Am Niederrhein. . In Orten wie Hünxe, Schermbeck und Voerde fomiert sich Widerstand gegen geplante Gasleitung Zeelink. Bürgern ist Trasse zu nah an den Häusern.

Rainer Rehbein ist zurzeit ein gefragter Mann. Sat1 hat gerade eben über ihn und seine Mitstreiter einen Beitrag gedreht, er gibt Interviews, ein ums andere Mal schellt das Telefon des 71-jährigen Hünxers. Es seien besorgte Bürger aus Voerde, Schermbeck, ja „entlang der gesamten Strecke“, die wissen wollen, wie sie sich wehren können gegen Zeelink, die geplante Gaspipeline, die ab 2021 von Aachen bis ins Münsterland quer durch den Niederrhein führen soll.

Rehbein selber – die Trasse würde etwa 60 Meter an seinem Haus im Ortsteil Hünxe-Drevenack vorbeiführen – ist mittlerweile überzeugt, dass der Widerstand gegen das Großprojekt, ausgedrückt durch Fackelzüge, mit Unterschriftenlisten, auf Großplakaten und bei Versammlungen die Verantwortlichen des Betreibers Open Grid Europe nicht kalt lässt: „Die sind schon nervös geworden, damit hat keiner gerechnet“.

Hof liegt 60 Meter von Leitung entfernt

Worum es geht, bringt eine andere Betroffene, Jutta Becker-Ufermann aus Schermbeck-Dämmerwald, auf den Punkt, die sich mit etwa 60 Nachbarn dem Protest der Drevenacker angeschlossen hat. Ihr idyllischer Hof „Appelbongert“ liegt ebenfalls mit seiner Grundstückgrenze knapp 60 Meter von der geplanten Leitung entfernt.

Nicht nur die Arbeiten mit schwerem Gerät und Riesenkränen an der 35 Meter breiten und mehrere Meter tiefen Scharte vor der Haustür würden sie nerven. Mehr noch: „Wenn da etwas in die Luft geht, sind im Umkreis von 200 Metern alle tot“.

Unfall in Belgien kostete 24 Menschenleben

Die Website der Drevenacker Bürgerinitiative, viele Tausend Mal angeklickt, heißt „www.todes-trasse-nein-danke.de“ und erinnert an einen Unfall bei Arbeiten an einer Gaspipeline, der 2004 im belgischen Ghislenghien 24 Menschen tötete und 150 verletzte. Rehbein und Becker-Ufermann glauben nicht an die Versicherung von Open Grip, die Gaspipeline sei „100 Prozent sicher“. „Das“, sagt Jutta Becker-Ufermann, „gibt es nicht.“

Die Skepsis gegenüber dem Großprojekt ist so groß, dass es Menschen gebe, die wegzuziehen wollen, wenn die Trasse käme: „Da gibt es einzelne Häuser, die sind nur zehn Meter davon entfernt. Eine gewisse Unruhe kann man denen ja nicht absprechen.“ Auch haben in einem nahen Drevenacker Neubaugebiet bereits manche Bürger ihren Kaufvertrag rückgängig gemacht. Gutachter hätten nahe der Trasse Immobilien-Wertminderungen von bis zu 25 Prozent ausgemacht.

Mit ihrem Protest wollen die Zeelink-Kritiker eine Trassenänderung erzwingen, die mindestens 350 Meter entfernt von jeglicher Bebauung führt. Rehbein sieht sie in einer guten Position, zumal die Lokalpolitiker sich nun auch an der Seite der Protestler positionieren. In Hünxe und Voerde hätte der jeweilige Rat für eine Verlängerung der seit einer Woche abgelaufenen Einspruchsfrist gestimmt. Damit könnten noch mehr als die von Rehbein geschätzten „mehreren Hundert“ Bürger bei der Bezirksregierung in Münster ihren Widerspruch und ihre Fragen zu Zeelink formulieren.

Projekt wurde entlang der Trasse vorgestellt

Der wachsende Protest quer durch den Kreis Wesel ist Open Grid Europe nicht verborgen geblieben. „Wir registrieren das natürlich“, sagt Sprecher Helmut Roloff der NRZ. Er verweist darauf, dass man das Projekt im Frühjahr bei „Dialogmärkten“ entlang der Trasse bereits vorgestellt und sich da auch den Fragen der Bevölkerung gestellt habe. Im Zuge des laufenden Genehmigungsverfahrens werde man auch weiter für Information und Aufklärung sorgen, am nächsten Dienstag z. B. im Planungsausschuss der Stadt Voerde.

Man sieht sie zwar nicht, weil sie in der Regel im Erdreich liegen – aber: „Solche Verbindungen, wie die jetzt geplante, sind in Deutschland längst Alltag“, sagt Roloff. Bundesweit gebe es schon jetzt etwa 40 000 Kilometer solcher Verbindungen – „einige verlaufen auch heute schon im Bereich Hünxe“. Die Sorgen der Anlieger, etwa zur Sicherheit, nehme man ernst: „Wir halten sie aber für unbegründet“, erklärt der Sprecher.

„Wir sehen keine Werteverluste“

Roloff verweist auf Sicherheitsmaßnahmen wie etwa die doppelt geprüften Schweißnähte, die Prüfung der in 1,20 Metern Tiefe verlegten Leitung unter hohem Druck und die späteren Kontroll-Überflüge per Hubschrauber. Wertverluste bei Grundstücken vollziehe man bei den Flächen nach, wo die Leitung auch tatsächlich verlaufen soll. „Bei Flächen in der Nachbarschaft sehen wir keine Wertverluste, weil die Leitung unserer Auffassung nach sicher ist.“

Open Grid Europe rechnet mit einer Genehmigung der Leitung im Herbst 2018. Aber, müsste man als Betreiber nicht gerade jetzt noch mal das Gespräch mit den Kritikern suchen? Roloff wird nachdenklich: „Gegenfrage: Meinen Sie denn, dass die Bürgerinitiative mit uns sprechen will..?“

>>>>Die Zeelink-Pipeline

Die 215 km lange Pipeline soll die Erdgasversorgung in Westdeutschland sichern.

Sie führt von der Grenze zu Belgien bei Aachen-Lichtenbusch über Kempen bis nach Legden bei Ahaus/Münsterland.

Betreiber: Open Grid Europe und Thyssengas. Geplante Inbetriebnahme soll der 31. März 2021 sein.