Berlin. Bald sollen Balkonkraftwerke mit 800 Watt erlaubt sein. Was bedeutet die Zahl? Unsere Expertin ordnet ein und gibt wichtige Tipps.

  • Balkonkraftwerke in Deutschland boomen, bald soll zudem eine neue Obergrenze von 800 Watt gelten
  • Was bedeutet die Wattzahl und welche Risiken sind zu beachten?
  • Wir haben eine Verbraucherexpertin gefragt

Balkonkraftwerke sind im Trend: Die Zahl der beim Marktstammdatenregister registrierten Steckersolaranlagen am Netz hat im Juni die Marke von 500.000 überschritten, wie aus Daten der Bundesnetzagentur hervorgeht. Das ist im Vergleich zum Vorjahr mehr als eine Verdoppelung.

Das seit Mai geltende Solarpaket I und die damit einhergehenden Änderungen haben dem Balkonkraftwerk-Boom noch mal einen Schub verpasst. Ein Balkonkraftwerk anzumelden, ist seither deutlich einfacher. Eine Online-Anmeldung im Marktstammregister ist mittlerweile ausreichend. Statt 600 sollen zudem bald Balkonkraftwerke mit 800 Watt erlaubt sein. Im Einzelhandel und in Online-Shops wird seither verstärkt mit entsprechenden Produkten geworben.

Balkonkraftwerke: Was bedeutet die Wattzahl und was ist erlaubt?

Doch was sagt die Leistung aus und garantiert ein Balkonkraftwerk mit einem 800-Watt-Wechselrichter am Ende tatsächlich eine stärkere Stromeinsparung? Das haben wir Dr. Lotta Kinitz gefragt. Die promovierte Lebensmitteltechnologin ist Redakteurin für Technik- und Energie-Themen und hat für das Verbrauchermagazin IMTEST zehn Balkonkraftwerke getestet.

Dr. Lotta Kinitz – Spitzname Dr. Lotta – ist promovierte Lebensmitteltechnologin und Haushaltstechnik-Expertin.
Dr. Lotta Kinitz ist bei IMTEST nicht nur für Haushaltstechnik zuständig, sondern auch Expertin für Energie-Themen. © Privat

Balkonkraftwerke mit 800 Watt sollen bald erlaubt sein – was bedeutet das?

Hier ist es erst einmal wichtig, diese Zahl richtig einzuordnen. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen der Leistung, die das Balkonkraftwerk erzeugen kann, und der, die tatsächlich ins Hausnetz eingespeist werden darf. Erstere ist abhängig davon, wie viele Solarpanels zum Balkonkraftwerk gehören und welche Maximalleistung diese bereitstellen. Denn je nach Anlage kann die sogenannte Peak-Leistung der Panels demnach zwischen 100 und 2.000 Watt liegen.

Was tatsächlich ins Stromnetz weitergegeben wird, ist hingegen gesetzlich begrenzt. Bis vor kurzem war die Obergrenze für Balkonkraftwerke in Deutschland bei 600 Watt festgelegt. 

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Balkonkraftwerk: Wann gilt die 800-Watt-Obergrenze

Laut dem von der Bundesregierung beschlossenen Solarpaket I sollen in Deutschland bald Balkonkraftwerke mit einer maximalen Wechselrichterleistung von 800 statt 600 Watt (W) erlaubt sein. Es soll also mehr Strom über ein Balkonkraftwerk ins Stromnetz eingespeist werden können als bisher. Bislang fehlt aber die Normierung vom Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (kurz VDE), wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) mitteilte

Dasselbe gilt für normale Haushaltsstecker für die Stromeinspeisung, die laut dem Gesetzespaket künftig zulässig sein sollen. Auch hier fehlt noch eine entsprechende Normierung. Mehr dazu im Beitrag „Balkonkraftwerk mit 800 W: Ministerium gibt wichtigen Hinweis“.

Wechselrichter updaten: Expertin gibt Tipp für mehr Leistung

Die 800 Watt sind also für die Netzeinspeisung relevant?

