Am Niederrhein. . Der Bauverbamd Vero drängt auf weitere Abbauflächen für Kies und Sand etwa am Niederrhein – im Einzelfall auch in Schutzgebieten.

Raimo Benger denkt an die „Sauerland-Linie“ A45 – eine Dauerbaustelle: „Alle Brücken müssen da gemacht werden“. Oder die A40-Brücke über den Rhein bei Duisburg, die zum Neubau ansteht – „auch ein gutes Beispiel“. Überall fließt Beton rein, werden Rohstoffe benötigt. Wo sollen sie herkommen? Ob Sand, Kies, Splitt oder Naturstein: Raimo Benger, Geschäftsführer des Baustoffverbandes Vero drängt, dass heimische Firmen Zugriff auf weitere Abbauflächen erhalten. Gegenüber Journalisten in Duisburg warnte die Verbandsspitze gestern eindringlich vor Versorgungsengpässen.

Aktuell seien die Betriebe zu 100 % ausgelastet, berichtet Michael Hüging-Holemans, Vero-Vorstand und Geschäftsführer der Holemans GmbH in Rees. Die Firmen könnten den Rohstoff-Bedarf gerade noch decken. Der Bedarf aber werde steigen. Und eine Versorgung aus der Nähe sei wichtig, Transportwege über 40 Kilometer kosteten schnell soviel wie die Ladung Sand selbst. Vero-Vorsitzender Christian Strunk, Geschäftsführer von Hülskens in Wesel warnt: „Die Versorgungslage wird sich dramatisch verschärfen.“ Er verweist auf die vielen geplanten Infrastrukturprojekte.

Besondere Rolle des Niederrheins

Der Alarmruf kommt nicht von ungefähr. Mit der Aufstellung der neuen Regionalpläne Düsseldorf und Ruhr werden aktuell die Weichen für mögliche, künftige Abbaugebiete am rohstoffreichen Niederrhein gestellt. Vero hat zuletzt schon durchblicken lassen, dass man mit den vorgesehenen Gebieten, nicht glücklich ist. Nach Ansicht der Branche ist die Handhabung zu restriktiv, Konflikte könnten vermieden werden.

„Unser Land ist gesegnet mit mineralischen Rohstoffen“, sagt Verbandschef Strunk. Geschäftsführer Benger ist überzeugt, dass viele Konflikte mit Anwohnern dadurch entstanden sind, weil man mit dem Abbau immer weiter an Siedlungen ranrücken müsste, während die Flächen als Schutzgebiete tabu waren. Benger beklagt, dass dabei Europa- und Bundesrecht in NRW nicht umgesetzt werde.

Denn: Sowohl bei Vogelschutz wie auch europäischen Naturschutzgebieten („FFH-Gebieten“) sei eigentlich vorgesehen, im Einzelfall zu prüfen, ob sich Rohstoffabbau damit verträgt. Eine solche

Raimo Benger, Verband Vero
Raimo Benger, Verband Vero © Vero

Einzelfallprüfung erfolge in anderen deutschen Bundesländern auch in Wasserschutzgebieten der niedrigsten Stufe. Die CDU/FDP-Landesregierung will das auch in NRW-Wasserschutzgebieten möglich machen. Bei Vero begrüßt man das.

Schnellere Genehmigungen für Abgrabungen

Und auch Einzelfallprüfungen in Naturschutzgebieten würde man sich wünschen: „Die Vorhaben dort könnten dann ja von Naturschutzverbänden begleitet werden“, regt Strunk an. Die Branche hofft auf Gespräche mit Planern und Kommunen. „Wir arbeiten mit der Natur“, sagt Strunk. Naturschutz und Rohstoffabbau schließe sich nicht aus, bei Vero verweist man auf die Wiederansiedlung des Uhus in aktiven Steinbrüchen und Projekte für die Gelbbauch-Unke.

Als Kompromissvorschlag führt die Branche die Erweiterung bestehender Abgrabungen ins Feld, und das unkompliziert mit Genehmigungsverfahren von unter einem Jahr Dauer. Die Akzeptanz bestehender Abgrabungen aber sei hoch: „Mit Nachbarn gibt es keine Probleme“, sagt Vorstand Hüging-Holemans.

Info Vero: Der Verband vertritt 152 Bau- und Rohstoffbetriebe in Nordrhein-Westfalen; allein am Niederrhein hängen den Angaben zufolge 1500 Arbeitsplätze an der Branche.

>>> UND DAS SAGEN UMWELTSCHÜTZER

Der Naturschutzbund (Nabu) bestätigt eine punktuelle Zusammenarbeit mit der Baustoffbranche, etwa wenn es um Lebensräume für die Gelbbauchunke geht. Ausdrücklich am Niederrhein kann man sich keine Kooperation vorstellen: „Da sehen wir uns eher vor Gericht“, erklärte Landesvorsitzender Josef Tumbrink der NRZ.

Für die Landschaft am Niederrhein sei die Nassauskiesung „eine Bedrohung“. Rund 6000 Hektar seien in den vergangenen Jahren verloren gegangen: „Niemand braucht dort noch einen Baggersee“, ist Tumbrinck überzeugt. Der Nabu-Chef ärgert sich, dass die Landesregierung der Branche Zugeständnisse machen will. Das Gegenteil sei richtig: „Die Kiesindustrie muss auslaufen – in ein paar Jahrzehnten.“

Für den BUND ist klar: „Unsere letzten Reste der Natur- und Wasserschutzgebiete müssen tabu bleiben“, sagt Geschäftsleiter Dirk Jansen. Alle Rekultivierungsbemühungen könnten das Zerstörte nicht ersetzen.