Matthias (61) erzählt seinem Enkel Nicolas Maruhn (fast 2) etwas über Strände und über das Reisen generell im Wandel der Jahrzehnte.
Dass der kleine Spinnewipp so entspannt neben mir sitzt, hat in erster Linie mit der wohlgefüllten Waffel Eis zu tun. Er isst mit zwei Fingern, große Sauerei, das ganz Männchen klebt schon wie eine lecke Flasche Sirup. Ich rutsche aber an ihn heran, zeige mit dem Arm über die ganze Bucht und erkläre kurz das Schlagen der Wellen, die Spuren des Windes im Sand, dass die Sonne gleich ohne Zischen ins Meer tauchen wird.... Er streckt einen Finger in den Himmel und sagt: „Papagei.“
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Ja klar, seine Oma, meine Frau, erzählt ihm immer lustige Einschlafgeschichten, in denen zwei Papageien das letzte Wort haben. Hier aber nun, so denke ich, muss der Großvater ordnend eingreifen, dass überbordende Phantasie bei dem Heranwachsenden nicht den Sinn für die Naturwissenschaften trübt. „Nein, mein Junge, das sind Möwen. Lachmöwen, wenn ich mich nicht irre.“ Das findet er witzig. Und ich sehe nicht nur immer mehr wie Sam Hawkens aus, jetzt rede ich auch schon so.
Früher hat es Opa nur bis Paris geschafft – Kavallerie
Wir glotzen beide weiter aufs Meer. Er beißt ins Hörnchen. Mir wird klar, was der kleine Bursche in nicht mal zwei Lebensjahren schon in der weiten Welt herumgekommen ist. Manchester war er, da lebt ein Teil der Familie, in der Bretagne hat er letzten Sommer mit uns Urlaub gemacht, Florida hat er erlebt. Jetzt hier im Norden von Afrika. Weitgereist, der junge Herr.
Wenn ich da so die Generationen in der Familie durchgehe: Meine Urgroßeltern haben Ostpreußen nie verlassen, die Fahrt nach Rastenburg war schon eine Reise. Bei der Generation zuvor hat’s ein Opa nach Paris geschafft. Kavallerie. 70/71. Meine Großmutter ist zwar als junge Frau von Tilsit in den Westen gezogen, richtigen Urlaub hat sie, nachdem der Krieg ihr den Mann genommen hatte, erst als ältere Dame erlebt, als meine Eltern sie mit nach Bergen aan Zee in Holland genommen haben.
Ich sehe das Foto sehr genau vor mir: Die ganze Familie in so einer Strandhütte, davor die klassische Sandburg, die besonders die Deutschen damals so gerne wie einen Wall gegen die Vergangenheit bauten. Mittenmang Oma, mit Kopftuch und mit Brille, Kassengestell. Ein Farb-Dia.
Nach der Schule auf den Mond?
In Bergen hab ich auch meine ersten Urlaube verbracht. Acht Jahre in Folge. Ich fand es toll. Go-Kart fahren, Schokostreusel zum Frühstück. Meine Kinder sind dann schon auf großer Fahrt gewesen. Halb Europa mit uns im Zelt. Eine Tochter ging nach der Schule für sechs Monate in die USA, die ganze Generation schwärmte aus wie Zugvögel. Australien, Südamerika. Weg waren sie.
Ich merke, dass ich laut gesprochen habe. Nicki lächelt mich an, ist aber auch noch Eis in der Waffel. „Wenn das so weitergeht, wo wirst du dann nach der Schule hin? Sechs Monate auf den Mond? Jupiter oder Mars? Oder wieder Bergen? Die Fliegerei und damit verbundene Umweltprobleme drücken ja nicht nur mir immer mehr aufs Gemüt und plagen das grüne Gewissen. Die Rückbesinnung auf das Gute in der Nähe wäre eine Lösung. Aber...
Nicki springt auf. „Opa?“ Ja. „Eis.“ Ich denke „nein“ und sage „aber nur noch eins“. Und „nix der Mama sagen.“ Ach, ich bin schon so durch und durch Großvater. Und über uns kreisen die Papageien...