Berlin. Auch wenn es aus medizinischer Sicht falsch ist, wird oft von Wechseljahrsbeschwerden des Mannes gesprochen. Was Betroffene tun können.
Zwischen zehn und 20 Prozent der Männer leiden im Alter ab 40 bis 50 Jahren unter Abgeschlagenheit, Schwitzen, Lustlosigkeit oder Erektionsproblemen. Grund dafür kann eine Unterversorgung mit dem Hormon Testosteron sein. Auch wenn es aus medizinischer Sicht falsch ist, hat sich im Volksmund durchgesetzt, von Wechseljahrsbeschwerden des Mannes zu sprechen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was bedeuten Wechseljahre beim Mann?
„Die Wechseljahre beim Mann gibt es eigentlich nicht. Zumindest nicht als Pendant zu dem physiologischen Prozess bei Frauen, bei dem die Produktion der Sexualhormone im Alter vollständig zum Erliegen kommt“, sagt Dr. Oliver Bargheer, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie mit Schwerpunkt Andrologie sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). „Der Hoden, der beim Mann für die Produktion der Sexualhormone zuständig ist, behält zeitlebens seine Funktion“, so Bargheer weiter. Allerdings lasse diese im Laufe des Lebens nach.
In der Folge sinkt die Versorgung des Körpers mit dem Hormon Testosteron. Laut DGE reduziert sich der Testosteronspiegel beim Mann ab dem 40. Lebensjahr jährlich um ein bis zwei Prozent. „Dieser Wert ist aber auch gesundheitsabhängig“, sagt Prof. Frank Sommer, Urologe und Experte für Männergesundheit aus Hamburg. Übergewicht, Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes könnten den Testosteronspiegel negativ beeinflussen. „Gesunde und fitte Männer leiden meistens nicht unter einem Testosteron-Mangel“, sagt Sommer.
Wie zeigt sich das, was Wechseljahre genannt wird?
„Im besten Fall zeigt sich die Hormonveränderung beim Mann gar nicht“, sagt Oliver Bargheer. Die meisten Männer würden diese nicht oder kaum bemerken. Schaue man aber auf jene Probleme, die ein ausgeprägter Testosteronmangel verursachen könne, „dann gibt es viele unspezifische Symptome:
- Schlafstörungen
- verminderte kognitive Funktion
- Depressivität
„Wir Mediziner werden aber vor allem dann hellhörig, wenn die Männer über sexuelle Funktionsstörungen und Libidoverlust klagen, vielleicht gepaart mit Hitzewallungen und vermehrtem Schwitzen“, so Bargheer.
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„Im Prinzip unterscheiden wir bei den Symptomen drei große Kategorien“, sagt Frank Sommer – „Sexualität, Psychogenität und die körperlichen Faktoren“. Bei der Sexualität gehe es um den Verlust oder die Minderung der Lust auf Sex sowie Erektionsprobleme, bei der Psychogenität um das Gefühl, den Höhepunkt des Lebens hinter sich zu haben, um Depressivität oder Verstimmung. „Und bei den körperlichen Faktoren sehen wir Müdigkeit, Erschöpfung und ein höheres Schlafbedürfnis.“
Wann sollten Symptome der „Wechseljahre“ behandelt werden?
„Behandlungsbedürftig ist so etwas, wenn der Testosteronwert unter einer bestimmten Schwelle liegt und die Männer symptomatisch sind. Es geht in erster Linie darum, Beschwerden zu lindern“, sagt Oliver Bargheer. Einen 80-jährigen Patienten, der einen niedrigen Testosteronwert, aber keine Beschwerden habe, brauche keine Behandlung.
Frank Sommer bewertet das genauso: „Meine persönliche Meinung ist: Wer keinen Leidensdruck hat, braucht keine Behandlung.“ Wobei ein extremer Testosteronmangel zumindest abgeklärt werden sollte. „Langfristig haben die Männer, die einen sehr niedrigen Testosteronspiegel haben, auch ein erhöhtes Risiko für Osteoporose oder eine Zuckererkrankung, um mal zwei Risiken zu benennen“, erklärt der Urologe.
Laut DGE liegen die Normalwerte für den Testosteronspiegel beim Mann zwischen 12 und 40 Nanomol pro Liter (nmol/l), die unteren Grenzwerte zwischen 8 und 12 nmol/l.
Wie gehe ich bei der Behandlung vor?
Sinkt der Testosteronspiegel stark ab, können auch Krankheiten die Ursache sein: Entzündungen des Hodens, ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, Diabetes mellitus oder eine Nierenschwäche, erklärt die DGE. „Es ist es wichtig, eine Diagnose zu haben, also die Ursachen festzustellen“, sagt Frank Sommer. Dazu müsse zunächst der Testosteron-Wert festgestellt werden. „Zwar gibt es internationale Normwerte, aber meine persönlichen Erfahrungen sind, dass es bei Männern auch immer eine individuelle Testosteronschwelle gibt, ab der ein Unwohlsein beginnen kann.“ Für den Urologen zählt deshalb auch das sogenannte freie Testosteron, das an den Rezeptor binden kann. „Das muss man berücksichtigen und dann beurteilen, ob eine Hormonersatztherapie helfen kann.“
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Auch Oliver Bargheer plädiert dafür, im Zweifel das freie Testosteron berechnen zu lassen. Darüber hinaus betont er: „Der Testosteronwert kann schwanken und hat eine tageszeitliche Rhythmik. Es wird empfohlen, mindestens zwei unabhängige nüchterne Blutabnahmen am frühen Morgen zu machen.“
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Ist nicht eine Krankheit Ursache für den Testosteronmangel, kann den Experten zufolge auch eine Veränderung des Lebensstils Verbesserungen bringen. Erst wenn das nicht helfe, komme eine hormonelle Substitutionstherapie infrage. Hierzu werden inzwischen häufig entweder Gele verwendet, die auf die Haut aufgetragen werden, oder Injektionen in die Muskulatur. Laut den Experten sollte die Behandlung nach bestimmten Intervallen von sechs Monaten bis zwei Jahren überprüft und bei Bedarf angepasst oder auch ausgeschlichen werden.
Wie können Männer Wechseljahrsbeschwerden selbst beeinflussen?
„Präventiv kann man vieles ohne eine medikamentöse Therapie machen“, sagt Frank Sommer: körperliche Bewegung, gesunde Ernährung und Psychohygiene, also Stressabbau etwa durch Yoga oder Meditation. „Diese drei Säulen spielen eine große Rolle.“
Für Oliver Bargheer hat die Kontrolle des Körpergewichts dabei eine besondere Bedeutung: Übergewicht beeinflusse den Testosteronwert enorm. „Wir wissen, dass der Testosteronspiegel bei Übergewichtigen durchs Abnehmen steigt.“ Das gelte auch für eine gesunde Lebensweise und regelmäßige körperliche Aktivität.
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