Düsseldorf. Ein NRW-Kongress beleuchtet kriminelle Großfamilien. Und Innenminister Reul schlägt eine interessante Flanke zur Flüchtlingspolitik.

Kriminelle türkisch-arabische Familienclans setzen ihre Geschäftsinteressen nach Erkenntnissen der europäischen Polizeibehörde Europol immer häufiger mit roher Gewalt durch. „Wir können im Moment sehen, dass die Gewaltanwendung durch Kriminelle, die an schwerer Organisierter Kriminalität beteiligt sind, sich scheinbar im Hinblick auf die Häufung und die Intensität erhöht“, sagte Europol-Vertreter Steffen van Hoven am Montag bei einem internationalen Kongress zur Bekämpfung von Clankriminalität im Düsseldorfer Innenministerium.

Es werde vermehrt auch billigend in Kauf genommen, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen. „Die Bedrohung scheint sich ebenfalls zu potenzieren, da es immer mehr zu einer Nutzung von Schusswaffen als auch Sprengstoff kommt“, so van Hoven. Vor allem in Deutschland, Schweden, Frankreich und den Niederlanden waren zuletzt immer wieder brutale Auseinandersetzungen zu beklagen.

Clankriminalität: Europol sieht steigende Zahl von globalen Netzwerken

Man habe es mit einer „steigenden Anzahl von globalen Netzwerken“ zu tun, die bestens untereinander vernetzt seien und gewinnorientiert arbeiteten. „Das ist der Motor der Organisierten Kriminalität: einen maximalen Profit zu erwirtschaften“, sagte van Hoven. Laut Europol haben 19 EU-Mitgliedschaften Verfahren gemeldet, in denen das Wort Clan auftaucht. Bislang gibt es jedoch innerhalb der Organisierten Kriminalität keine europaweit einheitliche Definition, was mit Clankriminalität gemeint ist.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte mit Blick auf die aktuelle Migrationsdebatte, dass sich Geschichte nicht wiederholen dürfe. „Wir müssen wissen, wen wir aufnehmen und wir können nur eine begrenzte Zahl von Menschen aufnehmen.“ Die staatlichen Institutionen müssten am Ende in der Lage sein, sich um die zugewanderten Menschen zu kümmern. „Wir dürfen nicht den gleichen Fehler wie damals nochmal machen“, sagte Reul und markierte die Zuwanderung der Volksgruppe der Mhallami in Folge des Bürgerkriegs im Libanon in den 70er Jahren als Keimzelle der heutigen Clankriminalität.

Clans in NRW: Keimzelle liegt im libanesischen Bürgerkrieg

„Man hat sich nicht um die Leute gekümmert. Man hat nicht versucht, sie zu integrieren oder ihnen Perspektiven zu bieten. Erst recht hat niemanden ihnen Einhalt geboten, als sie Parallelgesellschaften aufgebaut und die Verübung von Straftaten als Mittel zum sozialen Aufstieg genutzt haben“, so der Minister. Über Jahrzehnte seien so kriminelle Strukturen „immer besser, immer intensiver, immer standfester“ aufgebaut worden.

Zurzeit analysieren Experten in NRW mögliche neue Clanstrukturen mit syrischen Großfamilien, die sich seit der Flüchtlingskrise 2015 an Rhein und Ruhr niedergelassen haben: „Ja, da haben wir auch ein wachsendes Problem“, räumte Reul ein. In NRW wurden im vergangenen Jahr insgesamt rund 6600 Straftaten registriert, die der Clankriminalität zuzuordnen sind. Das bedeutet einen Anstieg um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es wurden 4000 mutmaßliche Clanmitglieder als Tatverdächtige registriert. „Das sind erschreckende Zahlen“, sagte Reul.