Ahmad Nassery kam vor knapp 35 Jahren aus Afghanistan nach Essen. Mit seiner Frau betreibt er ein Restaurant in Essen. Er hat sein Glück gemacht.

Samosas sind gefüllte Teigtaschen, eine beliebte Vorspeise und ein guter erster Hinweis, ob ein indisches Restaurant was kann. Ich liebe die Dinger und sie gehören bei uns zu jeder Party wie früher der Kartoffelsalat. Zum 50. Geburtstag hab ich sie bei Ahmad bestellt, zum 60. sowieso. Ich finde, er macht die besten, und das sage ich ihm auch beim Interview, um die Stimmung ein wenig zu heben. Es ist aber ein hinkendes Kompliment, weil Ahmad sagt: „Ich mache hier alles, nur die Samosas nicht. Für die ist Anisar zuständig, meine Frau.“ Anisar hat Spaß.

Wir setzen uns mit einem Tee neben den Elefanten-Paravent an die Tür des Restaurants in Essens Innenstadt, kleiner Laden nur, acht Tische. Was hat euch hierher verschlagen, Ahmad? Er fängt ganz vorne an. „Ich wurde 1955 in Afghanistan geboren, eine wunderschöne Kindheit, ich sehe Drachen am Himmel über den Dächern von Kabul, ich sehe uns als Kinder mit Schneebällen im Winter.“ Dann ändert sich die Welt, die rote Armee marschiert ein, es gibt Krieg, enge Verwandte verschwinden im Gefängnis, Ahmad, der Literatur studiert, rettet sich nach Pakistan. „1985 bin ich dann weiter nach Deutschland, ich wollte in Bochum studieren, aber mein Diplom wurde nicht anerkannt.

Drei Kinder. Und alle studieren.

Einmal ist er noch nach Pakistan zurück. Hochzeit. „Unsere Familien glaubten, dass Anisar und ich gut zusammenpassen.“ Und? „Sie hatten recht. Diese Art von Ehe funktioniert nicht immer, ich weiß, aber bei uns kam die Liebe hinzu und der Wille, gemeinsam durchs Leben zu gehen, Kinder zu haben.“ Drei sind es geworden. Wadjma ist 27, Nawid 26 und Omid 21. Alle drei wurden in Deutschland geboren, alle drei studieren. Und die Eltern sind von Herzen stolz. „Die Bildung der Kinder war uns immer das wichtigste. Nicht nur wegen der beruflichen Zukunft. Nur Bildung lässt dich die Welt wirklich klar sehen.“

Die kleine Familie lebt zunächst in Essen und in Not. „Ich arbeitete in einem Teppichladen als Putzmann. Dann hab ich Prospekte ausgetragen. Die Arbeit war unregelmäßig, es gab wenig Geld, sehr wenig.“ Der Zufall lässt ihn 1999 an dem Ladenlokal vorbeigehen. Er ergreift die Chance. „Ich hab überlegt, was biete ich an. Pizza vielleicht. Oder Döner. Dann habe ich gemerkt, dass die Uni nicht weit ist, viele Studenten. Und die sind offen für was anderes. Also mixte ich indische und pakistanische mit vegetarischer und afghanischer Küche und nannte das kleine Restaurant ‘Tandori-Haus’. Erfahrung hatte ich ein wenig. Als Student in Kabul habe ich gerne für Freunde gekocht. Ich musste aber noch dazulernen. In der Küche solltest du immer innovativ bleiben, experimentieren. Heutzutage musst du ja etwa vegane Saucen anbieten. Oder Soja.“

„Wir arbeiten von morgens 10 bis nachts um 23 Uhr“

Und ab wann lief der Laden? „Man geht Berge hinauf und man geht Berge hinunter. Wenn ich ehrlich bin, es ist bis heute schwierig. Wir beide arbeiten von morgens um 10 bis abends um 23 Uhr. Richtigen Urlaub haben wir noch nie gemacht. Ist aber nicht wichtig. Ein halbes Brot kann auch glücklich machen. Und ich bin ja seit 25 Jahren Deutscher. Ich muss was zu tun haben. Ich will auch mit 65 nicht in Rente gehen.“ Er trinkt einen Schluck Tee, setzt das Glas wieder ab und lächelt: „Wir wollen arbeiten, so lange die Beine uns tragen.“ Gute Nachricht für alle, die Samosas lieben.