Dinslaken. . Die Dinslakener Turn-Abteilungsleiterin Bärbel Grüttgen wird zur „Guten Seele des Vereins“ gekürt. Ehrung bei der NRZ-Sportlerfete in Walsum.

„Kläre ich ab - warte mal kurz - die stehen da hinten...“ Bärbel Grüttgen ist im Stress, derzeit sogar noch deutlich mehr als sonst. Trotzdem behält die Turn-Abteilungsleiterin des MTV Rheinwacht Dinslaken stets Ruhe und Übersicht, seit über drei Jahrzehnten.

Dafür bekommt die 63-Jährige nun eine abendliche Auszeit und eine Auszeichnung von der NRZ. Bei der 33. Sportfete heute im Walsumer Brauhaus Urfels wird Bärbel Grüttgen vor rund 400 Gästen zur „Guten Seele des Vereins“ gekürt.

Mit sechs Jahren war sie einst in den „Männer-Turnverein“ eingetreten und bis Anfang 20 selbst aktiv. Nahtlos folgte der Schritt in den Übungsleiterbereich sowie auf die Funktionärsebene, sowohl im Verein als auch im Verband. Heute ist Bärbel Grüttgen nicht nur Trainerin und seit 35 Jahren Abteilungschefin ihres Vereins, sondern auch Fachwartin für Gerätturnen weiblich im Turnverband Rechter Niederrhein.

Der Kalender ist voll

Vier Trainingstage, ein Training dauert drei Stunden, plus Wettkämpfe am Sonntag plus „Vorstandskram“ - der Terminkalender der Dinslakenerin sieht aus wie der verschriftliche Albtraum eines Müßiggängers. Dabei ist die Informatik-Pionierin auch noch berufstätig. „Als ich damals nach dem Abitur mit Computern angefangen habe, waren die Dinger noch begehbare Kleiderschränke.“

Mit dem Computer hat sich auch bei der Vorstandsarbeit einiges verändert – nicht nur zum Positiven. „Früher hat man für einen Termin einen Brief geschrieben und dann stand der. Heute gibt es so viel hin und her und so viel Bürokratie zu beachten“, so Grüttgen. „Ich kann schon nachvollziehen, warum da viele junge Leute keinen Bock drauf haben.“

Viele junge Menschen haben keine Zeit mehr

Hinzu komme, dass viele Menschen im Beruf zeitlich flexibel sein müssten. „Sie wollen keine Verantwortung für das Training übernehmen, weil sie nie sicher sein können, ob sie das zeitlich auch schaffen.“ Bei männlichen Übungsleitern käme noch ein weiteres Problem hinzu: „Die stehen heutzutage bei entsprechenden Anschuldigungen doch schon mit einem Bein im Knast.“

250 Kinder und Jugendliche beherbergt die Turn-Abteilung des MTV, 25 davon turnen in der Leistungsgruppe, die erste Mannschaft in der Landesliga. Regelmäßig schaffen es die Rheinwacht-Talente bis zu den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften.

Und diese besonders intensiv trainierenden Nachwuchs-Sportler trifft es auch besonders hart, dass die Stammhalle der Abteilung derzeit und wohl bis zum Ende des Jahres für nicht nutzbar erklärt wurde – obwohl sich der Wasserschaden dort im Umkleide- und Geräteraumbereich befindet.

Katastrophale Hallensituation durch Wasserschaden

„Für uns und die Tischtennisspieler ist das eine Katastrophe. Bei der Stadt bemüht man sich um Ersatz, aber manche Entscheidungen sind schwer nachzuvollziehen“, so Bärbel Grüttgen. Immerhin hat man einen Austragungsort für die Verbandsmeisterschaften am 17. September in Dinslaken gefunden. „Jetzt müssen wir nur noch mit 20 Leuten sämtliche Geräte dorthin bringen und aufbauen.“

Ihr Humor ist trocken, ihre Art direkt, aber beides kommt an. „Sie kann sehr deutlich werden“, sagt Seliya Atik, 13-jähriges Top-Talent der MTV-Turnerinnen. „Aber bei mir funktioniert das ganz gut. Dann hat man wenigstens sofort verstanden, was falsch war.“

Sie hat ein Rezept gegen Rückenschmerzen

Beharrlichkeit ist eine weitere notwendige Tugend, um als Turntrainerin im Leistungsbereich zu arbeiten. Bis Figuren wie der Salto von Körper und Geist wirklich verinnerlicht seien, bräuchten es schon 3000 (!) Durchgänge. „Man kriegt aber auch sehr viel von seinem Engagement zurück. Es ist einfach toll zu sehen, wie die Mädchen sich steigern“, so Grüttgen. „Besonders schön ist, dass viele dabei bleiben und Trainerinnen werden.“ So wie Sabine Wessel und Daniela Pruß, die sogar hochschwanger noch zum Training erscheint.

Kein Verständnis hat Bärbel Grüttgen für Büro-Menschen mit Rückenschmerzen. „Die Leute werden zu Bewegungslegasthenikern, rennen bei Schmerzen sofort zum Arzt und dann für eine Stunde pro Woche zur Physiotherapie. Ohne Bewegung und Muskelaufbau bringt das doch nichts!“

Die IT-Fachfrau macht trotz vollem Kalender jeden Tag noch Gymnastik und sitzt häufig auf einem großen Ball vor dem Rechner. So habe bei ihr ein Kreuzbandriss vor zehn Jahren auch ohne Operation keine bleibenden Schäden hinterlassen – weder im Knie noch auf der „guten Seele des Vereins.“

>>>>Ehrenkarten für NRZ-Leser

Zahlreiche Leser haben bei der Abstimmung zum NRZ-Sporttalent des Jahres mitgemacht. Jeweils zwei Ehrenkarten für die 33. NRZ-Sportfete im Walsumer Brauhaus Urfels gewonnen haben Brigitte Kentler (Oberhausen), Inge Müllemann (Wesel) und Lilo Koschnitzke (Duisburg).

Die Gewinner der Wahl werden bei dem Fest gekürt.