Ja, und das entscheidende Bauteil für die Begrenzung der eingespeisten Leistung ist beim Balkonkraftwerk der Wechselrichter. Er wandelt den erzeugten Gleichstrom der Panels in Wechselstrom um, der im Haushalt für elektrische Geräte, wie Wasch- oder Kaffeemaschine, verwendet werden kann. Darüber hinaus ist er der Wächter darüber, wie viel Strom von den PV-Modulen ins Netz fließt.

Kann die Wechselrichterleistung eingestellt werden?

Bei einigen Modellen, ja. Neuere Sets werden wohl nur noch mit Wechselrichtern ausgestattet werden, die 800 Watt ins Hausnetz einspeisen können. Wer allerdings bereits ein Balkonkraftwerk hat, kann prüfen, ob der Wechselrichter per Software-Update von 600 auf 800 Watt umgestellt werden kann. Einige Anlagen werden auch vom Hersteller automatisch auf die neue Grenze hochgesetzt. Ist beides nicht möglich, ist zur Ausnutzung der vollen Leistung hingegen ein neuer Wechselrichter nötig.

Was ist ein Balkonkraftwerk?

Ein Balkonkraftwerk ist eine kleine Photovoltaikanlage, die speziell für Balkone und Terrassen im städtischen Raum entwickelt wurde. Die erzeugte Sonnenenergie kann direkt ins Hausstromnetz eingespeist werden. Die Anlagen sind einfach zu installieren und können als Set gekauft oder aus einzelnen Bauteilen selbst gebaut werden. Ein Balkonkraftwerk besteht aus Solarmodulen, Montagesystem, Anschluss- und Sicherheitstechnik und einem Wechselrichter.

Optional gibt es Balkonkraftwerke mit Speicher. Dieser wird meist zwischen Solarmodul und Wechselrichter montiert und kann oft noch erweitert werden. Der erzeugte Gleichstrom (DC) der Solarmodule wird vom Wechselrichter in nutzbaren Wechselstrom (AC) umgewandelt, der dann ins Stromnetz eingespeist werden kann. Im Unterschied zu großen Solaranlagen dürfen Balkonkraftwerke selbst gebaut und installiert werden – ein Elektriker ist nicht erforderlich.

Sicherheit von Balkonkraftwerken: Was sind die Risiken?

Wir hatten schon über die Risiken von Balkonkraftwerken mit hoher Gesamtleistung berichtet. Was kann passieren?

Das neue Gesetz zum Solarpaket I sieht für die Gesamtleistung der Solarmodule einen Maximalwert von 2.000 Watt vor. Was Nutzenden auch bei schlechtem Wetter einen möglichst hohen Ertrag gewährleisten soll, sieht der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) aber als Sicherheitsrisiko. Er strebt eine erlaubte Höchstleistung von maximal 960 Watt an, um eine Überlastung der Leitungen auszuschließen.

Denn werden – begrenzt durch den Wechselrichter – dauerhaft 800 Watt ins Haus eingespeist, kann es bei ungünstigen Konstellationen zu Überhitzungen und im schlimmsten Fall zu einem Kabelbrand kommen. Kann das Balkonkraftwerk maximal 2.000 Watt Leistung erbringen, hält der VDE das für wahrscheinlicher als bei einer Obergrenze von 960 Watt. Denn in letzterem Fall werden durchschnittlich nur 700 Watt Leistung eingespeist.

Der Wechselrichter wandelt den Gleichstrom der Solarmodule in den im Haushalt nutzbaren Wechselstrom um.
Der Wechselrichter wandelt den Gleichstrom der Solarmodule in den im Haushalt nutzbaren Wechselstrom um. © Sebastian Willnow/dpa | Unbekannt

Sind also Balkonkraftwerke mit einer Peakleistung von maximal 960 Watt sicherer?

