Berlin.. Forscher haben erstmals nachgewiesen, dass auch Tiere Amputationen zur Wundbehandlung durchführen. Ameisen brauchen dafür nur 40 Minuten.

Amputationen können nicht nur das Leben von Menschen retten, sondern auch das von Ameisen. Forscher der Universität Würzburg unter der Leitung von Erik Frank haben herausgefunden, dass Ameisen je nach Verletzungsart gezielte Behandlungen anwenden, um die Überlebenschancen ihrer verletzten Artgenossen zu erhöhen – einschließlich Amputationen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.

Laut der Studie ist bekannt, dass Menschen seit mehr als 30.000 Jahren medizinische Amputationen durchführen, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Neu ist jedoch der Nachweis, dass auch Ameisen dazu in der Lage sind. Während einige Ameisenarten Wunden mit einem antibakteriellen Sekret aus einer speziellen Drüse behandeln, fehlt der in Florida heimischen Holzameise (Camponotus floridanus) diese Fähigkeit. Stattdessen haben die Tiere eine eigene Methode der Wundbehandlung entwickelt.

Ameisen-Amputation dauert 40 Minuten

Das Team um Erik Frank untersuchte das Verhalten von Florida-Holzameisen bei zwei Arten von Beinverletzungen: Verletzungen am Oberschenkel (Femur) und am Unterschenkel (Tibia). Bei Verletzungen am Oberschenkel säuberten die Ameisen zuerst die Wunde und amputierten dann das Bein – ein Prozess, der etwa 40 Minuten dauert. Nach der Amputation überlebten mehr als 90 Prozent der verletzten Tiere, schreiben die Forscher. Blieb eine infizierte Wunde am Oberschenkel unbehandelt, schafften es nur 40 Prozent.

Befand sich die Verletzung dagegen im unteren Beinbereich, beschränkten sich die Artgenossen des verletzten Tieres auf eine Reinigung, indem sie die Wunde intensiv leckten. Auch diese Behandlung war mit einer Überlebensrate von rund 75 Prozent relativ erfolgreich. Ohne Wundreinigung überlebten nur 15 Prozent der Tiere eine infizierte Wunde.

Ameisen amputieren nie bei Verletzungen an den Unterschenkeln

Das Forscherteam vermutet, dass die bevorzugte Behandlungsmethode mit dem Risiko der Infektionsausbreitung im Körper zusammenhängt. Um dem nachzugehen, führten die Forscher selbst Amputationen an Ameisen mit Wunden am Bein durch. „Die Überlebensrate nach der Amputation lag bei nur 20 Prozent“, so die Wissenschaftler.

Computertomografische Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass im Oberschenkel der Ameisen viele Muskeln sitzen, die eine wichtige Rolle beim Transport von Körperflüssigkeiten in den Rest des Körpers spielten. Bei Verletzungen sei die Durchblutung daher oft eingeschränkt, wodurch Krankheitserreger langsamer von der Wunde in den Rumpf gelangten. Im Unterschenkel gebe es dagegen kaum zentrale Muskelstrukturen für die Zirkulation der sogenannten Hämolymphe, heißt es weiter. Wird dieser Teil des Beines verletzt, gelangen die Bakterien daher vergleichsweise schnell in den Körper. Das Zeitfenster für eine erfolgreiche Amputation sei dann zu klein.

Das Verhalten sei angeboren und nicht erlernt, erklären die Forschenden weiter. Die Ameisen handelten instinktiv und nicht durch Nachahmung anderer Artgenossen. Derzeit führt das Team ähnliche Experimente mit anderen Ameisenarten durch, um herauszufinden, wie verbreitet dieses Verhalten ist und ob auch andere Arten ohne die spezielle Drüse auf Amputationen zurückgreifen.

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