Zwischen Kimonos, Cosplayern und Kostümen beim Japantag
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Düsseldorf. . Der Japantag lockte 650 000 Besucher nach Düsseldorf. Es gab Kulinarisches, Kulturelles, verrückte und witzige Verkleidungen und viele Umarmungen
Konnichiwa, Arigatou, Nippon – Wer diese drei Wörter kennt, kann zumindest „Guten Tag“, „Danke“ und „Japan“ sagen. Nur wenige in Deutschland kennen mehr japanische Worte, aber tausende lieben Kultur, Essen, Sprache – scheinbar alles, was aus dem Land der Kirschblüten kommt. Fast 7000 Japaner leben in Düsseldorf und bilden dort eine der größten Exilgemeinden in Europa. Einmal im Jahr feiern sie in der Landeshauptstadt den Japantag und dutzende bunte Stände, kulturelle Darbietungen, Programmpunkte und Angebote locken Zehntausende an den Rhein.
Für Gerichte, die Yakisora, Takoage oder Dorayaki heißen, standen die Besucher am Samstag in meterlangen Schlangen an. Doch nicht nur Kulinarisches ist der Publikumsmagnet am Japantag. Die Besucher lieben einfach alles. Warten geduldig, um die Namen ihrer Kinder in japanischen Schriftzeichen übersetzt zu bekommen, einen Kimono anzuprobieren, eine Samurai-Rüstung zu berühren oder sich über die japanische Eisenbahn zu informieren. Entzückt filmen hunderte mit ihren Handys, wenn die Kleinsten aus der japanischen Schule einen Tanz aufführen. Der ist choreographisch nicht herausragend anspruchsvoll, aber halt sehr niedlich anzuschauen.
Je detailgetreuer das Kostüm, desto besser
Doch schon seit Jahren zieht der Japantag nicht nur Fans von Land und Leuten an, sondern auch aufwendig verkleidete Menschen, die aussehen als seien sie aus einem Comic-Film entsprungen. „Cosplayer“ nennen sie sich, Cos- steht für das englische Wort für Kostüme, -player unterstreicht, dass es sich um ein Spiel handelt. Sie verkleiden sich als Figuren aus Mangas (japanische Comics), Anime-Filmen (handgemalte Computer-Animationen) oder Computerspielen.
Sie sehen sich selbst als so große Fans, dass sie es nicht beim Lesen, Zuschauen oder Spielen belassen wollen, sondern selber in die Rollen ihrer gezeichneten Helden schlüpfen wollen. Je detailgetreuer das Kostüm, desto besser. Uta und Sandra (beide 21) kommen aus Neukirchen-Vluyn und haben ein ganzes Jahr an ihren Kostümen gebastelt. Sie sind am Japantag Orianna und Gnar, Charaktere aus dem Spiel League of Legends. Knallblaue Kontaktlinsen, jedes freie Fleckchen Haut geschminkt, eine Rüstung aus Kunststoff und auf dem Rücken ein riesiger Schlüssel zum Aufziehen. So sieht die Orianna aus. Hier in Düsseldorf bewundern die Besucher Uta, im Karneval am Niederrhein, so fürchtet sie, würde man ihre Deko abreißen. „Im Karneval wird viel getrunken, hier geht es die Präsentation von Kostümen.“ Sehen und gesehen werden.
Cosplayerinnen tragen knappe Blusen und Röcke
Die Dichte der Fotografen ist beachtlich an diesem Tag und alle Kostümierten reißen sich darum abgelichtet zu werden. „Tageszeitung, Tageszeitung,“ freuen sie sich, als der NRZ–Fotograf sich vorstellt, aber auch ein Smartphone-Schnappschuss mit anderen Besuchern ist hoch im Kurs.
Kylie ist mit ihren Eltern aus Elmshorn angereist. Die 16-Jährige stellt Maka aus Soul Eater dar, zwei Besenstile der Familie mussten dran glauben, damit die Schülerin sich eine Sense daraus basteln konnte. Mutter Esther hat nächtelang das Kostüm geschneidert. Durch die Mangas und Anime-Filme hat sich Kyle für Japan begeistert, ihr größter Traum wäre ein Schüleraustausch ins Land. Ihre Eltern finden, dass es schlimmere Hobbys gibt, die Mutter wäre aber auch nicht böse, wenn die Kostüme weniger sexualisiert wären. Viel Haut zeigen hier viele, denn die Helden aus den Comics tragen nicht selten knappe Blusen und Röcke.
Neben der Liebe zu Japan eint die Cosplay-Szene auch etwas, was sie von den Japanern deutlich unterscheidet: Umarmungen. „Free Hugs“ – „Kostenlosen Umarmungen“ steht auf unzähligen Pappschildern und T-Shirts und immer wieder fallen sich völlig fremde Teenager, jüngere und ältere Erwachsene in die Arme. Zu Tausenden sitzen sie am Rheinufer, bewundern gegenseitig ihre Kostüme und knuddeln eben was das Zeug hält. Manchmal schieben sie sich aufgereiht neben einander her, Umarmen sich am Stück. Ab und an brandet Beifall auf, wofür ist nicht immer klar. „Guckmal, da vorne gibt es Gruppenumarmungen!“ ruft ein junger Mann, der sich augenscheinlich als wild-wuchernde Hecke verkleidet hat, begeistert und trabt mit seiner neon-grell gekleideten Begleiterin auf Plateuschuhen los. Warum sie sich so gerne umarmen, können sie selbst nicht so genau erklären. Es könnte seinen Ursprung in Australien haben, wo ein gewisser Juan Mann eine Free-Hugs-Kampagne gestartet haben soll, die seitdem um die Welt geht. Auch möglich ist, dass die Cosplayer außerhalb der Szene oft als etwas eigentümlich wahrgenommen werden, und deshalb in den eigenen Reihen Bestätigung und Nähe suchen.
Der Rhein ist ein bisschen wie das japanische Meer
Was es auch ist, es hat wenig mit Japan zu tun. Mami Kondo aus Hiroshima ist 29 Jahre alt, arbeitet seit vier Jahren in Oberhausen und liebt Düsseldorf und den Japantag sehr: „Ich habe hier gute Freunde gefunden. In Deutschland fehlen mir eigentlich nur meine Familie, das Meer und das Essen. Wenn ich hier bin, gibt es originales Essen und der Rhein ist ein bisschen wie das Meer. Aber das Umarmen ist uns in Japan fremd.“ Außer zum eigenen Partner, so erzählt sie, suche niemand Körperkontakt. Bei der Begrüßung verbeugt sie sich, seit Kindertagen habe sie weder ihre Schwester noch ihre Eltern umarmt. „Für Japaner ist dieses ganze Umarmen nicht normal,“ stellt sie fest. „Für uns ist das etwas verrückt. Die Leute sollen am Japantag unsere traditionelle Kultur kennenlernen. Anderseits ist es auch nicht schlecht, wenn die Deutschen durch Manga und Anime einen Zugang zu Japan bekommen.“
Am Abend finden Japaner, Cosplayer und Besucher dann wieder eine gemeinsame Basis. Das schon traditionelle Feuerwerk von deutschen und japanischen Pyrotechnikern zieht alle Besucher des Japantages in seinen Bann, der beeindruckend friedlich verlaufen ist. Polizei und Rettungsdienste hatten wenig zu tun: Weder Japaner als auch die Cosplayerszene sind wenig für ausufernde Feiern bekannt.
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