An Rhein und Ruhr. . Die Menschen in Deutschland haben genug davon, dass die Uhren umgestellt werden. Aber zugleich haben sie offenbar keine Lust auf die Winterzeit.

Der Mann heißt Herbert Reul. Er ist Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Er ist CDU-Politiker. Und er ist erklärter Gegner der Zeitumstellung. Im „Münchner Merkur“ gab es unlängst eine Geschichte mit dem leicht spöttischen Titel: „CDU-Politiker warnt vor ‘Tod durch Zeitumstellung’“ – und gemeint war Herbert Reul und sein beinharter Kampf für die ewige Winterzeit.

Tatsächlich gibt es viele Reuls hierzulande: Menschen, die sich dagegen wehren, dass am Sonntag die Uhren wieder eine Stunde vorgestellt werden. Aber sind sie die Mehrheit? Wollen die Deutschen tatsächlich die Sommerzeit beerdigen? Oder wollen sie lediglich die Zeitumstellung abschaffen? Die Antwort lautet offenbar: Es soll bei der Sommerzeit bleiben, für immer.

Herbert Reul (Innenminister NRW) würde gerne die Zeitumstellung abschaffen. Dann bliebe es Winterzeit, auch im Sommer.
Herbert Reul (Innenminister NRW) würde gerne die Zeitumstellung abschaffen. Dann bliebe es Winterzeit, auch im Sommer. © Deutzmann

Wer will die Zeitumstellung?

Die Zeitumstellung hat unzählige Gegner. Die Zahlen sind eindeutig. Nach einer repräsentativen Umfrage, die das Statisitik-Portal Statista im vergangenen Jahr unter 18- bis 70-Jährigen in Deutschland durchgeführt hat, sind lediglich 15 Prozent der Deutschen dafür, dass die Uhren alle paar Monate vor- oder zurückgestellt werden. Kurzum: Eine gewaltige Mehrheit der Befragten ist dafür, dass die Uhren unangetastet bleiben und sagt: Finger weg von der Uhr!

Was wollen die Deutschen: Sommer- oder Winterzeit?

Überraschung! Die Bürger wollen keinesfalls, dass in Deutschland die Uhren wieder auf die alte Winterzeit justiert werden. Sie haben genug von der Winterzeit. Sagenhafte zwei Drittel wollen, dass es hierzulande bei der Sommerzeit bleibt, und zwar zwölf Monate im Jahr.

Wer entscheidet überhaupt?

Die ganze Geschichte ist nicht so einfach, wie man vielleicht meinen möchte. In Berlin, so viel ist klar, wird man sich mit dem Thema erst beschäftigen, wenn aus Brüssel der Wunsch nach einer Änderung der entsprechenden Richtlinie eintrifft. Denn eine Abschaffung der Zeitumstellung, dies betonte die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc erst im Februar, könne es nur europaweit geben. Der Grund liegt auf der Hand: Verschiedene Zeitzonen nerven – nicht zuletzt die Wirtschaft, der an einer Vereinheitlichung gelegen ist, um unnötige Probleme im Binnenmarkt zu vermeiden.

Wie ist die Meinung der EU-Parlamentarier?

Da bleiben keine Zweifel. Nachdem bereits mehrmals im EU-Parlament über das Thema Zeitumstellung beraten worden war, wurde vor wenigen Wochen erstmals abgestimmt. Mit einem eindeutigen Ergebnis: 384 EU-Abgeordnete stimmten für die Abschaffung der Sommerzeit, aber nur 154 dagegen. Allerdings ist mit ihrem Votum noch keine Entscheidung verbunden.

Wie ist der Stand der Dinge?

Nach der Abstimmung im EU-Parlament hat die EU-Kommission nun den Auftrag bekommen, die Vor- und Nachteile der Zeitumstellung zu prüfen. Das wird gerade getan. Wie lange es dauert? Wann werden die Ergebnisse vorgetragen? Noch unklar. Superschnell wird die Sommerzeit allerdings kaum kassiert werden können, denn zunächst muss, nachdem das Für und Wider der Zeitumstellung ausreichend diskutiert wurde, eine gesetzliche Grundlage erarbeitet werden. Das kann dauern.

Seit wann gibt es die Sommerzeit in Deutschland?

Vielfach ist zu lesen, dass die Sommerzeit in Deutschland im Jahre 1980 eingeführt wurde. Ganz richtig ist das nicht. Erstmals eingeführt wurde sie bereits während des Ersten Weltkriegs. Zwischen den Kriegen und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Umstellung jedoch wieder abgeschafft. Auch das ein ziemliches Hin und Her.

Warum wurden die Uhren in Deutschland 1980 wieder auf Sommerzeit umgestellt?

