gut, denn die Passagiere, die aus dem Wagen steigen, eine rauchen, aufs Ufer starren oder tief durchatmen, sie lächeln meist.

„Wir sind als Blagen auch immer rüber“

Alles Gold ist aber auch nicht an Deck. „Im Winter lohnt sich das Geschäft kaum. Die Brücke der A 42 damals. Das war unser Pearl Harbor. Und was besonders bedrückend ist, das sind die Wasserleichen. Letztes Jahr waren es, glaub ich, sechs. Wasserleichen sehen nicht schön aus.“ Manchmal retten sie aber auch Leute aus dem Fluss.

„Der Rhein ist tückisch. Als drüben das Flüchtlingsheim war, da sind die Kinder immer viel zu nah ans Wasser Ich kannte das. Wir sind als Blagen auch immer rüber, haben hier Buden am Ufer gebaut. Ins Wasser sind wir aber nie. Gab nämlich richtig Ärger mit den Alten. Zu Recht.“

Er führt das Schiff mit fester Hand, er hat die Ruhe des Mannes, der seinen Platz in der Welt gefunden hat. „Nur bei Nebel ist es anstrengend.“ Er erzählt von Herbert Knebel, der ein Lied über die Walsumer Fähre geschrieben hat, wir reden über Charon, den Fährmann auf dem Styx und Dirks Harley-Tour auf der Route 66. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Ach wie schön. Ich sitze wieder am Fenster und muss grinsen. Dadurch fällt ein Krümel Marmeladenbrot auf den Boden. Jetzt ist auch der Hund glücklich.