Essen. Der Reporter muss am Abend als Nikolaus vor seinen Enkel treten. Welche Fehler gilt es zu vermeiden. Ein Profi gibt die wichtigsten Tipps.
Als ich vor knapp 40 Jahren als junger Bursche durch Mexikos Süden trampte, geschah es zum Dezember hin immer häufiger, dass die Kinder sich auf mich stürzten: „Santa Claus“ riefen sie wohl meines langen blonden Haares wegen, dazu der strubbelige Bart. Sie haben sich beömmelt, ich hab’s geliebt.
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Und deshalb die Frage meiner Frau letzte Woche , ob das nicht die richtige Rolle für mich sei, unüberlegt mit „warum nicht“ beantwortet. Jetzt bin ich dran. Heute Abend. Ich. Bin. Nikolaus. Was hab ich getan? Man sollte mich mit der Rute... Ich bekomme ja schon Lampenfieber, wenn in der Tiefgarage der Bewegungsmelder angeht. Text lernen geht gar nicht. „Ho, Ho...“ Wie geht’s noch mal weiter?
Ich benötige Hilfe. Die beste Hilfe. Boris Quest ist 46 und entpuppt sich nach der ersten Frage als der gesuchte Mann, der perfekte Coach. „Wie lang ich das schon mache? Mit zehn war ich das erste Mal Nikolaus, noch mit ekeliger Plastikmaske im Gesicht. Im Jahr darauf habe ich dem Kaplan in unserer Gemeinde ein passendes Gewand abgequatscht.“
Die Geschichte aus dem Hafen von Myra
Und er wurde Nikolaus, der Bischof von Myra. Er besucht Familien, Schulen, Einkaufszentren. „Ich schätze mal, so gut einer halben Million Kindern habe ich in all den Jahren die Geschichte erzählt. Von der Hungersnot in Myra, wie der Nikolaus die Seeleute im Hafen überzeugt hat, vom Getreideschiff des Kaisers etwas abzuladen...“
Der religiöse Hintergrund ist ihm sehr wichtig. „Auch wenn über die Hälfte der Kinder ja heute Muslime oder Buddhisten sind. Viele türkische Kinder reagieren auch ganz unmittelbar: Die kommen hinterher zum Nikolaus und sagen: ‘Ey, Alter, du bist also auch ein Türke, geil’.“
Boris kennt sich aus. In dieser, in vielen Rollen. Das Jahr über ist er Clown. Bobori. Er hat sich einen guten Namen gemacht, aber wie alle Kollegen auch ein fettes Problem: „Durch die Horror-Clowns geht das Geschäft schlecht. Mir wurden Jobs abgesagt, weil die Leute Angst hatten. Und jetzt noch ‘Es’, dieser Film.“
Boris guckt wie ein Hells Angel auf dem Mofa
Das bringt mich zum Thema zurück. Auftritt. Angst. Worauf muss denn so ein Nikolaus-Greenhorn achten? Boris streicht durch den Bart: „Vor wie vielen Kindern trittst du denn auf? „Äh, ein Kind. Mein Enkel. Zwei Jahre. Boris guckt mich an wie ein Hells Angel, der den Gasgriff am Mofa erklären soll. Dann lächelt er sanft und hebt an: „Schuhe. Andere Schuhe.
Die Kinder haben erstmal Angst, gucken auf den Boden, dann ganz langsam rüber. Und sehen als erstes: Die Latschen kenn ich doch. Oppa?“ Das darf nicht geschehen. „Nein. Deshalb: Schmuck entfernen. Ringe, Armbänder, solche Sachen. Und Brille runter. Dann stolpere ich aber ungebremst in den Adventskranz. „Wege genau merken. Noch wichtiger: Kopf einziehen unter jeder Tür. Wenn die Mitra fällt, ist jede Würde hin.
Die Verwandten lachen, der Nikolaus ist entzaubert. Eins noch: Die Stimme etwas tiefer legen. Laaangsaaaam sprechen. Nun, bei einem Zweijährigen ist es eh schwer. Kann sein, dass du die ganze Zeit mit der Couch sprichst, hinter der er hockt. Trotzdem. Weiter machen.“ Werde ich.
Boris leiht mir noch seinen Zweit-Bart und entlässt mich mit einem Schlag auf die Schulter. „Wie langweilig wäre die Welt doch ohne Kinder, stimmt’s.“ Oh ja.