Berlin. Neue Analysen enthüllen: Der Schädel aus Ephesos gehört nicht zu Arsinoë IV., sondern einem römischen Teenager. Wer war der Junge?

Fast ein Jahrhundert lang galt der rund 2100 Jahre alte Schädel aus dem antiken Ephesos als möglicher Überrest von Kleopatras Halbschwester, Arsinoë IV. Doch neue Forschungen werfen dieses Mysterium in Zweifel. Statt einer hochrangigen ägyptischen Frau zeigt sich, dass es sich um die Überreste eines römischen Teenagers handelt. Doch was brachte diesen Jungen in ein prunkvolles Mausoleum – und was bedeutet dies für die Suche nach der mysteriösen Arsinoë IV.?

Die legendäre Kleopatra VII., letzte Pharaonin Ägyptens, entstammte der makedonischen Dynastie der Ptolemäer und zählt zu den bekanntesten Figuren der Antike. Doch ihr Aussehen und ihr Begräbnisort bleiben bis heute ein Rätsel. Ähnlich geheimnisvoll ist das Schicksal ihrer Halbschwester Arsinoë IV., die als „Gegenkönigin“ gegen Kleopatra und die römische Besatzung Ägyptens eine Armee führte. Nach ihrer Niederlage wurde Arsinoë ins Exil nach Ephesos geschickt, wo sie 41 v. Chr. auf Befehl von Marcus Antonius hingerichtet wurde.

Arsinoë: Wer war die Halbschwester Kleopatras?

1929 fand ein Archäologenteam um Josef Keil im Oktogon von Ephesos ein Skelett, das jahrelang als das von Arsinoë IV. galt. Er gehörte einer etwa 20-jährigen Frau, die in Ephesos gestorben war. Die architektonische Gestaltung des Oktogons im ptolemäisch-ägyptischen Stil untermauerte in den 1980er Jahren die Hypothese, dass es sich dabei um die sterblichen Überreste von Kleopatras Halbschwester handeln könnte.

Neuere Untersuchungen zeigen überraschende Ergebnisse

Die neusten genetischen Untersuchungsergebnisse verblüfften die Forschenden: Der Schädel stammt demnach von einem halbwüchsigen Jungen und nicht, wie vorher angenommen, von Kleopatras Halbschwester Arsinoë. Das Forscherteam konnte bestätigen, dass es sich bei dem 1929 nach Österreich gebrachten Schädel und Jahrzehnte später entdeckten Skelettknochen von derselben Person handelt.

Allerdings handelt es sich bei dem antiken Skelett nicht um eine Frau: „Schädel und Oberschenkelknochen zeigten beide ganz eindeutig das Vorliegen eines Y-Chromosoms – also eines Mannes“, berichtet Gerhard Weber von der Universität Wien. Mit Methoden wie Radiokarbondatierung und Mikro-Tomografie untersuchte sein Team die Überreste und widerlegte so die bisherige Annahme über die Identität des Toten. 

Kleopatras Schwester bleibt weiterhin verschollen
Der Oktogon-Schädel wird im Wiener Mikro-CT-Labor mit einer Auflösung von 80 Mikrometern gescannt. © Gerhard Weber, University of Vienna | Gerhard Weber, University of Vienna

Wer war der tote Junge? Identität bleibt unklar

Doch wer war der Junge aus dem prunkvollen Oktogon von Ephesos? DNA-Analysen zeigen: Er stammte aus dem römischen Italien oder Sardinien und nicht aus Ägypten. Seine Schädelnähte wuchsen früh zusammen, was zu starken Verformungen des Kopfes und Kiefers führte. Als Ursache könnten Vitamin-D-Mangel oder ein genetisches Syndrom infrage kommen. Warum gerade dieser Jugendliche, trotz seiner körperlichen Einschränkungen, in einem Mausoleum beigesetzt wurde, bleibt ein ungelöstes Rätsel, das weitere Untersuchungen erfordert.

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Weitere Analysen sollen offene Fragen klären

Die neuen Analysen klären einige Fragen, werfen aber auch neue auf: Weder der Verbleib von Arsinoë IV. noch die Identität des Jungen ist geklärt. „Warum dieser an signifikanten Wachstumsstörungen leidende Junge damals in einem so prominenten Gebäude im Stadtzentrum von Ephesos bestattet wurde, bleibt vorerst ungeklärt“, schreiben Weber und sein Team. Sicher ist, dass das Mausoleum für eine Person hohen sozialen Ranges vorgesehen war. Wer der Teenager tatsächlich war und ob er eine bedeutende Stellung innehatte, bleibt weiterhin ein Mysterium.