Am Niederrhein. . Fest für Naturbeobachter: Stare & Co. rüsten sich für die Reise in den Süden. Am Niederrhein sind die ersten sibirischen Wildgänse angekommen.

Die einen kommen, die anderen gehen – oder besser: fliegen. Die Hauptreisezeit des Vogelzugs beginnt in diesen Wochen. Naturfreunde sind fasziniert. Gerade über der Rhein-Region verlaufen wichtige Transitrouten, der Niederrhein ist für viele Vögel aus Nordosteuropa und Asien das Winterquartier. Dabei ist es nicht die Kälte, die die Vögel antreibt, zumindest nicht direkt. Die Tiere begeben sich nicht auf die Reise, weil sie selbst frieren, sondern weil die Nahrung knapper wird.

WER KOMMT? Die arktischen Wildgänse. Johan Mooij, freier Mitarbeiter der Biologischen Station im Kreis Wesel, hat die ersten Blessgänse vor zehn Tagen am Niederrhein gesehen, und zwar schon „in beträchtlicher Zahl“. Die braungrauen Vögel mit dem Rosaschnabel lagern gern im satten Grün des Rheinvorlands, das Wasser in Reichweite. Experten schätzen, dass jedes Jahr rund 200 000 Wildgänse am Niederrhein überwintern. Die großen Vogelschwärme werden ab Mitte Oktober erwartet. Die Wildgänse, die jetzt schon hier sind, dürften mit die weiteste Reise hinter sich haben – von der Taimyr-insel in Sibirien. „Da wird es schon im August ungemütlich“, sagt Biologe Mooij.

Westafrika als Reiseziel

Aber auch andere Vögel kommen – quietschgelbe Erlenzeisige etwa oder Meisen aus dem Baltikum oder Russland. Sie überwintern hier, während es viele heimische Meisen weiter nach Süden zieht. Die einen Meisen weg, die anderen da – für unkundige Beobachter kann es zu Verwechselungen kommen. „Als Betrachter hat man den Eindruck, als würden unsere Meisen hier überwintern. Das stimmt auch, aber nur zum Teil“, sagt Heinz Kowalski, Vogelexperte beim Naturschutzbund Nabu.

WER GEHT? Mauersegler haben schon im August das Weite gesucht, die eröffnen traditionell den Reiseverkehr. Die meisten Störche dürften schon wieder unterwegs sein. Aktuell sammeln sich Stare in immer größeren Schwärmen (bis zu 40 000 Tiere), rüsten sich für die Reise nach Spanien oder Nordafrika. Auch für Schwalben beginnt die Hauptreisezeit. Kraniche brüten seit wenigen Jahren auch in NRW (im Großen Moor bei Minden). Derzeit sammeln sich Kraniche in großer Zahl in Norddeutschland, ihr Zug wird in einigen Wochen erwartet.

Nabu-Experte Kowalski begeistert sich, dass die Vögel zum Teil bis zu 15 000 Kilometer zurücklegen, und dass sie - ohne sich selbst über den Haufen zu fliegen, also ohne Chaos – in Schwärmen von mitunter vielen Tausend Tieren unterwegs sind und dann im nächsten Frühjahr, nach der Rückkehr, genau dieselbe Bruthecke wiederfinden. Mit die weiteste Reise dürften von den heimischen Zugvögeln Uferschnepfe und Kiebitz haben, schätzt Biologe Mooij. Für sie geht es nach Westafrika.

WER BLEIBT? Immer mehr Zugvögel, selbst einzelne Störche überwintern schon hier – ein Zeichen des Klimawandels. Heinz Kowalski nimmt den Hausrotschwanz als Beispiel. Dieser Singvogel trete heute oft gar nicht mehr die Reise an. Vor 20, 25 Jahren sei das anders gewesen: „Da konnte man den Hausrotschwanz im Winter hier nur rund ums Bayer-Werk in Leverkusen antreffen, wo es warm war und es auch noch Insekten als Nahrung gab.“