Berlin. Frauen schlafen deutlich schlechter als Männer. Woran liegt das? Was können Frauen und Partner tun? Führende Schlafforscher klären auf.
Von Bezahlung und Aufstiegschancen bis hin zur Care-Arbeit in der Familie: In vielen Bereichen des Lebens sind Frauen häufig noch benachteiligt. Gender-Ungerechtigkeit betrifft auch einen für die Gesundheit enorm wichtigen Bereich: den Schlaf. Mit Blick auf jüngere Studien sprechen Schlafforscher hier von einer gefährlichen Schieflage und schlagen Alarm.
Doch woran liegt die mangelnde Schlafqualität bei vielen Frauen im Vergleich zum Mann? Auf welche Warnsignale sollten Frauen mit Schlafstörungen in welchem Alter achten – und wie können Partner unterstützen?
Schlaf: Frauen leiden mehr als doppelt so oft unter Schlafstörungen
„Für einen guten Schlaf ist es nicht egal, ob Sie eine Frau oder ein Mann sind“, stellt Dora Triché klar. Die Pneumologin leitet das Schlaflabor und die Abteilung für nichtinvasive Beatmung am Klinikum Nürnberg. Zudem ist sie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Triché kämpft für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Schlaf.
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Auf den ersten Blick scheint die Ungleichheit umgekehrt: „An sich sind Frauen die besseren Schläfer“, erklärt Triché. „Sie können im jungen Alter häufig ein wenig früher ins Bett und ein bisschen länger schlafen. Sie können sich den Tiefschlafanteil eher bis ins höhere Alter erhalten.“
Doch aufs gesamte Frauenleben gesehen beobachten die Schlafforscherin und ihre Kollegen mit Blick auf die Schlafqualität eine gewaltige Kluft im Vergleich zum Männerschlaf. „Etwa zwei- bis dreimal häufiger sehen wir Ein- und Durchschlafstörungen.“ Das habe ganz verschiedene Ursachen. „Das liegt an hormonellen und psychischen Einflüssen, aber auch an äußeren Einflüssen im Leben einer Frau“, sagt Triché.
Zyklus: Diesen Einfluss hat die Menstruation auf die Schlafqualität
Frauen nähmen Probleme „eher mal mit ins Bett, sie grübeln mehr“, sagt die Forscherin. Zum anderen habe der hormonelle Zyklus der Frau einen entscheidenden Einfluss auf den Schlaf. Das sehe man an der Veränderung des Schlafes im Verlauf des Zyklus, so Triché. So ist der Progesteronspiegel zur Zeit des Eisprungs höher. Das Hormon sorgt dafür, dass sich der Schlaf eher stabilisiert und erhält. Zur Zeit der Menstruationsblutung fällt der Progesteronspiegel – der Schlaf wird dann häufig etwas schlechter.
Wissenschaftlich ist klar: Die Schlafqualität von Frauen verändert sich im Laufe der einzelnen Lebensphasen deutlich. Starken Einfluss hat laut der Forscherin – wenig überraschend – eine Schwangerschaft. Zu Beginn steige der Progesteronspiegel eher, sagt Triché. Das könne sowohl den Schlaf positiv beeinflussen als auch ganz allgemein psychisches Wohlbefinden auslösen. Dieser Anstieg könne aber auch müde und schläfrig machen.
Schwangerschaft führt häufig zu Schlafstörungen
Allerdings treten während der Schwangerschaft auch äußere Faktoren auf, die den Schlaf stören können: Schwangere leiden etwa häufig an Übelkeit, auch nachts. Zudem sorge der steigende Druck auf die Blase dafür, dass Schwangere öfter mal in der Nacht auf die Toilette müssten.
