Der Physiotherapeut (35) aus Essen über seine Schwierigkeiten im Beruf und im alltäglichen Leben. Erstes Interview vor acht Jahren.

Zunächst war da die Mail von Thorsten. Ich hätte ja vor acht Jahren über ihn geschrieben, ob es mich denn wohl interessiere, was aus ihm geworden sei? Ja sicher. Wir treffen uns an der Isenburgruine in Essen, er wohnt da in der Nähe, wir machen zwischen den Ruinen das Handyfoto und ich amüsiere mich über eine kleine Zeitreise, weil Thorsten inzwischen lange Haare hat. Und genau hier trafen sich vor 40, 45 Jahren die Freaks der Stadt gerne zu ihrem fröhlichen Tun. Und jetzt wir.

Sag erstmal zwei Sätze zum Thema Asperger, Thorsten. „Das ist eine leichte Form von Autismus. Als Kleinkind schon war ich anders. In der Schule dann wurde es schlimm. ‘Träumerle’ haben die Lehrer mich genannt, weil ich gerne aus dem Fenster starrte, bei den anderen Schülern hatte ich wahrlich keinen leichten Stand. Mobbing kenne ich in allen Ausprägungen. Vor zehn Jahren dann, so mit 25, bekam ich die Diagnose.“

Parallelen zu einer TV-Serie

Die meisten Menschen kennen Asperger aus der TV-Serie Monk, oder? „Das wird da gar nicht explizit genannt, aber so ähnlich ist es schon. Ich liebe die Serie immer noch. Weil ich so vieles nachvollziehen kann. Obwohl Monk noch deutlich mehr Phobien hat.“

Was kann dich denn so richtig nerven? „Einkaufen etwa. Erst die Parkplatzsuche, Hupen, Meckern, dann im Laden. Alle gestresst. Rempeln, Einkaufswagen in der Hacke. Hinter mir mault einer, weil ein Opa mit Kleingeld bezahlt. Er atmet mir dabei in den Nacken. Uuaaahhh.“ Kenn ich auch. „Kennt jeder. Nur bei mir ist die Zündschnur kürzer als bei euch, sehr viel kürzer.“

Seine Freundin trifft er nur am Wochenende

Wir sitzen hier so fröhlich und man merkt dir aber auch gar nichts an. „Mein Dilemma. Ich strenge mich an, gehe über Grenzen hinaus, aus Freundlichkeit, das aber laugt mich aus. So kann ich nicht tagtäglich sein. Nur begrenzt. Und führt dazu, dass die Menschen zu viel von mir erwarten. So geht vieles schief.“ Ein Teufelskreis , in der Tat. Was ist aus deinen drei großen Wünschen vom Interview vor acht Jahren geworden: Wohnung, Freundin, Job?

„Wohnung hab ich seit zwei Jahren. Das klappt auch. Eine Freundin hab ich ebenfalls. Jessica. Wir treffen uns am Wochenende. Mehr kann ich nicht geben. So ein ganzer Tag zusammen, das ist nicht so leicht. Ich brauche Ordnung, jede Veränderung kann mich total stören, ich bin, man muss es so sagen, der totale Spießer. Vor allem brauche ich immer viel Ruhe. Ich kann mich nicht wie andere Menschen im Kino oder mit Sport entspannen. Bei mir hilft nur: Lesen, Zeichnen, Schlafen.“

Mit dem festen Job lief einiges schief

Und der Job? „Ich bin ausgebildeter Physiotherapeut. Ich habe mich stets fortgebildet. Mit dem festen Job aber ist es bisher schief gelaufen. Aus genannten Gründen. Wenn ich gesagt habe „mehr geht nicht“ hat das keiner ernst genommen. Daran ist es gescheitert. Aber ich liebe den Job. Ich bleib’ dran. Ich suche weiter. Jeden Tag.“

Hau rein. Und lass es uns wissen, wenn das mit dem Job geklappt hat.