Essen. Der Jugendtrainer Torsten Kanders vom FC Stoppenberg in Essen spricht über die Besonderheiten seiner jungen Kicker und über den Fußball generell.

Wenn ich über mein Leben rede, dann nutze ich für die Zeit, fürs Datum eine Eselsbrücke. Deren Fundament sind die Jahre, in denen Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaft stattgefunden haben. Beispiel: Wann hab ich geheiratet? Äh, Moment, zwischen WM in Spanien und Olympia in Los Angeles, informiert mich die Festplatte. „1983“ sendet das Hirn dann ans Mundwerk. Stimmt.

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Deshalb weiß ich auch, dass ich gerade die 14. (und seit gestern wohl traurigste) WM erlebe, bewusst erlebe. Schweden und Chile war ich zu lütt. Die intensivsten Erinnerungen habe ich an 1970. Mexiko. Seelers Hinterkopf. Ausgerechnet Schnellinger. Kelche mit süßestem Nektar und galligster Zitrone im Doppelpack. Ich habe diese WM mit jeder Faser gelebt und geliebt. Ich war 13.

Der Experte von der Trainerbank

Wie sehen die Kinder das heute, die ihre erste oder zweite WM erleben? Da braucht’s einen Experten von der Trainerbank. Torsten Kanders (51) vom FC Stoppenberg in Essen kümmert sich um die B-Jungend (15 bis 17). „Das ist heute schon anders. Die sind ja die ganze Zeit mit dem Computer zugange. Fortnite heißt das angesagteste Spiel. Jedenfalls gucken die nicht mehr so viel WM wie wir früher. 1990 etwa, da hab ich jedes Spiel gesehen.“ Woran liegt das?

„Wie gesagt: Computer. Aber auch die Übersättigung. Ist doch jeden Tag Fußball im Fernsehen. Wir haben uns früher vier Wochen auf ein Ereignis gefreut.“ Wollen die Jungs denn im Training nicht so tolle Tricks nachmachen, die sie bei den Stars gesehen haben? „Die Kleineren schon. Mit 10 oder 11.

Auf Asche will keiner mehr spielen

Dann stellen sie sich beim Freistoß wie Ronaldo hin. Bei den Größeren wäre das peinlich. ‘Beini’ ist natürlich immer beliebt. Gerne beim Trainer. Oder den Rabona. So ein Schuss mit überkreuzten Beinen.“ Was ist sonst anders? „Na heute braucht man bei einer B-Jugend einen großen Kader.

Klar, da hat der ein oder andere schon ne Perle. Dazu die lange Schule. Dann kommen die nicht zum Training. Aber die kicken auch nicht mehr so viel wie wir früher. Privat jetzt. Wir sind sofort raus, im Notfall Eins gegen Eins. Dann sind wir über den Zaun auf die Asche, bis der Platzwart mit dem Schäferhund kam. Zurück übern Zaun, zehn Minuten warten, weiterspielen. Heute anders. Auf Asche will keiner mehr spielen. Wir haben jetzt Kunstrasen. Ohne den wäre die ganze Jugendabteilung kaputt gegangen. Kommt keiner.“

Statt Dortmund lieben die Jungs Manchester und Real

Was für Vereine lieben die Jungs? Schalke, Dortmund? „Auch, aber mehr Real, Manchester. Von denen tragen sie auch die Trikots. Und die Schuhe. Ich kannte früher nur Bundesliga-Spieler, die wissen heute, wer bei Monaco auf der Bank sitzt. Wieder der Computer. Das Fifa-Spiel.“ Und wie lange will er noch Trainer sein? „Ich bin das jetzt 24 Jahre. Es macht auch Spaß. Hält jung. Aber ich denke ans Aufhören. Na klar, ich bin jeden Tag hier auf dem Fußballplatz. Das ist doch auch nicht normal, oder?“