Aber auch Krankheiten könnten während der Schwangerschaft „getriggert werden“, sagt Triché – beispielsweise das sogenannte Restless-Legs-Syndrom, auch bekannt als Syndrom der „unruhigen Beine“. Die Erkrankung führe häufig zu einem Kribbeln an Füßen und Beinen, aber auch zu willkürlichem und unwillkürlichem Bewegungsdrang. Die Folge: Schlafstörungen. Typisch während der Schwangerschaft sei auch die sogenannte Refluxkrankheit, bei der ständig Mageninhalt in die Speiseröhre zurückfließt. Das führt häufig zu unangenehmem Sodbrennen – ebenfalls wenig hilfreich für süße Träume.
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Umso weiter die Schwangerschaft fortschreite, desto mehr „mechanische Störungen“ träten auf, so Triché. Der Bauchumfang wächst, das stört die Beweglichkeit im Bett. In Rückenlage kann der Fötus mit steigendem Gewicht die große Hohlvene abdrücken – unangenehm. Mediziner sprechen hier vom Vena-cava-Kompressionssyndrom. Sowohl die Mutter als auch das Kind sind dabei schlechter mit Sauerstoff versorgt. Zudem sorgen Bewegungen des Kindes während der Schlafphase generell dafür, dass die schwangere Frau häufiger aufwacht.
Ein weiterer Risikofaktor: die Atmung. Schwangere leiden laut Triché gehäuft unter sogenannter obstruktiver Schlafapnoe, einer schlafbezogenen Atmungsstörung. Dabei kommt es immer wieder zu kurzzeitigen Phasen mit einer Verengung der oberen Atemwege. Die dadurch verringerte Sauerstoffaufnahme kann gerade für Mutter und Kind besonders schädlich sein. Doch wie kommt es dazu? Schwangere nehmen an Gewicht zu, Fett und Wasser lagern sich im Körper ein, mitunter auch im Halsbereich. „Gerade in dieser Phase sollte man die Frau zeitnah behandeln. Denn für die Entwicklung des Kindes ist eine gute Sauerstoffversorgung entscheidend“, sagt Triché.
Schlaf nach der Geburt: „psychische Belastung“ für Frauen
Auch die Phase nach der Entbindung „ist heikel für den Schlaf der Frau“, sagt Triché. Kinder wachen häufig auf, müssen gefüttert werden. Eine Aufgabe, die gerade in der Stillphase die Mutter übernimmt. „Oft ist das auch eine Phase der psychischen Belastung“, betont Triché. Die Lebenslage stellt sich für viele drastisch um. Die Frau tritt häufiger im Beruf kürzer, die Beziehung verändert sich, große Verantwortlichkeiten kommen hinzu.
Mitunter kann das nach der Geburt bei jungen Müttern sogar zu einer postpartalen Depression führen. Diese tritt laut Deutscher Depressionshilfe bei rund 10 bis 15 Prozent der Frauen in den ersten Wochen nach der Geburt auf und kann wiederum eine Schlafstörung (Insomnia) mit sich bringen. Die schlechte Nachricht: Mit den ersten Monaten nach der Geburt hat sich das Thema Schlafmangel noch längst nicht erledigt.
Schlafstörungen: „Kinder sind ein Stück weit Schlafräuber“
Was Eltern wissen und die Forschung bestätigt: „Man hat Analysen gemacht, dass Paare mit Kindern durchschnittlich weniger Schlaf haben als Paare ohne Kinder“, sagt Diplom-Psychologe Hans-Günter Weeß. Er ist psychologischer Psychotherapeut und Leiter der schlafmedizinischen Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster sowie Autor zahlreicher Fachbücher. „Kinder sind tatsächlich auch ein Stück weit Schlafräuber“, erklärt Weeß. Er weist auf erstaunliche Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie hin. „Demnach schlafen junge Eltern erst dann wieder so viel wie vor der Geburt, wenn das Kind durchschnittlich sechs Jahre alt ist.“
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Ob Mutter oder nicht – irgendwann erlebt jede Frau eine wichtige Lebensphase, die für die Schlafqualität regelmäßig eine Herausforderung ist: die Menopause, meist zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. „In dieser Phase kommt es ganz häufig zu einer Ein- und Durchschlafstörung, auch falls die Frau davor einen stabilen Schlaf hatte“, sagt Dora Triché. Erneut kommen in den Wechseljahren die Hormone ins Spiel: Progesteron- und Östrogenspiegel sinken. Dadurch könnten vermehrt Hitzewallungen und Nachtschweiß auftreten und als Folge häufiges Aufwachen mit sich bringen.