Stichwort: Ölkrise – in den 70er Jahren das große Thema. Damals gewann der Wunsch, Energie zu sparen, zunehmend an Relevanz. Und seinerzeit hofften die Verantwortlichen, dass mit der neuen Zeit auch weniger Strom verbraucht wird. Ein Trugschluss, wie man heutzutage wissen will. Weil es abends eine Stunde länger hell ist, sinke der Stromverbrauch tatsächlich, aber da morgens zugleich länger geheizt werde, sei der Energiespareffekt nicht besonders groß. Trotzdem stellen die Menschen seit 1996 in allen EU-Ländern die Uhren einheitlich vor und zurück.

Was spricht gegen die Zeitumstellung?

Zunächst ganz simpel: Sie ist schon deshalb lästig, weil es Zeit kostet, manche Uhren per Hand umstellen zu müssen. Gegner der Sommerzeit erklären überdies, dass die körperliche Anpassung nicht einfach sei. Wer morgens um sechs Uhr aufstehen müsse, steht eigentlich schon um fünf Uhr auf. Deshalb stimme der Rhythmus nicht mehr, die innere Uhr ticke nicht synchron. Studien werden zitiert, wonach in den ersten drei Tagen nach der Umstellung die Zahl der Herzinfarkte steige. Weitere Stichworte: Schlafprobleme, Müdigkeit, Appetitlosigkeit. In der Debatte sind vor allem die Gegner der Zeitumstellung höchst aktiv.

Gibt es weitere Argumente gegen die Zeitumstellung?

Die Tiere. Denn Kühe, so die Umstellungsgegner, interessiere die Umstellung herzlich wenig. Sie wollen täglich zur gleichen Zeit gemolken werden. Und die Jäger warnen ergänzend davor, dass für die Autofahrer die Gefahr steige, frühmorgens in einen Wildunfall verwickelt zu werden.

Was spricht für die Sommerzeit?

Grundsätzlich bringt die Sommerzeit abends eine Stunde mehr Helligkeit. „Der durchschnittliche Deutsche steht gegen 6.20 Uhr auf“, schreibt die FAZ. „Ohne Zeitumstellung hätte er da im Sommer schon zwei Stunden Sonnenlicht verpasst“. Und weiter: „Wenn er aber abends kurz nach 23 Uhr ins Bett geht, wäre es schon fast zweieinhalb Stunden dunkel.“

Und diese zusätzliche Stunde Sonnenlicht, finden die Befürworter, macht das Leben lebenswerter. Es sei ja nicht allein so, dass sich bei Tageslicht besser arbeiten lasse, es sei auch so, dass im Sommer die langen Abende dazu einladen, draußen etwas zu unternehmen: Garten, Biergarten, Sport. Die Lebensgewohnheiten haben sich geändert: Heutzutage wird abends mehr gelebt!

Was spricht außerdem für die Sommerzeit?

Winterzeit mit den langen dunklen Nachmittagen mache krank, Sommerzeit dagegen wirke gegen Depressionen, sagen Gesundheitsfachleute. Wenn es abends länger hell ist, geschehen möglicherweise weniger Unfälle, betonen Verkehrsexperten. Und was Branchen wie Land- und Forstwirtschaft sowie den Tourismus angehe, wird es, so die Befürworter der Sommerzeit, einige geben, die von längeren Abenden profitieren.

Was ist von den vielen Studien zu halten?

Vorsichtig formuliert: Die Ergebnisse der Untersuchungen sind keinesfalls einheitlich. Je nach eigener Interessenlage werden Studien bemüht, die dies und jenes belegen sollen. Gibt es wissenschaftlich eindeutige Befunde? Laut einem aktuellen Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag (TAB) seien die Belastungen durch den „Mini-Jetlag“ in der Tat kleiner als befürchtet. Die Autoren dieser selbstständigen wissenschaftlichen Einrichtung fanden keinen belastbaren Hinweis auf negative gesundheitliche Effekte!

>>>Tipps zur Umstellung

Der Übergang zur Sommerzeit, bei dem eine Stunde Schlaf geopfert werden muss, fällt den Menschen nach Studien schwerer als der Übergang zur Winterzeit.

Schlafforscher empfehlen daher Kindern und älteren Menschen, schon einige Tage vor dem Termin je eine Viertelstunde früher zu Bett zu gehen, um sich auf diese Weise besser an die Zeitumstellung gewöhnen zu können.

Wer Schlafprobleme hat, sollte umfangreiche Mahlzeiten am Abend meiden. Laut dem Fachportal „Schlafkampagne.de“ sollte bis zu drei Stunden vor dem Schlafengehen auf Kaffee, Tee oder andere aufputschende Getränke verzichtet werden.

Ein Mittagsschlaf ist ebenfalls keine gute Idee. Besser ist es, wach zu bleiben, auch wenn man müde ist. Gegen die Müdigkeit können kurze Erholungspausen helfen.