Essen. Die Kirchenaustritte nehmen in NRW dramatisch zu. Moderator Günther Jauch erzählte beim Politischen Forum Ruhr, warum ihm sein Glaube Halt gibt.
In Zeiten des Krieges und der Krisen sehnen sich viele Menschen nach Hoffnung und Orientierung. Doch immer weniger suchen diese in der Kirche. Der bekannte Fernsehmoderator und Katholik Günther Jauch appellierte am Montag (18.9.) beim „Politischen Forum Ruhr“ in Essen an die Bürgerinnen und Bürger, die Kirche nicht aufzugeben. Eingeladen hatte Stephan Holthoff-Pförtner, Vorsitzender des Politischen Forums. „Die Kirche ist ein Ort, an dem Menschen Trost finden“, betonte Jauch.
Im vergangenen Jahr sind deutschlandweit so viele Menschen wie noch nie aus den Kirchen ausgetreten – 380.000 Protestanten und mehr als eine halbe Million Katholiken. Den einen Grund, warum Menschen aus der Kirche austreten, gibt es nicht. Oft sind es veränderte Moral- und Wertvorstellungen, eine fehlende Bindung an die Gemeinde und auch die Wut über die Missbrauchsfälle und deren teils verschleppte Aufarbeitung.
Günther Jauch: „Die Arbeit in der Pfarrgemeinde hat meine Jugend bereichert“
Diese Geschehnisse trieben den Moderator an diesem Abend sichtlich um. „Ich frage mich wirklich, wie man die Menschen wieder näher an den Kern der Sache heranführen kann.“ Sein Vater leitete lange Zeit das West-Berliner Büro der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Jauch selbst war als Junge bei den Pfadfindern. „Die Arbeit in der Pfarrgemeinde hat meine Jugend bereichert.“
Heute sind in seiner Heimatstadt Potsdam gerade mal etwa drei Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner Katholiken, über 12 Prozent Protestanten. „Ich beobachte, dass viele Menschen stattdessen bei der Politik nach Trost und Zuflucht suchen. Das kann uns soll Politik aber nicht leisten“, so Jauch. Was muss die Volkskirche also tun, um nicht bedeutungslos zu werden?
Religionswissenschaftlerin: „Es braucht dringend Veränderung“
„Viele junge Menschen sind durchaus gläubig, können aber mit der Institution Kirche nichts mehr anfangen“, sagte die Münsteraner Religionswissenschaftlerin Regina Laudage-Kleeberg am Montag beim Politischen Forum. Das liege zum Teil auch daran, dass die Kirche ihre eigenen Leute selbst vertreibe. Obwohl Laudage-Kleeberg gerne an die Zeit zurückdenkt, in der sie selbst im Bistum Essen mitgearbeitet hat, stören sie doch viele Dinge an der katholischen Kirche insgesamt.
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Sie kritisiert „die strukturelle Minderstellung von Frauen, den schlechten Umgang mit queeren Menschen und den katastrophalen Umgang mit sexualisierter Gewalt.“ Zudem begleite die katholische Kirche Alleinstehende oder Patchwork-Familien nicht angemessen. Hier brauche es dringend Veränderung. Laudage-Kleeberg: „Wo sollen die Menschen sonst mit ihrer spirituellen Sehnsucht hin, wenn die Kirche zusammenbricht?“
Auch der geladene Essener Bischof, Franz-Josef Overbeck, ist sich sicher: „Die Kirche muss einiges bearbeiten. Nur wenn wir sie reformieren, kann sie bestehen bleiben.“ Moderator Günther Jauch ist indes überzeugt, dass der Glaube vielen Menschen noch immer Halt gibt. Er habet deshalb auch keine Angst davor, dass die Kirche aussterben könnte.