Menopause: Was tun gegen Schlaf- und Atmungsstörungen?
Was können betroffene Frauen in der Menopause dann tun? „In enger Absprache mit dem Gynäkologen ist es möglich, eine Hormonersatztherapie in Erwägung zu ziehen“, so Triché. Dies sei heute schon niedrig dosiert möglich. Darunter versteht man, dass bei Beschwerden in den Wechseljahren, die durch einen Hormonmangel entstehen können, durch künstlich durch Medikamentengabe behandelt werden. Die Vor- und Nachteile sowie mögliche Risiken sollten Frauen mit ihrem Gynäkologen besprechen.
Die aus der Schwangerschaft bekannten Atmungsstörungen sind ebenso typisch für die Wechseljahre. Trichés Aufruf: Bei Schlafstörungen in der Menopause sollten sich Frauen ruhig beim Arzt auf obstruktive Schlafapnoe durchchecken lassen. Bei Frauen sei diese schwerer zu erkennen als bei Männern, erklärt die Schlafforscherin, „weil Frauen häufig andere Symptome haben“. Statt der bei Männern typischen Tagesschläfrigkeit litten Frauen eher unter depressiven Verstimmungen und Störung des Nachtschlafs.
Melatonin als Einschlafhilfe? Mediziner raten ab
Und wenn man nicht gleich zum Arzt gehen will? Dann greifen immer mehr Frauen zu Produkten mit Melatonin als Einschlafhilfe. Dabei raten Mediziner eher von Melatonin ab und warnen vor Nebenwirkungen. Das Schlafhormon Melatonin wird normalerweise im Körper von allein ausgeschüttet, wenn es draußen dämmrig wird. Es signalisiert dem Gehirn, wann es Zeit für den Schlaf ist und gibt den Tagesrhythmus vor.
„Bei schweren oder chronischen Ein- und Durchschlafstörungen ist es nicht zu empfehlen“, betont der Wiesbadener Schlafmediziner Markus Specht. Bei leichteren Schlafbeschwerden dagegen „kann man es mal versuchen“, da es bei manchen Patientinnen eine beruhigende Wirkung haben könne.
Dass frei verkäufliche Melatoninprodukte gerade im doppelten Sinne „in aller Munde“ sind, sei auch eine Folge der Werbung, sagt Hans-Günter Weeß. Die Dosierung des Melatonin darin sei aber so gering, dass eine positive Wirkung auf den Schlaf eher wenig wahrscheinlich sei. Viele seiner Patientinnen hätten Melatonin ausprobiert, „sie sitzen danach trotzdem alle wieder bei uns in der Ambulanz“, sagt Weeß.
Schlafstörungen bei Frauen: Was können Partner tun?
Gegen einige der Ursachen können Frauen laut der Expertin schlicht nichts tun. Durch die hormonellen Schwankungen in bestimmten Lebensphasen „müssen wir da durch“, sagt Triché. Manches könne aber helfen, besser damit umzugehen: etwa gut informiert zu sein und zu wissen, was normal und was behandlungsbedürftig ist. Entspannung sei zudem das A und O beim Einschlafen, sagt Triché. „Alles, was mich stresst, verhindert guten Schlaf.“
Partner könnten während und nach der Schwangerschaft aufmerksam sein, etwa Aufgaben im Alltag und bei der Kinderbetreuung gleichberechtigt übernehmen – und die Frau auch psychisch unterstützen. „Schon indem der Partner die Schlafstörung ernst nimmt und fragt, wie er helfen kann, kann er bei der Frau Entspannung und Schlaf fördern.“