An Rhein und Ruhr. . Wie regional kann man auf dem Markt oder im Gemüseladen einkaufen? Drei Mitarbeiterinnen der Mülheimer Klimaschutzinitiative haben das getestet.

Anika Füger, Lena Spörl und Sina Diersch stehen am Gemüsestand des Wochenmarktes und sondieren das herbstliche Angebot: Kohlrabi, Spitzkohl, Wirsing, alles reichlich vorhanden. Die drei Mitarbeiterinnen der Mülheimer Initiative für Klima schutz haben sich für diesen Morgen etwas vorgenommen: Sie wollen einen Eintopf aus rein regionalen Zutaten kochen und kaufen nun dafür ein.

Wobei das Wörtchen regional schon das erste Problem darstellt. Denn mit regionaler Herkunft werben heute viele - allerdings ist es weder ein geschützter noch ein klar definierter Begriff, der überaus interpretationsfähig ist. Also, etwas konkreter: „Gibt es Gemüse, das hier aus der Nähe kommt, also möglichst aus Mülheim, Duisburg oder Essen?“ will Anika Füger vom netten Markthändler wissen. Tja, schwierig.

„Nee, aus der direkten Umgebung kommt nichts“, sagt der Verkäufer. Die Möhren stammen aus Deutschland, genauer lässt es sich nicht sagen. Eingekauft hat sie der Markthändler auf dem Düsseldorfer Großmarkt. „Welcher Bauer was wo produziert, steht nicht dabei.“ Am Wirsing steckt ein Schild mit der Herkunftsbezeichnung Rheinland. An den Paprika prangt das Schild „Niederlande“.

Zwiebeln aus Bottrop sind beim Einkauf die Sieger

Unbefriedigend finden das die drei jungen Frauen, nehmen aber trotzdem Möhren, Kohlrabi und Paprika mit.

Der Einkauf ist Teil einer Aktion des Vereins „Aktion Agrar“, der dazu aufgerufen hat, eine Woche lang mal nicht im Supermarkt einzukaufen, sondern nach Alternativen zu suchen, um sich möglichst mit saisonalen Produkten von Anbietern aus der Umgebung einzudecken.

© Fabian Strauch

Beim Gemüselädchen um die Ecke wird’s dann doch etwas konkreter - und näher. „Das da vorn kommt alles vom Niederrhein“, sagt der Verkäufer und deutet auf Spitzkohl, Hokkaido-Kürbis und Blumenkohl. Sina Diersch greift noch nach einer Steckrübe, könnte gut zum Eintopf passen. Oh, doch nicht, auf dem Schild steht Großbritannien als Herkunftsbezeichnung - damit scheidet sie aus. Füger und ihre Kolleginnen seien bei weitem nicht die einzigen, die nach regionalen Produkten fragten, weiß der Mann aus dem Gemüsegeschäft zu berichten. „Das wird zunehmend mehr.“

Beim Kartoffelhändler auf dem Markt kaufen die drei Frauen dann noch rote Zwiebeln. Sie kommen aus Bottrop - und sind damit eindeutiger Sieger im Regionalwettbewerb. Die Kartoffeln wurden allerdings in der Lüneburger Heide angebaut, also gut 300 Kilometer weit weg.

Die Bilanz der drei Einkäuferinnen: So regional wie erhofft, waren die Wochenmarktgemüse bei weitem nicht. Also: Ernüchterung. Anika Füger ist deshalb froh, dass sie in ihrer Heimatstadt Düsseldorf Mitglied in einer solidarischen Landwirtschaft ist, bei der sie regelmäßig auf Gemüse vom Gemeinschaftsfeld zurückgreifen kann. Örtliche Landwirte mit Selbstvermarktung in eigenen Hofläden waren in der Supermarkt-freien Woche ebenfalls eine Option.

Milchprodukte sind ohne Supermarkt deutlich schwieriger zu finden

„Bei Obst und Gemüse gibt es sicherlich viele Alternativen. Schwierig ist ohne Supermarkt allerdings die Versorgung mit Milchprodukten“, bilanziert Lena Spörl. Sie ist in dieser Woche deshalb auf einen Biomarkt ausgewichen. Im Internet haben die drei auch noch in der Nähe einen Biohof mit eigenen Milchprodukten gefunden - allerdings kamen die Öffnungszeiten bislang nicht mit den Berufsarbeitszeiten überein. Am Wochenende soll es endlich klappen.

Wie überhaupt der Faktor Zeit für den Einkauf ohne Supermarkt eine Rolle spielte. „Man muss sich besser organisieren und genauer planen, aber wenn man einmal weiß, was man wo und wann bekommt, dürfte das eigentlich kein Problem sein“, glaubt Sina Diersch, die auch festgestellt hat: „Dadurch, dass ich überhaupt keine verarbeiteten Produkte gekauft habe, habe ich viel weniger Müll produziert und viel mehr selbst gekocht als sonst.“

INFO: DAS IST AKTION AGRAR

Die „Eine Woche ohne Supermarkt“-Challenge (zu deutsch: Herausforderung) ist eine von zwölf Aktionen der Initiative „Aktion Agrar“, die unter dem Motto „Das Jahr der Alternativen“ stehen. Bis April 2019 soll damit darauf aufmerksam gemacht werden, welche Möglichkeiten es gibt, sich auch außerhalb von Supermarktketten und Lieferdiensten mit Lebensmitteln einzudecken.

Im Fokus sind dabei regionale und saisonale Angebote, hinter denen keine großen Konzerne stehen. Gefördert wird die Kampagne durch den Fonds Nachhaltigkeitskultur.

„Aktion Agrar“ ist ein bundesweit tätiger Verein, der sich für eine Agrarwende stark macht und dafür Aktionen und Kampagnen initiiert und dabei auch gesellschaftspolitische Zusammenhänge aufzeigen will. Ziel ist eine Wende hin zu einer ökologischen, nachhaltigen und sozial verträglichen Landwirtschaft.
Nähere Infos: aktion-agrar.de