Das findet zumindest der VDE. Wichtig für Nutzende zu wissen ist derzeit: Hat ein Balkonkraftwerk eine Peakleistung von maximal 960 Watt und keinen Batteriespeicher, ist ein Wechselrichter-Upgrade unproblematisch. Es kann sofort durchgeführt werden. Geht die maximale Modulleistung allerdings darüber hinaus und gibt es einen zusätzlichen Energiespeicher zum Balkonkraftwerk, sollte laut VDE vor dem Update zur Sicherheit eine Elektrofachkraft zu Rate gezogen werden.

Sind 800-Watt-Balkonkraftwerke jetzt der neue Standard?

Lohnen sich Balkonkraftwerke mit 800 Watt und wenn ja, warum?

Für Nutzende eines Balkonkraftwerks können sich leistungsstarke Solarpanels und eine Speicherlösung im wahrsten Sinne auszahlen. Es dürfen zwar stets nur 800 Watt ins Hausnetz eingespeist werden. Können die Solarpanels aber eine höhere Leistung erbringen, kann dieser Maximalwert zum Beispiel auch bei wolkigem Wetter erreicht werden. So ist die Energieproduktion insgesamt höher, was Geld spart.

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Über 100 Euro pro Jahr mit einem Balkonkraftwerk sparen

Können Sie uns das an einem Rechenbeispiel verdeutlichen?

Ja klar, der finanzielle Nutzen von einem Balkonkraftwerk lässt sich durch eine Musterrechnung besser abschätzen. Ein Zwei-Personen-Haushalt benötigt etwa 2100 Kilowattstunden Energie pro Jahr. Besitzt man nun ein Balkonkraftwerk, das eine Gesamtleistung von 2.000 Watt bietet, kann der Wechselrichter häufiger die erlaubten 800 Watt ins Haus einspeisen.

Befindet sich der Haushalt beispielsweise in Berlin, kann davon ausgegangen werden, dass die jährliche Energieproduktion einen Wert von knapp über 600 Wattstunden erreichen kann. 

Das entspricht beim derzeitigen Strompreis von 26 Cent pro Kilowattstunde immerhin einer Einsparung von rund 160 Euro pro Jahr. Wer sich zudem noch einen Stromspeicher zum Balkonkraftwerk gönnt, kann noch mehr der selbst produzierten Energie nutzen und erhöht dadurch das Sparpotenzial. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass der Speicher selbst auch erst einmal Geld kostet.

Eine Speichereinheit eines Balkonkraftwerks steht auf der IFA.
Speichereinheiten für Balkonkraftwerke werden zwischen Solarmodulen und Wechselrichter installiert. © picture alliance / dpa-tmn | Bernd Diekjobst

Angenommen, es ist ein Balkonkraftwerk mit 960 Watt – wie sieht die Rechnung dann aus?

Kann das Balkonkraftwerk nur 960 Watt leisten und besitzt keinen Speicher, wie der VDE offenbar bevorzugen würde, verringert sich die mögliche jährliche Ersparnis. Laut des Stecker-Solar-Simulators der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin liegt das Sparpotenzial in diesem Szenario nur noch bei rund 110 Euro.

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Wichtiger Hinweis zu Balkonkraftwerken – nicht nur die Leistung ist entscheidend

Neben den Solarmodulen und dem Wechselrichter sind auch die örtlichen Gegebenheiten für die Gesamtleistung der Mini-Solaranlage entscheidend. Der Standort sollte möglichst wenig im Schatten liegen und die einzelnen Solarmodule müssen richtig ausgerichtet sein – ein wichtiges Stichwort ist hier der Neigungswinkel.

„Die höchsten Erträge werden bei einer Neigung zur Sonne zwischen 30 und 40 Grad erreicht“, erklärte uns dazu Jee-Won Seo vom Solartechnikanbieter Yuma vor Kurzem zum Thema Balkonkraftwerke für die Dachmontage. Sind die örtlichen Gegebenheiten nicht optimal, nützt folglich auch ein leistungsstarkes Balkonkraftwerk nichts. Unter Umständen kann sich in solchen Situationen auch ein Balkonkraftwerk mit 600-Watt-Wechselrichter lohnen.

++ Themenseite Balkonkraftwerk ++

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